*63. Erkundung (2/4)

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Nach einigen Überlegungen hatten Cale und Ismira beschlossen sich von ihren Drachen auf dem Marktplatz von Esterní absetzen zu lassen. Zwar interessierte es Cale besonders die Teile der Stadt zu besuchen indem die Zwerge und Urgals untergebracht waren, aber dennoch erschien es beiden Reitern so besser.
Der Marktplatz war ein öffentlicher Ort während die einzelnen Wohnbereiche für die beiden jüngsten Mitglieder des Ordens mehr wie private Rückzugspunkte wirkten. Es erschien weder Cale noch Ismira höflich mit ihren Drachen buchstäblich auf dem Küchentisch der Bewohner von Esterni zu landen.
Tatsächlich erregte die nun erfolgende Landung der beiden jungen Drachen nicht viel Aufmerksamkeit in der Reiterstadt. Offenbar waren die Bewohner dieser einzigartigen Siedlung daran gewöhnt das Reiter diesen Ort besuchten. Nur vereinzelt zogen die Neuankömmlinge Blicke der Ortsansässigen auf sich. Dies war vermutlich der Tatsache geschuldet, dass es sich bei Ismira und Cale um neue, unbekannte Reiter handelte.
Die beiden jungen Ordensmitglieder verabschiedeten sich liebevoll von ihren Drachen und diese erhoben sich wieder in den Himmel. Tailon und Anarie strebten der Behausung ihrer Großeltern zu und wollten sich von den beiden ehrwürdigen Drachen auf die Begegnung mit ihren wilden Artgenossen vorbereiten lassen.
"Also?" erkundigte sich Ismira nach dem die Drachengeschwister aus dem Blickfeld ihrer Reiter verschwunden waren. "Was wollen wir uns zuerst ansehen?"
Ein warmes Gefühl stieg in Cale auf als er die pure Vorfreude in den Augen seiner Gefährtin blitzen sah. Ismiras überschäumende Energie war eine ihrer liebenswertesten Eigenschaften und steckte den jungen Buchbindersohn immer wieder an.
"Ich weiß nicht, was schlägst du vor?"
"Freut mich das du fragst!" antwortete eine unbekannte Stimme bevor Ismira auch nur den Mund öffnen konnte. "Ihr seht euch zuerst meinen Laden an und könnt bei dieser Gelegenheit einer alten Frau beim Tragen helfen."
Noch bevor Cale genau ausmachen konnte wer da gesprochen hatte, wurden ihm bereits mehrere Sträuße aus getrockneten Kräutern in die Arme gedrückt, die sich so hoch aufgestapelten, dass er nichts mehr sehen konnte außer grüngraue Blätter.
"So, und das nimmst du Mädchen. Und jetzt kommt , wir haben nicht den ganzen Tag Zeit."
Mit Mühe gelang es dem jungen Buchbindersohn einen Blick durch den halben Wald zu erhaschen, der sich auf seinen Armen auftürmte. Seine Gefährtin schien mindestens genauso überrascht zu sein wie er selbst und hatte etwa fünf prall gefüllte Umhängetaschen um den Hals gelegt bekommen. Hilflos blickte Ismira erst Cale an und dann richtete sich ihr Blick auf eine unbekannte Frau in einem braunen Kleid mit kräftigen, gelockten Haaren die energischen Schrittes auf einen kleinen Laden am Rande des Marktplatzes zu strebte.
Viel zu überrascht um sich eine andere Handlungsweise zu überlegen folgten die beiden jungen Reiter der Unbekannten. Die Dreistigkeit der fremden Frau versetzte Cale in atemloses Erstaunen. Es war eine Sache, dass die Bewohner von Esterni offenbar daran gewöhnt waren mit Drachen und Reitern zu tun zu haben aber das Verhalten dieser Person sprengte jede Grenze. Niemals hätte Cale es vor seiner Berufung gewagt so einen Reiter anzusprechen und ihn überdies als Packesel zu missbrauch.
Schließlich gelang es den beiden jungen Reitern die Fremde einzuholen und gemeinsam mit der Unbekannten betraten sie einen kleinen Kräuterladen am Rande des Marktplatzes.
"So, da wären wir. Danke für eure Hilfe." flötete die Stimme der Unbekannten nachdem sie das Geschäft betreten hatten. "Die Taschen kannst du mir geben Kleines und du Junge legt doch bitte die Kräuter der auf dem Tisch."
"Wo ist denn der Tisch?" fragte Cale leicht unwirsch weil er durch seine Last und das zwielichtige Halbdunkel, welches in dem kleinen Laden herrschte, kaum etwas sehen konnte.
"Dumme Frage." tadelte die Unbekannte. "Der Tisch ist natürlich da wo du die Kräuter ablegen sollst."
Cale stöhnte innerlich auf als er die Antwort der Fremden hörte. Sie half ihm ebenso wenig weiter wie das Kichern, mit dem Ismira gegenwärtig kämpfte. Mit dem Fuß tastete der junge Drachenreiter der Umgebung ab bis er auf etwas stieß, das sich wie ein Tischbein an fühlte. Auf gut Glück ließ Cale die Kräuter an dem Punkt fallen an dem er die Tischplatte vermutete. Ein wütendes Fauchen schnitt, kaum dass der Buchbindersohn seine Last abgelegt hatte, durch die Stille.
"Ach Junge! Ich meinte eigentlich den anderen Tisch." seufzte die Kräuterfrau übertrieben. "Jetzt hast du meinen Freund Solenbum verärgert. Es ist keine gute Idee Werkatzen beid einem Nickerchen zu stören. "
Bevor Cale etwas antworten konnte tauchte aus der Tiefe der abgelegten Kräuter der Kopf einer ungewöhnlich großen Katze auf. Der Kater richtete seine vor Zorn funkelnden, rubinroten Augen auf den jungen Drachenreiter und fauchte erneut.
..... Eine Werkatze?!...... fuhr es Cale durch den Kopf. Er hatte immer ein so magisches Wesen treffen wollen aber sicherlich nicht mit einer Lawine aus Kräutern. In Ermangelung einer besseren Idee wechselte der junge Reiter in die alte Sprache, verneigte sich vor dem Werkater und sagte: "Verzeihung edles Wesen. Weder wollte ich dich beleidigen noch stören. Es war ein Unfall und wird sich nicht wiederholen."
Der Werkater, dessen Name offenbar Solenbum war, stellte seine Drohgebärden ein und musterte sein gegenüber mit schief gelegten Kopf.
- "Ich sehe in der Tat keine böse Absicht in deinen Augen." - ließ sich eine Stimme auf geistiger Ebene vernehmen. Sie war zart wie Seide strahlte aber dennoch großer Autorität aus. - "Und da du weißt wie man sich benimmt werde ich es dir verzeihen. Pass aber auf, dass es wirklich nicht nochmal passiert.-
Mit diesen Worten befreite sich der Werkater aus den Kräutern, schüttelte sich einmal kurz und sprang dann auf ein nahe gelegenes Regal. Von dort beobachtete er das weitere Geschehen. Seine Gestalt war kaum noch zu erkennen, nur seine roten Augen funkelten aus dem Halbschatten heraus.
"Na, die Klippe hast du gut umschifft Cale Burkatsohn. Ja, mit Höflichkeit erreicht man alles. Deswegen bin ich auch immer so ein Sonnenschein. "
Mit diesen Worten machte sich die Fremde daran ihre Kräuter in den voll gestopft Regalen ihres Ladens unterzubringen.
"Wenn Ihr so ein Sonnenschein seid, wäre es vielleicht nett, wenn ihr uns verraten würdet wer ihr eigentlich seit?" erkundigte sich Ismira und unterdrückte nur mühsam ein weiteres Kichern.
"Und woher kennt ihr meinen Namen?" wollte Cale wissen. Irgendwie war die Frau ihm nicht geheuer.
"Mein Name ist Angela und würdest du mich kennen Cale Burkatsohn, Reiter von Tailon, hätte ich gerade nicht nur die Frage von Ismira Katrinatochter beantwortet."
Die Kräuterfrau zwinkerte ihren Gästen zu und ließ sich in einen geräumigen Ohrensessel fallen.
"Fürs erste genügt es wenn ihr zwei wisst, dass ich so einiges weiß. Zum Beispiel auch, dass ihr erst seit kurzem auch Gefühle füreinander entdeckt habt. Ein interessantes und hübsches Pärchen gebt ihr beide ab. Ihr ergänzt euch. Die Stärken des einen läutern die Schwächen des anderen. Interessant in der Tat und viel versprechend. Vielleicht werdet ihr eines Tages interessant genug sein, dass ich euch eine Weissagung anbiete. Heute wollte ich nur mal einen Blick auf die neuesten Drachenreiter des Ordens werfen. So, das habe ich ja nun. Ihr könnt euch also trollen und wenn er immer noch überlegt, was sie euch als erstes ansehen wollte, dann empfehle ich euch der Bibliothek einen kleinen Besuch abzustatten. Sie wird von einem alten Freund deines Onkels geleitet Ismira und auch wenn ich ihn persönlich etwas langweilig findet ist er doch hervorragend über diese Stadt und ihre Geschichte informiert. Also los, raus mit euch!"
Cale fühlte sich als hätte man ihm mit einem massiven Holzbrett einen Schlag direkt vor den Kopf verpasst. Gemeinsam mit Ismira ging er Richtung Ausgang. Kurz bevor sie erreichten erklang erneut Solenbums sanfte Stimme: - "Nehmt euren Unterricht ernst ihr beiden. Man weiß nie wann das Leben euch eine Prüfung auferlegt. Noch nie hat das Schicksal allerdings gefragt ob jemand bereit ist für seine Prüfung." -
Kaum hatte er die rätselhaften Worte ausgesprochen begann der Werkater sich ausgiebig zu putzen.
Die fragenden Blicke der beiden Drachenreiter wurden von Angela nur mit einem schelmischen grinsen beantwortet. Die merkwürdige Frau hob die rechte Hand und winkte den beiden jungen Leuten ein verspieltes auf Wiedersehen zu.

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Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt