In Freiheit sterben

67 3 0
                                    

Als ich die Klinge in der Hand hielt und sie anstarrte, genosse ich den Augenblick. Bis er die Stille unterbrach. Ich schaute ihn langsam an und sage nichts. Als er beginnt mit mir zu reden und mit der Vergangenheit beginnt schweife ich total ab. Als er anfängt über die Freiheit zu reden bin ich dann ganz weg. Total vertieft in meine Gedanken bin ich auf einmal wieder dort.

In diesem Loch. Dort unten. Mit all den anderen. Gefangen und völlig hilflos. Ohne Aussicht jemals wieder von dort weg zu kommen. Ich weiss noch wie sie mich an den Haaren gezogen haben und mich die dunkle Treppe heruntergeschleiften. Die erst beste Tür haben sie aufgemacht und mich herein gestossen. Geweint und zusammengerollt blieb ich am Boden liegen. Ich hatte keine Kraft mehr. War am Ende. Verzweifelt. Ich war immer froh wenn sie die Tür geschlossen haben. Sobald sie die Tür öffnen steigt die Panik in einem wieder. Die Furcht davor das sie einen anfassen. Es ist schon schlimm genug das sie dich anschauen. Eindringlich und voller Begierde. Es ist abscheulich. Man schaut weg und hofft das sie wieder verschwinden. Aber meistens machen sie das dann eben nicht. Sie kommen zu dir und streichen dir die Strähne aus dem Gesicht. Ekel. Abneigung.

Still bleibst du. Kein Wort. Kein Wiederspruch. Niemals. Sonst schlagen sie dich. Du weisst das wenn du dich jetzt nicht wehrst, es so bleiben wird. Das sie dich für schwach halten. Und es auch bist. Nie wieder findest du den Mut. Selbst wenn du es versuchen würdest. Sie könnten dich nicht ernstnehmen. Sie würden dich nur auslachen. Ihr gelächter hallt dir in den Ohren. Es würde klingen wie beim ersten Mal als du danach am Boden gelegen und geweint hast. Ihr tiefes, erfreutes Lachen. Erfreut über dein Leiden. Es gibt ihnen ein gutes Gefühl. Triumpf. Macht. Es ist einzig und allein ein Spiel um die Macht über den anderen. Das habe ich schnell begriffen. Aber ich wollte nicht wie die anderen werden. Sie liessen den Kopf hängen. Lächlten nie. Sagten kaum etwas. Hatten dafür aber keine blaue Flecken oder Blutergüsse. Nicht so wie ich. Meiner war übersäht. Überall hatte ich eine farbene Haut. Rot. Blau. Gelb. Den Regenbogen stell ich mir so vor. Grauer Himmel vom Regen, darin ein farbener Streifen. Aber dann holt mich die Realität zurück. Falls ich hier jemals wieder raus kommen würde. Vielleicht war es für mich nicht Bestimmt je wieder einen zu sehen.

Wut packt mich. Ich will weglaufen. Jetzt. Meine Beine tragen mich zur Tür aber zögern einen Fuss vor sie zu setzten. Als ich einen Schrei höre kommen mir die Dinge in den Sinn die alle erzählen. Das sie manchmal welche laufen lassen um zu sehen ob sie es schaffen würden. Einige setzen nicht einmal einen Fuss vor die Tür. Sie sind so fixiert. Dressiert. Sie wüssten nicht wohin oder was sie mit ihrem Leben anfangen sollten. Sie kannten ja schliesslich nichts anderes als das zu tun was von einem verlangt wurde. Sie bleiben einfach stehen und starren in die Freiheit hinaus. Sie könnten frei sein, aber sie sind so geprägt das sie ihre eigenen Instinkte verdrängen und zurück in ihre Zimmer gehen. Andere rennen los. Immer weiter. Ohne Ende. Ohne Ziel. Einfach nur weg. So weit und so schnell wie möglich weg. Der dichte Wald und die Abenddämmerung machen es nicht leichter. Die abgebrochenen Äste die überall herum liegen bringen dich zum fall. doch sofort stehst du auf und rennst weiter. Deine Füsse bluten und schmerzen höllisch aber die Angst das zu zurück musst und das Adrenalin das du ausschüttest weil du wegrennst lassen dich das vergessen. Jeder Atemzug brennt in deinen Lungen aber es hält dich nciht davon ab weiter durchzu halten. Kurz stütz du dich an einem Baum ab um verschnaufen zu können. Aber als du ihre Stimmen hörst schaust zu panisch nach hinten um zu schauen ob sie dich schon sehen, dann rennst du wieder los. Voller Panik merkst du nicht wie die Dornen sich in dein Bein schneiden und du sie mitreisst.

Aber nichts hält dich von deinem Willen ab Frei zu sein. Es scheint als würdest du sie auch finden. Endlich. Nach all den Jahren endlich wieder ein bisschen frische Luft. Dir erscheint alles so schön. So wunderschön. Du verringerst dein Tempo und bleibst stehen. Kurz hälst du die Luft an um zu hören ob sie noch nach dir schreien, hinter dir sind. Als du nichts hörst atmest du aus. Zufrieden und mit zuversicht auf das was noch kommen wird. Dann schaust du dich um und siehst nichts ausser Wald. Es ist bereits dunkel gewrden und du hast keine Ahnug wo du überhaupt bist. Langsam steigst du über den Waldboden. Deine Füsse schmerzen und hinterlassen rote Spuren auf dem Boden. Du versuchst es zu verdrängen aber es klappt nicht richtig. Die kälte steht dir zur Seite und lässt dich den Winter spüren. Er lässt dich zittern. Du umklammerst deine Arme in der Hoffnung ein wenig wärme speichern zu können. Du schaust dich um und erkennst nichts. Absolut nichts. Nur Dunkelheit. Angst packt dich. Vielleicht war das ihr Plan? Dich hierh sterben zu lassen. Weil du süchtig nach der Freiheit warst und sie wussten das du dich verlaufen würdest. Das di erfrieren oder verhungern würdest. Die erste Träne läuft über dein Gesicht. Viele folgen darauf.  Die Hilflosigkeit und die Ungewisseit lassen dich zu Boden sinken um dich deiner Trauer hinzugeben. Zusammengekauert liegst du auf dem kalten, harten Waldboden und gibst dich auf. Du weisst wenn du jetzt nicht weiter gehtst wirst du hier zu Ende gehen.  Weinend fällst du zitternd in deinen letzten schlaf. Aber du hast ein lächeln im Gesicht. Wenigstens in Freiheit sterben.

Andere schaffen es die Nacht durchzustehen und kommen in ein kleines Dorf in dem sie unterschlupf findet. Doch auch sie wird nicht normal leben können. Überall wird sie an die Vergangenheit erinnert. Nachts steht sie schreiend auf. Alpträume. Immer. Jede Nacht. Immer das gleiche. Sie verfolgen dich überall hin. Es wird niemals besser. Die Vergangenheit kann nich vergessen werden. Niemals. Es geht nicht. Auch wenn man es noch so sehr versucht. Sie taucht in allem auf. Erinnert uns an das was war. Bei jeder gelegenheit. Die kaputte Psyche und die Narben beweisen es. Die Zeit heilt alle Wunden mag stimmen, aber Narben bleiben für immer. Sie zeichnen deinen Körper ein Leben lang. Selbst sie erinnern dich an die Jahre die du gelitten hast. Aber du trägst sie mit Stolz. Weil du es bis jetzt geschafft hast. Obwohl du immer wieder an dem Punkt standes, kurz davor warst aufzugeben.

Ohne GnadeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt