Wissen

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Ich laufe durch den dunklen Wald zurück auf die Lichtung und von da an weiter Richtung Bahnhof. den selben Weg welchen wir vor nicht zu allzulanger Zeit in die andere Richtung gegangen sind. Dieses mal unterscheidet sich nur das ich den Weg alleine gehe. Ich weiss nicht ob Daniel mein Verschwinden schon bemerkt hat, die Dämmerung hat schon langsam eingesetzt, was weisst es wird bald wieder hell sein. Meine grösste Angst jetzt gerade ist das er es nicht versteht, warum ich ihn verlassen habe. Nichts wünschte ich mir jetzt mehr aber ich weiss das ich es eigentlich nicht erwarten kann. Hoffen ist das einzige was mir übrig bleibt.

Meinen entscheid den Weg alleine weiter zu führen hat die Tatsache das ich mich an alles erinnere. Das lesen der Bücher hat mir die Dinge die ich wusst eund vermutet habe nur bestätigt, alles ergab einen Sinn. Ich weiss warum sie hinter mir her sind, warum sie mich finden müssen, warum ich für sie eine Gefahr darstelle, warum sie mich töten wollen. Ich kann es nicht riskieren Daniel mit in den Tod zu reissen, deshalb liess ich ihn zurück. Sobald ich an einem Münztelefon vorbeikomme rufe ich einen der Nummern an die in meinem Buch standen. Erst wirkten die Bücher unrealistisch, wie eine völlig übertriebene Geschichte. Aber ich erinnerte mich wie ich teilweise geweint habe als ich Zeile für Zeile mein kaputtes Leben auf papier brachte. Die getrockneten Wasserflecken auf den Seiten bestätigen das. Genauso die Blutstreifen auf den Seiten, tropfen die sich überall auf dem Boden finden lassen, zusammen mit der Klinge die noch immer mein Blut an ihrer silber farbenen spitze trug.

Ich konnte nicht anders als es mit zu nehmen, den Schmerz und den Hass der in ihr steckten als ansporn bei mir zu tragen und mich niemals wieder vergessen zu lassen was mit mir passiert war. Nichts ausser das Messer hatte ich nun bei mir. Als ich durch das kleine Dorf laufe ziehe ich mir die Kapuze der Jacke tief ins Gesicht. Es war eigentlich viel zu warm für eine Jacke aber ich wollte das risiko nicht eingehen das jemand meine Narben sah. Es würde nur für aufsorgen erregen und das wollte ich momentan absolut nicht. So schnell es ging durchquere ich das kleine aber lang gezogene Dorf. Eigentlich wollte ich mit dem Zug reisen, die erinnerung an die letzte fahrt hielt mich aber davon ab.

Als ich das Dorf duchquert habe nehme ich die Kapuze herunter und werde von der aufgehenden Sonne geblendet. Ich muss an Daniel denken der wohl jetzt weiss das ich ihn verlassen habe, vielleicht nicht für immer. Aber für den Moment jedenfalls. Stundenlang laufe ich den Wegen nach, ohne zu wissen wo ich eigentlich hin will. Meine kräfte verlassen mich und ich setzte mich unter einen Baum. Einige Zeit später wache ich wieder auf, lehne gegen den Baum und plane meinen nächsten Schritt. Entschlossen stehe ich auf und laufe weiter. Der kleine Weg dem ich schon eine Weile folge erhebt sich zu einem kleinen Hügel, oben angekommen sehe ich eine Stadt zu meinen Füssen liegen. Eilig laufe ich den steilen Hang herunter und stürtze beinahe auf dem Kieselsteinweg aus. Im letzten Moment kann ich mein Gleichgewicht doch noch halten.

Kurz bevor ich in die Stadt gehe ziehe ich die Kapuze hoch und ziehe sie mir ins Gesicht, ich wollte ja nicht das sie mich gleich finden werden. Vergebens suchte ich die ganze Stadt nach einem Münztelefon ab. Ich konnte es nicht riskieren mir ein Handy zu kaufen und ihm die Botschaft so zu übermitteln. Es ist bereits dunkel geworden und ich habe hunger. Am Ende der Strasse hängt ein beleuchtetes Schild, es zeigt die Werbung einer Bar. Ich laufe über die Strasse und bleibe vor der Bar kurz stehen. Ich werfe einen letzten Blick über meine Schultern und gehe hinein. Es riecht sehr stark nach Alkohol und Zigaretten. Es sind nicht besonders viele Leute hier, einige an den Tischen ein älterer Herr an der Bar und drei Freunde die Billiard spielen.

Ich laufe quer durch den Raum und ignoriere die Blicke der anderen. Als ich mich an die Bar setzte fragt mich der Barkeeper was ich trinken will. "Baylis mit Eis", sage ich schnell. Er stellt ein Glas mit Eiswürfeln vor mir hin und schenkt mir den Baylis ein. Ich nicke ihm kurz höflich zu und starre in mein Glas. Der kalte Alkohol tut mir gut, eine kleine ablenkung nach den heutigen Ereignissen. Daniel habe ich verlassen, hoffnungsvoll das er es versteht trinke ich einen weiteren Schluck.
Ich schaukle die Eiswürfel in dem leeren Glas herum, sie klappern leise vor sich hin. Der Barkeeper nimmt das Glas und schenkt noch einmal nach. Er lächelt mich an und sagt; "Geht aufs Haus", ich lächle freundlich zurück und starre mich im Spiegel hinter dem Tresen an. Ich sehe verschlafen und zerstört aus, aber nicht als wäre ich am Ende.

Ich beobachte ihn dabei wie er den alten Mann an der Bar bedient und die Gläser abtrocknet. Er stellt sie ordentlich zurück in den Schrank und schenkt mir einen Blick. Er kommt zu mir rüber und fragt mich etwas, was mich überrascht. "Warum ziehst du so ein trauriges Gesicht?" "Lange Geschichte", antworte ich und sehe ihm tief in die Augen. Sie funkeln grün braun, seine Pupillen weiten sich ein kleines bisschen. Ich muss lächeln. "Ich weiss das du nicht reden willst, aber falls doch, ich bin noch eine Weile hier." Er zwinkert mir zu und ich muss erneut lächeln. "Bist du auch für Sex zu haben?" Er braucht mir keine Antwort zu geben, den sein Blick zeigt mir was ich haben will.

Ich widme mich wieder meinem Glas und denke über die Männer in meinem Leben nach. Daniel war meine Kindergartenliebe, Liam jemand der mir alles vorgelogen hat, auch wenn er das etwas anders sieht. Aber da gibt es noch jemanden. Luca. Während meiner schlimmsten Zeit war er da. Mit mir eingesperrt, wir hatten eine sehr intensive Beziehung. Auch wenn sie hauptsächlich aus leidenschaftlichen küssen und wildem Sex bestand. Und nun habe ich Daniel wieder gefunden. Alle habe ich verlassen, auch Daniel wieder, vielleicht kommen wir nach dem allem wieder zusammen. In den nächsten Stunden stelle ich mir was wäre wenn Fragen und suche eine Amtwort darauf. Auch wenn die meisten nur Illusionen sind, Lösungen für Probleme die unrealistischer nicht sein könnten.

"Wie lange hast du noch?" Frage ich den Barkeeper nachdem ich beschlossen hatte ein schlechter Mensch zu sein und das mit meinem Gewissen vereinbaren konnte, mit einem fremden Mann die Nacht zu verbringen. "Ich kann jederzeit jemanden rufen..." Ich stand auf, trank meinen Baylis zuende und ging durch den Hinterausgang ohne mich nochmal umzudrehen. Ich hörte nur noch wie er einen Namen rief und mir eilig folgt. Die Tür knallt zu und unsere Lippen vereinen sich, in einem Kampf um die Dominanz.

Ohne GnadeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt