Als ich mich am nächsten Morgen aufsetzte, brummte mein Kopf, als wäre ein Schwarm Hummeln in ihm gefangen und alle meine Körperteile taten weh. Müde rieb ich mir den Schlaf aus den verklebten Augen und betrachtete anschließend die Umgebung etwas genauer. Ich war im Schlafsaal der Gryffindors, so viel stand schon einmal fest. Neben mir im Bett schlief Rose friedlich und bei einem Blick auf den Wecker stellte ich fest, dass es erst halb sieben war. Warum wachte ich bitte um so eine Uhrzeit auf, wir hatten doch schulfrei? Doch einmal aufgewacht konnte ich nur noch sehr schwer einschlafen und so machte ich mich mit einer Jacke von meiner Freundin bewaffnet auf den Weg nach draußen. Ich brauchte jetzt frische Luft, um den Kopf freizubekommen. Denn seltsamerweise konnte ich mich an den letzten Abend nur noch schemenhaft erinnern. Das einzigste, was noch klar war, war, dass Rose und ich mit Potter gesprochen hatten.Mittlerweile hatte ich das große Eingangstor erreicht und schob es vorsichtig auf, um nach draußen ins Freie zu schlüpfen. Die kühle Morgenluft schlug mir entgegen und ich sog sie sofort gierig in meine Lungen. Nebelschwaden zogen über die Landschaft und verstärkten so nur noch den magischen Eindruck der Schule. Die Sonne war schon aufgegangen und spiegelte sich als großer orangener Feuerball in dem dunklen See wieder. Tau bedeckte die Wiese und ich spürte schon, dass die kleinen Wassertröpfchen sich einen Weg durch meine dünne Leggings bahnten, als ich durch ein kleines Stück hohes Gras lief. Doch ich hatte ein ganz bestimmtes Ziel.
Zügig überquerte ich die Wiese weiter, um dann dem See immer näher zu kommen. Gebückt lief ich durch ein Feld aus Schilf und anderen Gräsern, ehe ich eine kleine Felsformation erblickte, die einen perfekten Sitzplatz bat. Von außerhalb war er nur schwer einsehbar, perfekt. Auf einen besonders hohen Stein direkt am Wasser ließ ich mich schließlich nieder und starrte mit abwesenden Blick über das fast schwarze Gewässer. In der Ferne konnte man die vielen Fangarme des Riesenkraken erkennen, die ab und zu aus dem Wasser schnellten und anschließend wieder abtauchten. Die Stimmung war entspannt und friedlich, und langsam merkte ich, wie ich mich entspannte.
Ich hatte jegliches Gefühl der Zeit verloren, vielleicht waren erst ein paar Minuten vergangen, vielleicht aber auch schon Stunden. Es war mir egal, denn ich merkte erst jetzt, dass ich diese Ruhe wirklich gebraucht hatte. Es war in den vergangenen Wochen einfach so viel verschiedenes passiert, nicht unbedingt schlechtes, nein, ich war froh, alles so gemacht zu haben, aber trotzdem. Ich beschloss, mich bald wieder auf den Rückweg zu machen, doch da tauchte plötzlich ein Schatten hinter mir auf und ich drehte mich um. Potter stand auf einem Fels und sah unschlüssig zu mir.
„Potter, du stehst mir in der Sonne", erklärte ich ihm ohne Begrüßung.
„Sorry, wollte mich nur hier hinsetzten. Aber ich werd mir einen neuen Platz suchen, wenn du hier schon bist", er wandte sich zum gehen und irgendwie tat er mir in dem Moment Leid.
„Passt schon, er gehört ja nicht mir", murmelte ich und klopfte mit der Hand einige Meter neben mich.Anscheinend war er nun mehr als ein bisschen erstaunt, hockte sich aber dennoch neben mich auf den von mir zugewiesenen Platz.
Wieder herrschte Stille, doch diesmal war sie irgendwie erdrückend und ich fühlte mich unwohl. Sollte ich vielleicht gehen? Oder doch lieber ein Gespräch anfangen? Ich entschied mich für ersteres und wollte gerade aufstehen, da fing Potter an zu sprechen:
„Und, hast du deinen Suff ausgeschlafen?"
Mitten in der Bewegung hielt ich inne und starrte ihn entsetzt an.
„Was habe ich gemacht?", schoss es aus mir raus wie aus einer Pistole und Potter fing an zu schmunzeln.
„Du weißt echt gar nichts mehr, oder?", lachte er, woraufhin ich den Kopf schüttelte, obwohl ich mich lieber in den See geschmissen hätte.
Was um alles in der Welt hatte ich getan? Die schlimmsten Szenarien malten sich bei mir im Kopf aus und ich wäre am liebsten im Erdboden versunken.„Jetzt sag schon und spann mich nicht so auf die Folter", fuhr ich ihn an und er grinste dumm vor sich hin.
Das ich Potter noch zum Reden auffordern würde, hätte ich nie in meinem Leben gedacht. Aber ich musste einfach wissen, was ich alles angestellt hatte.
„Also, das war so...", er machte eine Kunstpause und ich verdrehte die Augen.
„Potter", fing ich an, doch er unterbrach mich und fuhr endlich fort.
„Ihr habt anscheinend ziemlich viel getrunken und wir sind dann zu euch gekommen. Ihr habt ziemlich gelallt und als wir gemerkt haben, dass ihr komplett besoffen wart, seid ihr einfach weggelaufen und ich bin euch gefolgt. Ein Wunder, dass ihr überhaupt noch aufrecht stehen konntet, geschweige denn rennen. Ihr habt euch ziemlich schlecht versteckt und so seltsam mit dem Finger herumgewedelt, und wolltet dann wieder wegrennen, da hab ich dich erwischt. Als ich dann meinte, dass Rose kommen soll, weil ich dich sonst nicht mehr gehen lasse, habt ihr beide angefangen zu weinen und irgendwas geschwafelt, von wegen, dass Rose dich zurücklassen soll."Ich vergrub den Kopf in den Händen und hatte schon längst genug, aber Potter war noch nicht fertig:
„Sie ist dann aber doch dageblieben und wir sind zurück zum Gemeinschaftsraum gelaufen. Doch anscheinend hattest du keine Lust mehr zu laufen und hast dich einfach auf den Boden gelegt. Da du sonst nicht mitgekommen bist, musste ich dich Huckepack tragen. Rose wollte natürlich auch und ihr habt mich beide wie ein Pferd vorangetrieben. Dann haben wir uns noch kurz unterhalten und ich hab euch in den Schlafsaal gebracht.
Und...", triumphierend streckte er einen Finger in die Luft und seine braunen Augen blitzten auf.
„Du meintest, dass ich so viel erträglicher wäre."
Bitte nicht. Hoffentlich bildete er sich nichts darauf ein, das wäre ja noch schöner. Auch, wenn ich mir tief in meinem Inneren eingestehen musste, dass er beispielsweise jetzt wirklich nicht so übel war. Aber bei seinen Freunden war er immer so übertrieben nervig und ich könnte ihm einfach jedes Mal eine runterhauen.„Ich war betrunken, da erzählt man viel, was man nicht so meint", argumentierte ich einfallslos und strich mir eine nervige Strähne meines Haares, welches auf meinem Kopf zu einem unordentlichen Dutt zusammengebunden war, aus dem Gesicht.
„Betrunkene und Kinder sagen immer die Wahrheit", meinte er und grinste mich an, doch ich konnte nur verblüfft zurückblicken.
Ich hätte nicht gedacht, dass sich Potter ein Sprichwort auch nur eine Sekunde merken konnte. Aber anscheinend hatte ich mich getäuscht, zu meinem Übel. Darauf hatte ich nämlich keine vernünftige Antwort und blinzelte nur einige Male, bevor ich mich wieder abwandte und auf den See blickte.
„Schön, nicht?", wollte Potter wissen und es wunderte mich langsam, dass Potter heute nicht nur Stuss von sich gab. Aber vielleicht lag das auch nur an der frühen Uhrzeit und er war noch nicht wach genug, um seine coole Maske aufzusetzen. Sollte es mir recht sein, besser als mit dem großkotzigen Potter hier zu sein war es allemal.„Ja", gab ich leise zurück und dachte darüber nach, mir eine Kamera anzuschaffen, um so schöne Momente festzuhalten.
Ich würde später gleich meiner Mutter schreiben, vielleicht lag ja noch eine alte Sofortbildkamera bei uns auf dem Dachboden herum, die ich wieder in Betrieb setzten konnte.
„Ich bin hier ziemlich oft, deswegen hatte es mich ziemlich gewundert, dich hier heute zu treffen", redete er weiter und langsam bekam ich echt Angst.
Was war denn mit Potter los? Er redete ganz normal und ich würde die Situation schon fast als schön einstufen. Irgendetwas hatte er doch vor, oder konnte Potter auch einfach mal so nett sein?
„Warum?", hakte ich etwas nach, jetzt wirklich interessiert.
„Wie warum?"
„Naja, warum du so oft hier bist? Und warum bist du heute alleine und nicht mit deinen Freunden?", wollte ich wissen, bereute es aber kurz danach wieder.
War das zu privat gewesen? Potter und ich kannten uns im Grunde überhaupt nicht, wir konnten uns lediglich nicht leiden, da so etwas zu fragen war vermutlich seltsam.Potter schien aber anderer Meinung zu sein, denn er meinte vollkommen entspannt:
„Ach, ich bin hier immer alleine. Einfach ein bisschen nachdenken und entspannen."
„Dann will ich dich dabei nicht weiter stören", meinte ich schnell und sprang auf.
Zu schnell, wie sich im Nachhinein herausstellte, denn ich wäre fast ins knietiefe Wasser gefallen, da wurde ich am Arm gepackt und zurückgehalten.
Kurz bildete ich mir ein leichtes Prickeln auf meiner Haut ein und mein Herz schlug ziemlich schnell, was ich aber dem Schock zuschrieb.
„Aufpassen", lachte Potter und auch ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
„Danke", brachte ich schließlich hervor und erntete einen gelassenen Blick von Potter.
„Ach, kein Problem", winkte er ab, doch ich fuhr unbeirrt fort.
„Auch dafür, dass du Rose und mich gestern aufgehalten hast. Ich will mir gar nicht ausmalen, was wir ohne dich alles angestellt hätten. Vielleicht bist du doch nicht die schlimmste Person, die ich je kennengelernt habe. Ich geh dann mal. Tschüss, James."
„Tschüss, Kath...warte mal. Du hast mich James genannt!", stellte er zeitgleich mit mir fest und ich hängte schnell noch ein ‚Potter' hinterher.
„Zu spät!", lachte er und ich biss mir auf die Lippe.
„Man sieht sich", rief er mir hinterher.
„Hoffentlich nicht!", gab ich genauso schreiend zurück, musste aber doch ein wenig lachen, was er hoffentlich nicht mehr wahrnahm.Vielleicht war er ja doch nicht der größte Idiot, den ich je getroffen hatte. Aber auf jeden Fall top 3. Seinen Platz auf dem Treppchen hatte er sich dennoch weiterhin verdient.
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Das Pferdemädchen (Harry Potter, Next Generation ff)
FanfictionKathy ist eine ganz normale Hexe, die ihr vorletztes Jahr in Hogwarts macht. Wenn da nicht der Cousin ihrer besten Freundin, James Sirius Potter wäre. Der hat es sich anscheinend zur Lebensaufgabe gemacht, Kathy so oft es ging mit ihrer Liebe zu Pf...