Kollateralschaden

165 6 3
                                    

Eingesperrt zu sein macht einen ziemlich nachdenklich. Was auf eine bestimmte weise sicher ganz richtig ist, schliesslich ist man ja aus einem Grund gefangen. Aber in welche Richtung sich meine Gedanken drehen lässt mir beinahe den Magen umdrehen.

Ich versuche meine Vergangenheit zu verdrängen, die Dinge die ich getan habe. Aber sie kommen immer mal wieder hoch. Wenn ich Alpträume habe oder einen Bericht über ein geschlagenes Kind höre. Die Bilder von den vor mir liegenden Kindern kommen hoch, jene die ich als Bestrafung für ihren Ungehorsam geschlagen habe. Die meiste Zeit waren es Jungs, aber dann kam dieses Mädchen. Es wirkte schwach und zerbrechlich, niemand der für so einen Ort geschaffen wäre.

Aber an einem Abend als ich nachhause gehen wollte und meine Jacke in einem der Zimmer liegen gelassen hatte lief ich den langen, dunklen Gang zurück. Ich holte meine Jacke und hörte wie noch gekämpft wurde. Normalerweise waren die Trainings schon vorbei. Meine innere Neugier hielt mich davon ab einfach nach hause zu gehen. Als ich hinter der Scheibe stand konnte ich meinen Augen kaum trauen. Man hatte von Luca eine Menge gutes gehört, über seine ausgezeichnete Kampftechnik und seine Erfolgsquote beim töten, aber ich hatte ihn nie live kämpfen sehen. Aber jetzt wo ich hinter der Scheibe stehe und ihn dabei beobachte muss ich wirklich staunen.

Was mir erst nach einer gewissen Zeit auffällt ist, das er sich ziemlich anstrengen muss nicht zu Boden zu gehen. Als ich seinen Gegner betrachte sehe ich das es das Mädchen ist das ich am Nachmittag geschlagen hatte weil es nicht kämpfen wollte. Ich hielt sie für schwach. Sie war aber absolut das Gegenteil davon. Sehr beeindruckt beobachte ich die beiden noch eine Weile. Irgendwann schaut sie heraus und sieht mich dort stehen.

Im ersten Moment schrecke ich zusammen als ihr kalter, herzlose Blick mich trifft. Ich kann nicht anders als sie anzustarren, sie scheint mich mit ihrem Blick töten zu wollen. Wie in Zeitlupe lief der Moment danach ab. Sie schlug Luca in den Bauch, der sichtlich zusammen zuckte vor Überraschung und auf die Knie fiel. Ohne auf ihn zu achten rannte sie auf die Tür zu die uns trennte und schlug sie auf. Sie flog mir entgegen und mich schleuderte es an die Wand. Alles was ich sehen konnte war ihre Faust die mir entgegen kam. Mein Kopf schlug hart gegen die Wand, als ich mich ihr zuwenden wollte begann meine Haut erneut zu brennen. Der zweite Schlag war genau wie der erste, ein Volltreffer. Sie schlug in scheinbar immer den gleichen Abständen auf mich ein. 

Immer als ich mich zu ihr wenden wollte, oder meine Hände vor das Gesicht halten wollte um die Schläge abzufangen, schlug sie mich. Irgendwann hatte ich nur noch die Augen geschlossen und liess es über mich ergehen, ich wusste das ich trotz meiner Ausbildung und Erfahrung keine Chance gegen sie haben würde. Ihre Wut machte sie stärker. Nach einer Zeit hörte ich einen Schrei. Ich öffnete die Augen und sah aus dem Augenwinkel wie Luca das Mädchen an den Haaren packte und von mir weg zerrte. Er schmiss sie auf den Boden, aber schlug nicht auf sie sein. Sie blieb auf dem Boden liegen und starrte zuerst nur ihn an. Dann auf einmal wieder mich. Ich zuckte kaum merklich zusammen als ich sah wie sie ihre Fäuste ballte und mir signalisierte das sie mich jeder Zeit wieder schlagen würde.

Das was mir aber am meisten Angst machte war ihr Blick. Er war nicht von Hass oder Verachtung geprägt wie ich es sonst bei den anderen erlebe. Ihre Augen waren ausdruckslos, in ihnen war nichts zu erkennen. Keine Emotion, rein gar nichts.

Als mir jemand einen Eimer mit kaltem Wasser über den Kopf schüttet bin ich zurück in meiner Zelle. Zuerst schaue ich mich verwirrt um und realisiere erst dann, das ich so tief in Gedanken versunken war und alles um mich herum ausgeblendet haben muss. Ich war für das kalte Wasser dankbar, den diesen Blick ihrer Augen hätte ich nicht mehr lange ertragen. Aber als ich sah von wem ich es angeworfen bekommen habe wird mein Hass wieder stärker. Von Hass getränkt stehe ich auf und renne auf ihn zu. Ruhig und ohne Panik bleibt er stehen und ich verwundere mich darüber, doch als ich an meinem Bein einen zug spüre und der länge nach zu Boden falle erinnere ich mich daran das sie mich angekettet hatten. Weshalb er auch ruhig stehen blieb.

Er lachte und wollte gerade heraus gehen als ich seinen Fuss packe und er ebenfalls auf den Boden fällt. Sein Schrei verrät mir das er sich verletzt haben muss. Sofort beginne ich nach zu denken, wie ich ihn am besten erledigen konnte. Aber zuerst musste die Fessel weg, ansonsten hätte ich auf keine Weise eine Möglichkeit nachher zu flüchten. Immer noch halte ich seinen Fuss fest und als ich an ihm herauf schaue sehe ich das er eine Waffe in seiner Hose stecken hat. Bewusst das ich nicht an ihn heran kommen und mir die Waffe nehmen könnte ziehe ich an seinem Bein und ziehe ihn in meine Richtung. Die letzten Zentimeter trennen mich von der Waffe. Jetzt muss ich schnell sein, bevor er mitbekommt was ich versuche. Als ich nah genug war um die Waffe zu ergreifen zog ich ihn noch ein Stück zu mir.

Als er an sich herunter schaut und realisiert das ich mich an seinem Bein festklammere versucht er die Waffe zu nehmen, aber ich bin glücklicherweise schneller als er und halte sie ihm mit ausgestreckter Hand an die Brust. Seine Augen weiten sich, er weiss wenn er jetzt etwas flasches tut, erschiesse ich ihn ohne zu zögern. Der Mensch tut unverzeihliche Dinge wenn es um sein eigenes Leben geht. Das weiss er genauso gut wie ich. Wir waren jahrelang Partner gewesen. Ausserhalb der Zeit die wir im Keller verbracht hatten. Seite an Seite haben wir uns gedeckt. Wie Brüder haben wir auf einander aufgepasst. Ich muss zugeben das mich sein Verrat mehr verletzt als ich jemals zugeben würde. Aber jetzt ist es vorbei, meine Pläne haben sich geändert und er steht mir jetzt gerade im Weg.

"Willst du das wirklich?", fragt er mich. Zuerst weiss ich keine Antwort aber weil ich nicht einfach nichts tun konnte entsicherte ich die Waffe. Das knacken der Waffe liess ihn stockend schlucken. "Was bin ich nach all den Jahren der Partnerschaft für dich?" Darauf weiss ich nur eine Antwort die ich ihm mit Freude ins Gesicht sagen werde. "Kollateralschaden", sage ich und lache über das ganze Gesicht. Dann erschiesse ich ihn. Damit der Schuss nicht zu laut ist halte ich sie ganz nah an seine Brust was den Schuss ein wenig dämpft.

Ohne GnadeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt