Der Chef

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"Wach auf Adriana!" Höre ich jemanden schreien. "Nein, verschwinde!" Schreie ich zurück. Jemand rüttelt wie wild an meinem Körper. Ich will nicht aufwachen, erst recht nicht die Augen aufmachen. Ich ertrage seinen Anblick nicht noch einmal an diesem Tag. Oder an einem danach. "Adriana wach endlich auf! Du träumst doch nur!" Die Stimme klingt verzweifelt. Ist es noch er? Kann es sein das ich das alles wirklich nur geträumt habe? "Adriana bitte...wach auf." Unsicher und zögerlich öffne ich schliesslich die Augen. Ich blicke in Daniels verunsichertes Gesicht. Sofort falle ich Ihm um den Hals.

So fest es geht drücke ich mich an Ihn. Er legt sich auf die Seite und stützt sich mit dem Elbogen ab. Ich kuschle mich an seine Brust und merke erst jetzt das ich zittere. Er streichelt behutsam meinen Kopf und drück mich an sich. Seine Nähe ist genau das was ich jetzt brauche. Ich bin froh das er nichts sagt, sondern mich einfach nur in den Arm nimmt. Das wir schweigend da liegen,  und nicht darüber reden warum ich geschrien habe.

Das er mich später Fragen wird was los war, was ich geträumt habe ist mir klar. Nur weiss ich nicht was ich Ihm sagen soll. Das ich schlecht geträumt habe hat er ja mitbekommen. Ich werde es Ihm sagen, aber erst wenn ich mir ganz sicher bin das es er auch ist. Zweifel daran hatte ich kaum noch aber das würde bedeuten das ich in Gefahr war. Und Daniel auch. Erst musste ich mir absolut sicher sein. Dann würde ich Daniel einweihen.

"Nach was suchst du?" "Ein Bild", sage ich abwesend und starre in den Bildschirm. "Was für eines?" "Vom Chef." "Vom Chef? Meinst du der, der dir die neue Wohnung beschaffen hat und dich angeblich befreit hat?" "Ja", antworte ich kühl. Er merkt das ich nicht gut auf Ihn zu sprechen bin. Eine Weile bleibt er noch stehen und dann geht er. Ich starre weiterhin den Bildschirm an der mir einfach keine Informationen geben will und keine Bilder zur verfügung stellt. Ich könnte mich in Liams Account Haken aber das würde die Probleme nur schlimmer machen und die Chance das sie mich finden, vergrössern. Also lasse ich es bleiben und suche weiter.

Daniel kommt zurück und setzt sich auf den Schreibtisch, er legt einen Umschlag neben sich hin und schaut mich erwartungsvoll an. Ich erkenne den Umschlag sofort, der lag auch bei den anderen auf dem Schreibtisch als ich sie durchwühlt habe. "Was ist da drin?" "Das was du suchst, jedenfalls hoffe ich das du darin findest was du suchst." "Danke", sage ich und lächle hIn an. "Willst du einen Kaffee?" "Ja gerne", antwortet er und steht auf. "Ich mach schon." Er nickt mir zu. Ich stehe auf und laufe in die Küche. Mit den heissen Kaffees laufe ich zurück ins Büro.

Eine Tasse reiche ich Daniel die andere stelle ich vor mich hin. "Kann ich dir irgendwie helfen?" Ich will Ihm sagen wonach er suchen soll aber so genau weiss ich das selbst nicht. "Nach allem was man Ihn zur Last legen könnte", sage ich schliesslich. "Okay", sagt er und schnappt sich den Laptop vor mir. Verwirrt schaue ich Ihn an. "Such darin", sagt er und zeigt auf den Umschlag. Ich nicke leicht und dann geht er raus. Weiss er etwa schon nach was ich suche? Ich hoffe nur das er nicht auch irgendwie darin verwickelt ist.

Der Kaffee ist noch immer heiss und brennt in meiner Kehle. Ich nehme noch einen grossen Schluck und stelle die Tasse wieder hin. Der Umschlag ist dick und nicht gerade leicht.  Vorsichtig reisse ich Ihn auf und nehme die Blätter darin hervor. Es sind Akten, Daten, Bilder und sonstige Informationen. Ich mache einen Stapel vor mir und beginne mit den Fallakten.

Nachdem ich eine durchgelesen hatte, habe ich gemerkt das ich die am Ende lesen musste denn unzählige Informationen und Details die erwähnt wurden von anderen Fällem stammen. Ich lege die Akten auf die Seite und überlege womit ich beginnen soll. Dann finde ich einen Lebenslauf vom Chef. Mit dem würde ich beginnen. Es stehen keine besoners interessanten Sachen darin, nichts mit dem ich etwas anfangen könnte. Ich finde einen Psychologischen Test von Ihm. Er zeigt keine besonderen Auffälligkeiten. Aber ich merke das damit etwas nicht stimmt. Er liegt überall im Normalbereich, und ich weiss aus Erfahrung das bei jedem Test entweder eine Neigung ins Negative oder ins Positive fällt. Ich musste im Krankenhaus auch mehrere solche Tests machen und der Arzt sagte mir das es immer so wäre, ohne Ausnahme. Es musste eine Abweichung geben, egal wie klein sie auch war. Aber da gab es keine.

Nach weiterem Suchen habe ich endlich gefunden nach was ich gesucht habe. Ein Bild gerade nach Abschluss der Uni. Mein Herz beginnt zu rasen, immer schneller und schneller. Der Mann der mich befreit hat, mir das Leben gerettet hat, mir geholfen hat ein neues Leben aufzubauen ist einer der Männer die mich während meiner Gefangenschaft vergewaltigt haben. Ich habe Ihm alles erzählt, alles. Und dabei hatte er schon alles gewusst. Jedes kleine Detail. Wie sehr er sich wohl anstrengen musste nicht zu zeigen das er alles schon wusste, das er nichts preisgab was in verraten könnte.

Warum hatte er mich nicht schon früher heraus geholt? Warum hat er es überhaupt getan? Er hatte ja keinen Grund dazu. Mein Kopf ist voller Fragen auf die ich keine Antwort bekommme. Und die einzige Person die sie mir beantworten könnte, würde es niemals tun. Hatte er auch etwas mit dem Unfall zu tun? Alles wusste ich ja noch nicht. Ich hatte immmer nur hin und wieder Bilder oder Erinnerungen die mir durch den Kopf jagen und mir schrecklich Angst machen. Manchmal weiss ich nicht ob ich einen Alptraum habe oder es eine Erinnerung ist. In den meisten Fälle wünschte ich mir das es nur ein Traum war, aber ich wusste das es keiner ist.

So viele Fragen quälen mich, so sehr. Ich beginne zu weinen, ich habe keinen Kraft mehr, es ist einfach zu viel. Viel zu viel und alles auf einmal. Mein Kopf dröhnt und ich falle auf den Boden. Mit einem lauten krachen bleibe ich liegen. Ich werde es heraus finden, was vor dem Unfall war. Alles was ich nicht weiss. Und die Leute die mir das angetan haben werden sterben. Sie werden alle sterben. Keiner von Ihnen wird am Leben bleiben. Und als letztes wird der Chef sterben. Damit er sieht was auf Ihn zukommt. Ich will das er Angst vor dem Tag hat an dem wir uns wieder sehen werden.

Ohne GnadeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt