Bitte was?

331 21 6
                                    


„Leute, kommt zusammen!"
Nass geschwitzt und stoßweise atmend schritten wir, die Beine schwer wie Blei, oder vielmehr stolperten in Richtung Kapitän, der im Gegensatz zu uns kein bisschen aus der Puste wirkte.
Einzig und allein sein blondes Haar war leicht verwuschelt, seine Wangen waren dank der Kälte etwas gerötet, doch sonst machte er exakt denselben Eindruck wie vor dem Training.
„Ihr seid gut, und das wisst ihr auch. Allerdings ist Gryffindor das auch", fuhr er mit seiner Rede fort, die allerdings eher weniger motivierend war und vielmehr die Verzweiflung in uns weckte.
„Danke, jetzt bin ich definitiv von unserem Sieg überzeugt", grummelte Sascha ironisch, allerdings einen Tick zu laut, sodass er einen strengen Blick von unserem Kapitän kassierte.
„Ich bin ja auch noch nicht fertig", verteidigte er sich beleidigt und verschränkte wie ein kleines Kind die Arme vor der Brust, was uns trotz des schweren Atmens ein Kichern entlockte.
„Also, wie eben schon gesagt, Gryffindor ist gut. Ein Freund von mir stattete dem Feld während des Trainings zufällig einen Besuch ab."
„Zufällig", hob Scorpius leicht belustigt hervor und zeichnete übertrieben Anführungszeichen mit den Fingern in die Luft.
„Genau!"

Ich verdrehte lachend die Augen und stupste Nick neben mir provozierend in die Seiten, was ihn hoch aufquitschen ließ. Wieder wurde das Gelächter lauter und hallte über das Feld, welches mit zahlreichen Utensilien übersät war.
„Kommen wir wieder zum Punkt", murmelte unser Anführer beschämt, um kurz darauf unruhig von einem Fuß auf den anderen zu steigen.
„Meinetwegen, großer Nicky", flötete Sacha und warf Nick eine übertriebene Kusshand zu.
„Okay!", die Motivation war in seinen Körper zurückgekehrt und er klatschte euphorisch in die Hände.
„Egal, wie gut diese blöden Löwen auch sind", er konnte auch diesmal seinen Satz nicht beenden, da er unter den tödlichen Blicken von Scorp und mir immer weiter in sich zusammenschrumpfte, bis er eher einem winzigen, eingeschüchtertem Zwerg glich.
„Ach, kann ich nicht einmal ausreden, ohne, dass ich unterbrochen oder halb umgebracht werde?", beschwerte er sich anklagend und legte die Stirn in angestrengte Falten.
„Wir haben doch nichts getan", erklärte Scorpius sachlich, jedoch wurde der ernste Effekt zerstört, als das verträumte und unschuldige Klimpern mit den Liedern folgte.
Ein Seufzten entwich der Kehle unseres Anführers, er ließ den Kopf sinken und vergrub ihn hoffnungslos in den Händen, was uns ein weiteres Lachen bescherte.

Schließlich halte er wieder tief Luft, strafte die Schultern und setzte so ein breites Grinsen auf, dass es auch aus einer schlechten Werbung für Zahnpasta hätte kommen können.
„Jedenfalls", raffte er sich erneut auf, während seine Augen begannen vor Begeisterung zu strahlen.
„Sehe ich dieses Jahr die Chance, den Pokal zu holen und die anderen Teams fertig zu machen. Wir ergänzen uns gut, haben viel geübt und hart geschuftet, um dazustehen, wo wir gerade sind, aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir, egal wie schwer die Zeiten auch sein mögen, sowohl als Mannschaft, als auch als das Haus Slytherin, funktionieren werden", rief er energiegeladen aus und wir begannen ganz automatisch wie wild zu klatschen, während Nick bei unserem verschwitzten und mit Dreck bedeckten Anblick leicht, aber stolz lächeln musste.
„Er tut gerade so, als wären wir in die Nationalmannschaft aufgestiegen", vernahm ich da plötzlich nahe an meinem Ohr und begann zu grinsen, was nur noch breiter wurde, als ich Saschas Stimme auf meiner anderen Seite wispern hörte.
„Danke Mama, ich wusste, du würdest immer stolz auf mich sein!"

———————————

Als ich die Türen der Bibliothek so unbemerkt wie möglich aufschwingen ließ, schlug mir augenblicklich der altbekannte und zugleich wunderbare Duft nach alten, verstaubten Büchern entgegen, die so viel Wissen enthielten, dass ich es mir gar nichts ausmalen konnte. So viele Geschichten, Rezepte, Anweisungen, Briefe und Geheimnisse verbargen sich zwischen den dicken, teils schon leicht vergilbten Seiten und machten sich so einfach unwiderstehlich für meine angeborene, meist unbändige Neugierde. Doch heute hatte ich leider keine Zeit, mich in den spannenden Handlungen zu verlieren und die einzelnen Wörter genauestens zu analysieren, auch, wenn ich es unbedingt gewollt hätte und der Tag noch jung war.
Doch enttäuschenderweise ließ sich das Thema, welches wir gerade in Geschichte der Zauberei behandelten und ich mir beim besten Willen nicht merken konnte, einfach nicht aus meinem Kopf verbannen. Rose hatte mir angeboten, es zusammen durchzukauen, doch wenn ich eins nicht wollte, dann war es, mit meiner besten Freundin zu lernen. Erstens sollte sie ihre Zeit nicht für mich verschwenden und zweitens, auch, wenn ich es nicht gerne zugab, deprimierte es mich auf irgendeine Art und Weise, wie sie jeden einzelnen Wortlaut wiedergeben konnte, während ich auf gut Glück irgendwelches unverständliches Zeug vor mich hinsprach.

Also hatte ich beschlossen, direkt nach dem Training und einer kalten Dusche zum Wachwerden mich hier hin zurückzuziehen, einem ruhigen Ort, an dem mich keiner stören würde und ich mich selber nicht extra ablenken lasse, um dem Stoff zu entfliehen.

Seufzend schritt ich durch die noch verlassenen Gänge, nur einen Ravenclaw in Begleitung einer blonden Hufflepuff hatte ich an einem der Tische bisher gesehen, sonst war der mit Wissen gefüllte Saal, abgesehen von der Bibliothekarin, komplett ausgestorben. Trotzdem zog ich mich an meinen kleinen Geheimplatz zurück, und wie erwartet war auch dieser menschenleer.

Mit großen Schritten eilte ich auf den Sessel zu und ließ mich erleichtert darauf plumpsen, um im selbigen Moment den dicken Wälzer samt meiner zwischen den Seiten untergebrachten Notizen aufzuschlagen. Meine Augen überflogen gemächlich zuerst die feine, gedruckte Schrift, anschließend mein Geschnörkel. Vielleicht war das Thema ja doch nicht so ermüdend, wie ich zunächst angenommen hatte.

Ich war so vertieft in die schulische Lektüre, die ich vor einigen Minuten noch aufs Übelste verflucht hatte, dass ich gar nicht bemerkte, wie sich plötzlich etwas im Bilderrahmen hinter mir regte. Erst, als ich die weise und zugleich warme Stimme des ehemaligen Direktors vernahm, schreckte ich erschrocken auf und wandte meinen Kopf zu de nun gefüllten Porträt um. Immer noch schimmerte sein silberner, fast schon weißer Bart im Licht und eine unglaubliche, kaum Beschreibungen Aura umgab ihn, welche einen veranlassen würden, jedem seiner Befehle zu folgen, egal, was der Alte forderte. Seine blauen, hellen Augen spähten aufmerksam über das halbmondförmige Gestell seiner Brille und seine Lippen waren zu einem gütigen Lächeln verzogen, sobald er mich entdeckte.

„Ach hallo Kathy, schön, dich endlich mal wieder hier zu sehen. Du kannst lange nicht mehr", stellte er schmunzelnd fest und faltete die Hände vor der Brust.
„Ja, es tut mir wirklich leid, allerdings war ich etwas beschäftigt", entschuldigte ich mich aufrichtig und schenkte ihm ein schiefes Grinsen.
„Kathy, du brauchst dich doch nicht zu entschuldigen, solange du deine schulische Ausbildung nicht vernachlässigt hast", wieder zwinkerte er mir zu.
„Außerdem kam auch noch jemand anderes mich besuchen, ich denke, er war ihr Freund, gleich zweimal. Obwohl, das, was ich aus seinem Gesicht am nächsten Tag entnehmen konnte, seid ihr nun kein Paar mehr. James Potter."
„Wie meinst du denn damit?", fragte ich misstrauisch, denn eines der Wörter hatte mich stutzig werden lassen.

„Er kam zweimal vorbei?"
„Exakt, am ersten Tag erzählte er mir noch, wie glücklich er doch sei, ich erinnere mich genau daran. Er war fast den ganzen Tag bei mir, erst am späten Abend verließ er die Bibliothek, die Ausgangssperre hatte sicherlich schon begonnen. Am nächsten Tag erschien er erst gegen Abend und wirkte zu Tode betrübt", berichtete er seufzend und rieb sich über die faltige Stirn.
„Aber wenn er bis zur Ausgangssperre hier war ...", mir blieben die Worte im Mund stecken, als er mir wie Schuppen von den Augen fiel.
„...dann kann es unmöglich er gewesen sein, den ich da gesehen habe", stellte ich stockend fest und fuhr mir gestresst durch die Haare, Geschichte der Zauberei war längst vergessen.
„Ich glaube, jemand spielte ein böses Spiel mit dir, Kathy", sprach Dumbledore das aus, was ich tief in mir befürchtete.
„Aber ich sah in mit meinen eigenen Augen ...er war doch ...", immer wieder brach ich ab, ein eisiger Schauer jagte mir über den Rücken und eine Gänsehaut überzog meinen ganzen Körper.
„Das ist in der Tat merkwürdig."
Für einige Sekunden herrschte Schweigen, jeder rätselte, was nun wahr und was nun falsch sei.
Doch im Moment war ich mir bei gar nichts sicher, was ich gesehen hatte. Etwas war hier faul, doch was?
„Gab es irgendjemanden, der vielleicht, sagen wir mal, Eifersucht auf euch verspürt hat?"
Ich blinzelte einige Male, da überkam mich die Erkenntnis. Die eiskalte Wahrheit, auf die ich hätte viel früher stoßen sollen. Wie konnte ich auch so dumm sein? Sie hatte es mir im Zug eigenhändig zugeszischt, während sich ihre spitzen Fingernägel schmerzhaft in meine Haut bohrten.
Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf und hätte dabei fast den gemütlichen Sessel mit voller Wucht umgestoßen, doch darauf konnte ich im Moment keine Rücksicht nehmen.
„Danke!", rief ich nur noch über meine Schulter und sprintete los.
Ich musste es jetzt wissen, jetzt und keinen Tag später. Und es gab nur eine Person, die mir meine Frage im Moment beantworten konnte.

Das Pferdemädchen (Harry Potter, Next Generation ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt