~• Kapitel 8.3 •~

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"Emma, komm, du musst aufstehen. Komm", weckt sie eine Stimme.
Sie öffnet blinzelnd die Augen und findet sich auf ihrem Schlafplatz wieder.
"Wie?", entkommt ihr, während sie blinzelnd hochsieht.
"Na wie wohl?", antwortet Lornas amüsierte Stimme, "Ich habe dich hoch getragen, als ich gestern Abend heim kam und meine Liebe, du hast geschlafen wie ein Stein."
"Ich war sehr müde", gähnt Emma und setzt sich auf. Vor ihr auf dem Boden steht ein dampfender Kräutertee. Dem Geruch nach zu urteilen: Brennnesseltee.
Daneben liegt auf einem Brett ein Stück Brot und ein Stückchen Käse.
Fragend sieht Emma Lorna an. Diese zuckt mit den Schultern und lacht.
"Ich dachte mir, dass du heute mal hier essen könntest."

Emma nickt, während sie nach dem Stück Brot und abbeißt.
"Du weischt es?", fragt sie mit vollem Mund.
"Ich habe zumindest davon gehört, dass Lukas endlich seinen Mut aufbringen konnte. Hat ja auch lange genug gedauert."

"Weischt du auch vohn mei-ner", Emma schluckt, "Reaktion?"
Lorna nickt, "Das ist vollkommen normal, wenn man bedenkt, dass es zuvor noch nie eine Verwandtschaft zu einem Menschen gab. Immerhin hast du ja keinen Wolf, der dich mit Glücksgefühlen überschüttet."

"Ist das so? Fühlt sich das für euch so an?", fragt Emma und greift nach dem dampfenden Becher.
Lorna nickt.
"Ja es ist ein herrliches Gefühl, wenn sich zwei Wölfe finden. Als mein Mann und ich uns als Seelenverwandte entdeckten war es wie ein Knall. Plötzlich war alles schön, sich zu sehen oder auch zu spüren,", Lorna lächelt verschmitzt, "war ein Gefühl der Vollständigkeit. Es war wie der Sonnenschein auf der Haut, eine kühle Brise, ein süßer und zugleich scharfer Geschmack im Mund. Ich empfand so viel Liebe, das ich dachte, ich komme um", schwärmt Lorna und in ihren Augen liegt ein Glitzern.

"Fühlt sich so Lukas?", fragt Emma.
"Ich weiß es nicht. Eure Verbindung scheint anders zu sein", antwortet sie und zuckt mit den Achseln.
"Wie meinst du das?", fragt Emma neugierig und rutscht ein wenig näher an sie heran.
"Also, hmmm, so,", überlegt Lorna, "Weißt du, wenn zwei Wölfe sich finden, redet man nicht mehr darüber, ob der menschliche Teil Gefühle hat oder nicht. Man lässt sich in die der Wolfsseele fallen und allein dadurch entwickelt man welche. Ich betrachte das jetzt differenzierter, weil es bei euch etwas anders zu sein scheint, aber auch wenn in meinem Körper zwei Seelen wohnen, so sind diese dennoch eins. Verstehst du?"

"Nicht so ganz", gesteht Emma und versucht sich einen Reim auf eben gesagtes zu machen.
"Lass es mich anders erklären", beginnt Lorna und scheint nun selbst zu überlegen wie sie es erklären könnte.
Emma kommt nicht umhin leicht zu lächeln.

"In meinem Körper sind zwei Seelen, die sich sehr ähnlich sind, aber auch verschieden. Das kommt nicht zuletzt dadurch, dass die Gefühle, die ich als Mensch habe viel komplexer sind, als die meiner Wolfsseele. Diese sind mehr Instinkt gesteuert.
Bei einer Seelenverwandtschaft entdeckt der Wolf in mir einen anderen als sein Gegenstück. Man empfindet Sehnsucht, Verlangen und ja auch Glück. Diese Gefühle sind stark, sehr stark, sodass man sich zwangsläufig aufeinander einlässt und dadurch den anderen auf eine Art kennenlernt, die dafür sorgt, dass sich auch der Mensch verliebt. Gerade, weil beide dies empfinden", Lorna pausiert und sieht fragend zu Emma, "Soweit mitgekommen?"

"Also dadurch, dass beide das gleiche fühlen wird der Weg für eine tiefere und innigere Verbindung geschaffen?"

Lorna nickt, "Bei dir und Lukas ist es der Fall, dass nur einer diese, ich nenne es mal; wölfischen Gefühle empfindet und dadurch, dass du diese nicht hast, kommt es nicht direkt dazu, dass ihr euch annehmt und in dem Sinne ist Lukas auch differenzierter was seine Gefühle als Mensch angeht. Ihr müsst einen anderen Weg gehen und wie dieser aussieht, da bin ich schon gespannt."

"Deswegen sagte er, dass er mich vielleicht irgendwann lieben würde", sagt Emma. Sie hatte es zuvor nicht verstanden, jetzt aber, nachdem es ihr Lorna erklärte, jetzt versteht sie es.

"Genau, es ist einfach anders." Mit diesen Worten erhebt sich Lorna und geht zu der Treppe.
"Schlaf noch ein wenig, du brauchst es", sagt sie, während sie hinabsteigt.

Emma legt sich wieder hin. Blickt gen Hüttendach und schließt die Augen.

~•~

Sie schlief lange, sehr lange. Als sie erwacht ist es dunkel um sie herum und still, sehr still. Scheinbar ist es Zeit zum Abendmahl, weshalb die Hütte wie ausgestorben wirkt.

Emma erhebt sich, streckt ihre steifen Glieder und massiert ihre Schultern. Obwohl sie tief und fest schlief, fühlt sie sich nun doch wie gerädert.
Langsam steigt sie die Treppe hinab und legt unten bei der Feuerstelle Holz nach. Die Flammen sind mittlerweile so klein, dass sie nicht mal mehr den Raum erhellen können.

Tastend sucht Emma den Tisch und nachdem ihre Finger seiner Oberfläche spüren, hangelt sie sich an ihm voran bis ihre Beine gegen etwas stoßen.
Sie lässt sich auf den Hocker fallen und nimmt sich nun endlich die Zeit sich mit ihren Gedanken auseinander zu setzen.

Eine Entscheidung, die schon lange überfällig ist, muss getroffen werden.

- Fortsetzung folgt -

When the snow falls Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt