31. Erster Schlagabtausch

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Nach Jahren der Erfahrung mit dem Volk der Elfen liefen die üblichen Begrüßungsfloskeln für Eragon fast automatisch ab. Fürstin Neferta begrüßte herzlich die beiden ältesten des Drachenreiterordens und ließ es sich nicht nehmen die kleine Marlena kurz auf den Arm zu nehmen.
Arya vertraute der Elfenfürstin ihren Nachwuchs ohne Bedenken an. Auch Eragon konnte nichts anderes als herzliche Freude über das neue Leben bei der Stadthalterin von Emfielion erkennen. Die Fürstin sah es offenbar als ein gutes Omen, dass ein so junges Leben eine Gemeinschaft besuchte die bereits soviel Tod gesehen hatte.
Das einzige, was der Herrin der Elfenstadt offenbar Sorgen machte war die Tatsache, dass sie zwar Eragon und Arya angemessene Quartiere zur Verfügung stellen konnte aber Saphira und Fírnen inzwischen selbst für die Drachenreiterbehausungen zu groß waren.
Saphira ließ durch Eragon übermitteln, dass sich die Fürstin keinen Kummer machen sollte. Sie und ihr Nistpartner hatten bereits damit gerechnet und beim Anflug auf die Stadt eine Lichtung ins Auge gefasst, auf der sie sich während ihres Aufenthalts ausruhen wollten.
Fürstin Neferta war offensichtlich erleichtert, dass die beiden ehrwürdigen Drachen nicht beleidigt waren und versicherte den beiden, dass sie einige Wachen abstellen würde die Schaulustige fernhalten würden. Zwar hat der Neferta Verständnis dafür, dass sich ihr Volk für Drachen begeisterte, wollte ihren Gästen aber auch die Möglichkeit zum Rückzug geben.
Das einzige, was Eragon beunruhigte, war die Anwesenheit des Elfenfürsten Däthedr. Einem weniger erfahrenen Beobachter wäre an den maskenhaften Zügen des Adligen vermutlich nichts aufgefallen. Dem Anführer der Reiter entging jedoch nicht, dass der ehrwürdige Elf offenbar nicht erfreut war, dass die kleine Marlena die Stätten des Elfenvolkes besuchte.
Eragon hatte damit gerechnet, dass Däthedr ablehnend reagieren würde. Er schien in dem fröhlich vor sich hin plappernden Säugling eine regelrechte Bedrohung zu sehen. Auch Eragons neuste Schützling Cale musterte der Fürst von oben bis unten.
Eragon kam zu dem Schluss, dass seine Seelenpartnerin Saphira, wie üblich, recht gehabt hatte. Man musste Cale so bald wie möglich aufklären und auf eine Begegnung mit seinem Verwandten vorbereiten. Der junge Anführer der Reiter beschloss dieses Thema noch am heutigen Abend gemeinsam mit Arya, Narie und Marek zu erörtern.
Wie es Brauch war, verabschiedete sich Fürstin Neferta nachdem sie Marlena wieder in die Arme ihrer Mutter übergeben hatte und überließ es den jüngeren Drachenreitern die ältesten des Ordens zu ihren Quartieren zu führen. Zwei "Wohnhöhlen "von insgesamt sechs waren noch frei und würden Eragon und Arya zur Verfügung stehen. Stillschweigend hatten die beiden Reiter aber beschlossen nur eine für sich zu beanspruchen und die zweite ihrem Schüler Kalain zu überlassen.
Als die Gruppe geführt von Narie und Marek zu den Unterkünften aufbrechen wollte trat Fürst Däthedr zu Arya und begann den elfischen Gruß. Um nicht unhöflich zu wirken, legte Arya Marlena in Eragons Arme und vollendete das Ritual.
Der Anführer der Drachenreiter wusste, dass seine Gefährtin ihre Schlachten selbst schlagen konnte. Daher berührte er nur kurz ihren Geist und sie wissen zu lassen: Du bist nicht allein.
Der ältere Elf indes warf erneut einen Blick auf Marlena.
"Das ist also Eure Tochter Arya-Elda."
"Habt ihr dieses Gespräch nur begonnen um das Offensichtliche festzustellen Däthedr-Elda?"
"Natürlich nicht. Ich stelle allerdings fest, dass die zurückliegenden Jahre scheinbar spurlos an Euch vorbeigegangen sind. Geduld und Höflichkeit sind immer noch keine Charakterzüge die Euch auszeichnen."
"Da wir nun auch die Beleidigungen ausgetauscht haben, wäre es wohl sinnvoll, wenn Ihr nun den eigentlichen Sinn dieser Unterhaltung und Eures Hierseins erklärt."
Der Elfenfürst bedachte Arya mit einem abfälligen Blick. Dann sammelte er kurz seine Gedanken und begann zu sprechen: "Ihr habt König Maranus darum gebeten Eurer Tochter seinen Segen zu geben."
"Er hat zugestimmt.", entgegnete Arya knapp.
"In der Tat. Ich kann nicht ganz nachvollziehen, wieso Euch der König mit soviel Wohlwollen gegenüber steht. Im Grunde entbehrt Euer Anliegen jeglicher Grundlage. Dieses Wesen in den Armen Eures Liebhabers..."
"Meines Gefährten Däthedr-Elda."
Es fiel Eragon zunehmend schwer sich still zu verhalten. Allein die Tatsache, dass er Arya nicht bloßstellen wollte veranlasste ihn dazu zu schweigen. Dennoch begann Zorn in ihm zu brodeln. Nicht nur wertete der Elfenfürstin seine langjährige Beziehung zu Arya ab, indem er sich weigerte das Wort "Gefährte" zu verwenden, er beleidigte auch Marlena, indem er sie als "Wesen" bezeichnete.
Der Elf fuhr indes ungerührt fort: "Wie Ihr wünscht. Was ich sagen wollte ist, dass eure Tochter nun einmal keine reinblütige Elfe ist und insofern keinen Anspruch auf einen Segen hat. Außerdem hätte dieses Ritual aufgrund Eures Standes die Konsequenz, dass Eure "Tochter" nicht nur in unser Volk aufgenommen wird, sondern auch einen Titel erbt. Drötningu! Damit könnte sie eines Tages Anspruch auf den Thron erheben."
"Ich bedaure es, dass Ihr diese engstirnige Haltung vertretet.", erwiderte Arya ungerührt. "Allerdings ist mir immer noch nicht klar was Ihr mit dieser Unterhaltung anstrebt. Wie ich bereits sagte, hat der König zugestimmt. Ihr habt ein Recht auf Eure Meinung Däthedr-Elda aber ausschlaggebend ist die Entscheidung des Königs."
Der Elfenfürst schloss kurz die Augen und seufzte.
"Da Euch der innere Friede und die Reinheit unseres Volkes ganz offensichtlich nichts bedeutet Drachenreiterin, werde ich meine Zeit nicht damit verschwenden und zu bitten den Antrag beim König zurückzunehmen."
"Eine weise Entscheidung." Aryas Stimme blieb neutral emotionslos. "Eine solche Bitte wäre wirklich eine Zeitverschwendung. Und was den inneren Frieden und die Reinheit unseres Volkes betrifft, so habe ich weit größeres Vertrauen in seine Stärke Veränderungen zu verkraften als Ihr. Trotz all unserer Reinheit war es uns Elfen nicht vergönnt allein den Sieg über Galbatorix zu erringen. Es hat der Vereinigung aller Völker bedurft, um seine Macht zu brechen. Ich hätte eigentlich erwartet, dass ein Elf von Eurer Erfahrung erkennen würde, dass die Unterschiede und die Vielschichtigkeit unsere Stärke gemehrt haben und nicht vermindert."
"Das ist eine Interpretationsmöglichkeit der Ereignisse." konterte der Elfenfürst. "Nicht alle Stimmen dem zu."
Däthedr warf Kalain einen Blick zu der Arya unmöglich entgehen konnte. Offenbar war es das Ziel des hochgestellten Elfen, darauf hinzuweisen, dass auch in den Reihen der Drachenreiter manche durchaus seiner Meinung waren.
Bevor Arya auf diesen Punkt eingehen konnte ergriff Kalain selber das Wort: "Haltet mich bitte aus dieser Unterredung heraus Fürst Däthedr. Aus Unwissenheit und jugendlichen Übermut habe ich Euren Reden gelauscht. Der Unterschied zwischen Wahrheiten und Behauptungen liegt in der Fähigkeit Rückfragen zu beantworten. Diese Fähigkeit haben meine Lehrer im Orden immer wieder demonstriert. Wann immer ich Euch aber kritische Fragen gestellt habe seit Ihr ausgewichen. Während meines Unterrichts habe ich Fakten erkannt und meine Irrtümer eingesehen. Ich möchte nicht länger mit Eurer Bewegung in Verbindung gebracht werden."
Däthedr warf Kalain einen wütenden Blick zu, dem auch eine enttäuschte Note innewohnte. Eragon war zum ersten Mal wirklich stolz auf seinen jungen elfischen Schüler. Der Anführer der Reiter kam nicht umhin sich zu fragen worüber der Elfenfürst enttäuscht war. Glaubte er wirklich unerschütterlich an seine eigenen Thesen und bedauerte es ein Schaf seiner Herde verloren zu haben oder ging es um die Glaubwürdigkeit die er für sich und seine Bewegung erhofft hatte, wenn er einen Drachenreiter auf seine Seite ziehen konnte.
Eragon war sich nicht sicher. In jedem Fall begrüßte er es, dass der silberne Drugatie näher an seinen Reiter heranrückte und ihm so den Rücken stärkte. Auch die anderen Drachen einschließlich Saphira drückten ihren Stolz und ihren Zuspruch für die beiden jungen Ordensmitglieder durch aufmunterndes Brummen aus.
"Wie mir scheint seit sowohl Ihr als auch Euer Liebhaber talentierte Lehrer Arya-Elda." Es bedurfte eines feinen Gehörs, um die Abfälligkeit zu erkennen mit der Fürst Däthedr das Wort "Liebhaber" versah. Ein umgeschulter Zuhörer wäre vermutlich zu dem Schluss gekommen, dass der Elfenfürst nur aus Versehen erneut dieses Wort gebraucht hatte. "Selbst die Drachen konntet Ihr wohl schon vor Euren Interpretationen überzeugen. Bedauerlich. Ihr solltet eher bemüht sein die Wahrheit herauszustellen."
"Und was ist Eure Wahrheit?"
Deutlich betonte Arya das Wort "eure".
"Die Wahrheit ist, dass wir Elfen ein Vorbild sind, dem alle Völker nacheifern sollten. Wenn ein Mensch, Urgal oder Zwerg zum Drachenreiter erwählt wird beginnt er Züge auszubilden, die dem reinen Erscheinungsbild unseres Volkes ähneln. Wir sind am längsten Mitglied des Paktes der Völker. Ihr solltet lieber bemüht sein unsere herausragende Rolle den andern Völkern bewusst zu machen sowie die Notwendigkeit alles zu tun, um der Perfektion näherzukommen die wir repräsentieren. Stattdessen tut ihr offenbar alles, um unsere Position zu untergraben. Ihr tut dies mit der Beziehung, die Ihr pflegt, mit der unangemessenen Position für Eure Tochter die Ihr anstrebt und nicht zuletzt mit der irrwitzigen Behauptung, einer Eurer Schüler trüge elfisches Erbe in seinem Blut."
"Dafür gibt es klare Hinweise." warf Narie nun wütend ein.
"Ein Dolch, der auf unterschiedlichste Weise in den Besitz dieses Jungen dort gekommen sein kann und ein leicht verändertes Äußeres. Das nennt Ihr eindeutig? Vielleicht haben sich die elfischen Charakteristika bei diesem Jungen deshalb früher manifestiert, weil er bereits vor seiner Berufung zum Reiter Magie wirken konnte. Und was den Dolch betrifft: vielleicht hat ihn einer seiner Vorfahren ge....."
"Über mich könnt Ihr sagen, was Ihr wollt Fürst! Doch meine Familie beleidigt Ihr nicht!"
Eragon bedachte Cale mit einem überraschten Blick. Es war sein junger Schützling der zu Däthedr gesprochen hatte. Nun hielt der junge Drachenreiter scheinbar mühelos dem wütenden Blick des Elfenfürsten stand.
- "Vielleicht traut Ihr diesem Küken zu wenig zu, Kleiner." - ließ Saphira sich in den Gedanken ihres Reiters vernehmen. - "Höflichkeit und Zurückhaltung sind eine Sache. An Selbstvertrauen scheint es ihm aber nicht zu mangeln." -
Eragon musste seiner treuen Begleiterin Recht geben. Schließlich war es nämlich der Elfenfürst, der den Blickkontakt als erster unterbrach.
"Ich würde mir nie erlauben die Familie eines Drachenreiters zu beleidigen." räumte Däthedr schließlich ein. "Ich denke wir sind emotional zu aufgeladenen, um diese Unterhaltung zu diesem Zeitpunkt fortzusetzen. Später würde ich Euch gern einen Vorschlag unterbreiten, der für uns alle von Vorteil wäre Argetlam Arya."
"Ihr werdet keine Schwierigkeiten haben mich zu finden Däthedr-Elda."
Der Elfenfürst verneigte sich knapp vor Arya und entfernte sich dann in Richtung der weißen Zitadelle.
Eragon trat neben seine Gefährtin.
"Das war unschön.", flüsterte er Ihr zu als er Marlena an sie übergab. Sehnsüchtig reckte das kleine Mädchen bereits die Ärmchen nach seiner Mutter aus.
Arya nahm ihre Tochter entgegen und wiegte sie sanft hin und her. "Unschön in der Tat, Liebster. Und es ist noch nicht ausgestanden."

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Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt