Seestadt

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Die Strömung war längst verschwunden, unsere Fässer dümpelten nur noch langsam dahin.
Vor uns lag die Mündung wo der Fluss in den See mündete. Rechts neben uns war ein Stück Land, welches in den Fluss hineinragte. Es war steinig, hier und da lugten Grasbüschel hervor. Ich hielt mich an den Rändern meines Fasses fest, ab und zu paddelte ich etwas mit einem Stock den ich unterwegs aufgelesen hatte.
Bofur tauchte aus dem Fass neben mir auf, spuckte einen Schwall Wasser aus und sah hinter uns "Ich glaube wir haben sie abgehängt."

Das hatten wir wohl, aber jetzt wo wir nicht mehr in Lebensgefahr schwebten, jetzt wo nicht all meine Gedanken auf mein Überleben gerichtet waren, kamen die Schmerzen in meinem Rücken zurück. Meine Bluse klebte an meinem Körper und meine Haare hingen mir nass ins Gesicht, ich wollte einfach nur noch an Land.
"Nicht für lange." Thorin paddelte etwas mit einem Stock "ohne Strömung. Alle zum Ufer los." befahl er und fing an in die Richtung des Ufers zu paddeln.
Das musste er mir nicht zwei Mal sagen, ich fing an zu paddeln und bewegte mich aufs Ufer zu. Der erste der das Ufer erreichte war Kili, er machte ein paar Schritte, bis sein verletztes Bein nachgab und er stöhnend in die Knie ging. Fili rannte zu ihm und begann seine Wunde zu verbinden.

Mit einem Ruck verlagerte ich mein Gewicht nach vorne und das Fass kippte um. Ich kroch auf allen vieren aus dem Fass hinaus auf den steinigen Boden. Steine gruben sich in meine Handflächen und Knie. Ich stieß mich vom Boden ab und ging ein paar wackelige Schritte, bis ich auf einem der größeren Steine zu sitzen kam. Für einige Momente tat ich nichts außer gegen die pulsierenden Schmerzen anzuatmen und zu hoffen, dass sich die Wunden auf meinem Rücken durch das verunreinigte Wasser im Fluss nicht entzündet hatte.

"Steht auf!" Thorins Gewand war klatsch nass genau wie das der anderen "Wir müssen weiter."
Filis blonden Haare fielen ihm ins Gesicht "Kilis Bein muss verbunden werden."
"Ihr habt zwei Minuten." Thorin ging zu Balin hinüber um zu beraten was als nächstes zu tun war.
Ich zog meine Beine etwas an hielt die Hände vor mein Gesicht und versuchte zaghaft Feuer zu erzeugen. Zu meiner Freude klappte es. Meine Nackenhaare stellten sich auf, ich wirbelte herum und sah einen Mann der im Schatten stand und mit einem Pfeil auf Nori zielte.

Dwalin sprang mit einem Stock in der Hand vor unseren jüngsten Zwerg. Schneller als ich blinzeln konnte, steckte ein Pfeil in dem Stock und Kili wurde der Stein aus der Hand geschossen, den er werfen wollte.
Ich sprang auf und ließ meine Hände aufflammen, was sicherlich beeindruckender ausgesehen hätte, wenn mir nicht schwindelig geworden und ich auf dem Boden zusammengebrochen währe. Ich war wohl doch entkräfteter als mir bewusst war.

"Macht das noch einmal und ihr seid tot!"
Ich hob mühsam den Kopf. Der Mann hatte Schulterlange braune Haare. Der Mantel und die Stiefel die er trug hatten eindeutig schon bessere Tage gesehen.
Balin hob die Hände und ging langsam auf den Mann zu "Verzeiht aber wenn ich nicht irre seid ihr aus der Seestadt?" der Mann zielte auf den Weißhaarigen was dem Zwerg nicht besonders viel Angst einzujagen schien "Dieser Kahn den ihr da habt, ist nicht zufälligerweise zu mieten?" Balin zeigte auf ein Boot, das einige Meter weiter vertäut war.

Der Mensch seufzte und ließ seinen Bogen sinken. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte er uns den Rücken zu, band die Fässer aneinander und zog sie zu seinem Boot. Sogleich lief Balin und die anderen ihm hinterher. Kili war etwas langsamer als die anderen, er hinkte ziemlich stark. Ich stämmte mich wieder vom Boden hoch, als irgendjemand meine Hand packte und sie sich über die Schulter legte, ein Blick auf die Seite sagte mir, dass es Bofur war.
"Bevor du sagst du kannst selbst gehen, nein kannst du nicht!" erstickte der Zwerg meinen Protest im Kern.

Einsichtig nickte ich, denn mir wurde schon wieder schwindelig. Bofur führte mich zu dem Anlegesteg neben dem ein großer Fels war auf dem schon Kili lehnte, sein angeschossenes Bein nicht belastend. Ich lehnte mich neben ihn und verknotete die losen Enden meiner Bluse, damit meine Narben halbwegs abgedeckt waren.

Balin verhandelte währenddessen mit dem Kahnführer "In die Seestadt kommt man gewiss auch ungesehen?"
Der Mann lachte und warf Balin ein Tau zu "Ja aber dafür bräuchtet ihr einen Schmuggler."
"Und dem bezahlen wir das doppelte." setzte Balin Schell nach, denn wir mussten hier unbedingt weg, wir brauchten Kleidung, Essen und Waffen sonst wären wir innerhalb der nächsten Stunde tot.
Abwägend schaute uns der Braunhaarige an "Na schön." er trat von dem Eingang des Bootes weg "Kommt an Bord."

Jedem war die Erleichterung anzusehen, als wir auf das Boot gingen. Es war gut, dass der Kahnfürer da war, denn ich konnte in der Ferne schon die Orks brüllen hören.
"Zieht das über!" unser Retter warf mir ein braunes Hemd zu.
Ich fing es gerade noch auf und zog es mir eiligst über den Kopf, nicht etwa, weil mir kalt war aber meine Bluse war schon ziemlich zerfetzt gewesen "Habt vielen Dank." bedankte ich mich.
Der Mann grinste als Antwort nur und stieß sich mit dem Ruder von dem Anleger ab. Nebel zog auf als wir auf den See hinausfuhren. Balin saß an einem kleinen Tisch und zählte die Ausbeute, zu der ich leider überhaupt nichts beitragen konnte. Mein Gürtel, an dem ich meinen Geldbeutel aufbewahrte, war, gemeinsam mit all meinen anderen Habseligkeiten, noch im Waldlandreich.

"Es gibt da eine kleine Schwierigkeit." Balin strich über die Münzstapel "Uns fehlen zehn Münzen."
Sogleich sah Thorin Gloin an, der die Hände verschränkte "Sieh mich nicht so an, diese Reise hat mich vollkommend ausbluten lassen, sie brachte mir nichts als Kummer, Schmerz, Unglück...." er brach ab, als sich der Nebel etwas Lichtete und in der Ferne der Einsame Berg sichtbar wurde.
Ich musste leicht lächeln. Erebor. So nahe waren wir noch nie an unserem Ziel gewesen. Ich kniff leicht die Augen zusammen und atmete scharf aus, als ich meine Sitzposition veränderte.

Ich hoffte Bard, ich hatte ihn nach seinem Namen gefragt, hatte Ringelblume zuhause, mit dem ich die Wunden auf meinem Rücken behandeln konnte.
Ehrfürchtig sahen die Zwerge zu dem Berg "Bei meinem Barte" murmelte Gloin und streckte Balin seinen Geldbeutel entgegen "nehmt es. Nehmt alles!"
Mit schnellen Schritten kam Bard auf uns zugeeilt "Das Geld schnell her damit!"
Stur wie er nun einmal war schüttelte Thorin den Kopf "Wir bezahlen euch erst wenn wir das haben, was uns versprochen wurde."

Eindringlich sah unser Schmuggler uns an "Wenn euch die Freiheit lieb ist, dann tut ihr was ich sage, da vorne stehen Wachen."
Balin gab ihm schnell das Geld, er zählte es rasch durch "Rein in die Fässer!" kommandierte er.
Eher widerwillig stieg ich wieder ins Fass. Nach einiger Zeit konnte ich spüren wie wir anhielten.
"Bilbo siehst du etwas?" flüsterte ich, dem Hobbit zu der in einem Fass ganz vorne saß in welches ein Pfeil ein Loch gerissen hatte.

"Er redet mit jemanden. Jetzt zeigt er direkt auf uns!" Bilbos Stimme wanderte ein paar Oktaven höher.
"Verräter." knurrte Dwalin neben mir "Er will uns ausliefern."
"Jetzt geben sie sich die Hand." berichtete Bilbo weiter.
Ich hörte Schritte auf uns zukommen, kurz überlegte ich ob ich einfach herausspringen und kämpfen sollte, doch es kam ganz anders. Das Gesicht von Bard tauchte über meinem Fass auf "Es muss sein." mit diesen Wörtern fing er an Fisch über mich zu leeren.
Ich musste meinen Brechreiz unterdrücken, als toter, schleimiger, stinkender Fisch in mein Fass gefüllt wurde, so lange bis man mich nicht mehr sah. Mein Rücken brannte wie die Hölle und ich konnte mir ein stöhnen nicht verkneifen. Ich spürte eine Erschütterung meines Fasses "Still jetzt!" hörte ich dumpf Bards Stimme "Wir kommen ans Zoll Tor!"

Der Hobbit- Die letzte Feuerhüterin MittelerdesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt