Am Dorfplatz angekommen, staunt Emma, als sie das riesige Feuer erblickt.
Es ist nicht vergleichbar mit dem, das Ben und sie entzündeten.
Lange Flammen tanzen über schwarzen Äste und verschlingen das Holz auf ihrem Weg.Baumstämme liegen kreisförmig um das Feuer angeordnet und auf ihnen sitzen Bewohner.
Einige halten ihre Hände ans Feuer, während andere sich in regen Unterhaltungen befinden.
Dabei fällt Emma besonders ein Mann auf, der wild gestikulierend seinen Gegenüber immer wieder zum Lachen bringt.
Weiter weg vom Feuer stehen lange massive Tische, an denen bereits Menschen sitzen und ihr Mahl genießen."Hast du Hunger?", fragt Lorna und beugt sich Emma entgegen.
Diese nickt zaghaft und spürt im nächsten Moment ihren Magen knurren, so als wolle er ihr Nicken bestätigen.
"Na, dann komm. Ich zeige dir, wo sich hier die Speisen befinden."
Lorna greift nach Emmas Hand und zieht sie mit sich. Weg von Ben, der den Frauen grinsend hinterher blickt, vorbei an den Tischen, einmal ums Feuer herum bis zu einem Tisch, auf den sich gut riechende Köstlichkeiten befinden.
Emmas Magen knurrt noch lauter und ihr läuft das Wasser im Mund zusammen, als sie die Speisen betrachtet.
Dort stehen zwei Eintöpfe, die einen ungeheuer guten Geruch nach kräftiger Brühe und zart gekochtem Fleisch verströmen.
Daneben liegen die knusprigen Hasen, die Tom fing und widerrum daneben steht ein Wildkräutersalat mit all den robusten Pflänzchen, die selbst die harte Winterzeit überleben."Den habe ich gemacht", sagt Lorna und zeigt auf den Salat.
"Das dachte ich mir bereits", erwidert Emma und greift nach einer hölzernen Schüssel und einem Brett.
"Was möchtest du?", fragt Lorna fröhlich.
Emma zeigt auf einen der Eintöpfe und hält die Schüssel hin.
"Ist das jeden Abend so bei euch?", fragt sie, während Lorna ihre Schüssel befüllt.
Sie nickt, "Es sind nicht immer die gleichen Speisen, aber, ja, wir sitzen jeden Abend zusammen, lassen den Tag ausklingen, erzählen einander was wir gemacht oder erlebt haben," Lorna hält inne und sagt abschließend: "Wir verbringen einfach Zeit zusammen."
Wieder nickt Emma, während sie ihre Schüssel entgegen nimmt und sich etwas von dem Salat auf ihr Brettchen tut.Mit vollen Händen gehen die Frauen zu einem der Tische, an dem bereits Ben und Tom sitzen und sich ordentlich die Bäuche vollschlagen.
Emma setzt sich neben Ben und Lorna nimmt den Platz ihr gegenüber ein.
Beide belächeln das Schlingen der Jungs, bevor auch sie anfangen zu essen.
Der Eintopf, den Emma zuerst isst, ist einfach köstlich.
Weiches Fleisch, das auf ihrer Zunge zergeht, gepaart mit süßer Möhre und umspült von einer würzigen Brühe.
Emma versteht warum die Beiden so schlingen.
Auch sie würde es am liebsten, doch sie beherrscht sich diesem Drang nicht nachzugeben.
So hat sie länger was von ihrem Mahl und muss nicht aufstehen, um sich etwas neues zu holen.
Emma grinst, als ihr bewusst wird, dass ihre Überlegung nur für ihre Faulheit spricht und vielleicht auch für ihre Schüchtern alleine zu dem Tisch laufen zu müssen."Und Emma wie findest du es bei Lorna?", fragt Tom kauend.
Ben lehnt sich zu ihr rüber. "Sag nichts falsches. Meine Mutter ist nachtragend", flüstert er.
Diese sieht ihn mit zusammen gezogenen Augenbrauen an und schnauft. "Ich habe durchaus gehört, was du gesagt hast. Da wirst du dich beim nächsten Mal mehr anstrengen müssen."
Ben sieht seine Mutter herausfordernd an und diese erwidert den Blick ihres Sohns.
Sekundenlang geschieht nichts anderes und während Tom kopfschüttelnd weiter isst, kommt Emma zu dem Schluss das Blickduell der Beiden zu unterbrechen.
"Es gefällt mir sehr gut", sagt sie deswegen und fügt schnell hinzu, "Lorna ist eine tolle Frau."
"Wirklich?", fragt diese und sieht Emma gerührt an.
"Ha!", ruft Ben aus und zeigt auf seine Mutter, "Ich habe gewonnen."
"Du hast gar nichts gewonnen", widerspricht sie.
"Natürlich", ruft Ben aus und stützt sich mit beiden Armen auf dem Tisch, "Du hast zuerst weg geguckt. Ich habe gewonnen."
Stolz lässt seine Brust anschwillen.
Emma lacht hinter vorgehaltener Hand. Die Beziehung der Beiden scheint so einfach, wenn sie da an sich und ihre Mutter denkt, vergeht ihr fast das Lachen.
"Wie kannst du gewonnen haben, wenn ich dir den Sieg schenke?", fragt Lorna nun auch lauter und stützt sich genauso wie ihr Sohn auf dem Tisch ab.
"Du", betont Ben und zeigt wieder auf seine Mutter, "Hast es gerade selbst gesagt. Du hast mir den Sieg geschenkt. Ich habe gewonnen."
"Oh Nein mein Lieber, so sicher nicht", erwidert sie kopfschüttelnd, "Man gewinnt nur, wenn man für etwas kämpft."
"Nun beruhigt euch mal wieder, so kann man ja nicht essen", mischt sich Tom ein, der beschwichtigend die Hände gehoben hat und damit Bewegung macht, als wolle er die Luft niederdrücken.
"Ich habe gewonnen", murrt Ben, bevor er nach einem Stück Fleisch greift und anfängt daran zu knabbern."Darf ich mich zu euch gesellen?", fragt plötzlich eine Stimme und als Emma über die Schulter sieht, erblickt sie Lukas, den Anführer.
Sofort neigt sie das Kinn gen Boden.
"Du musst das nicht jedes Mal machen. Es reicht einmal. Immerhin haben wir einander bereits gesehen", erklärt Lukas und nickt ihr zu.
"Ach ja, das hatte ich vergessen zu erwähnen. Das erste Mal am Tag, wenn du ihn siehst, reicht", sagt Ben mit einem entschuldigenden Blick und an Lukas gerichtet fügt er hinzu: "Setz dich."
Dem folgend setzt sich Lukas, und zwar genau neben Emma. Sie spürt wie ihre Finger kalt werden und ihr Herzschlag sich verdoppelt.
Seine Ausstrahlung raubt ihr fast die Luft, diese gewaltige und respekteinflößende Ausstrahlung, und dass obwohl er nichts besonderes macht außer zu essen.
Nach einer Weile sieht Lukas sie an und erst da wird ihr klar, dass sie ihn die ganze Zeit beobachtet hat.
Schnell wendet sie den Kopf ab und sieht in ihre Schüssel."Verzeih, ich muss vorhin unwirsch auf dich gewirkt haben", erklingt seine sanfte Stimme in ihren Ohren, "Das war nicht mein Ziel."
"Es... ist... in... Ordnung", entkommen die Worte langsam ihren Lippen.
"Dann ist gut", erwidert er und widmet sich wieder seinem Eintopf.
"Wo kommst du eigentlich her?", fragt er.
"Von weit weg", antwortet Emma wage und traut sich langsam Lukas anzusehen.
"Du reist alleine?", fragt er weiter und sieht sie interessiert an.
Emma nickt und sagt, bevor er ihr die Frage stellen kann, "Hat sich so ergeben."
Darauf antwortet er nichts."Du-hu", erklingt plötzlich eine helle Stimme und Emma spürt wie jemand sie antippt.
Sie dreht sich um und erblickt einen Jungen, der dem Anführer recht ähnlich sieht.
Genau wie Lukas hat der Junge schwarze Haare, doch anstatt blaue Augen hat er braune Augen.
"Wer bist denn du?", fragt Emma lächelnd und dreht sich dem Jungen ganz zu. Er ist bestimmt nicht mehr als zehn Jahre alt. Mit einem interessierten Blick im Gesicht sieht er Emma an.
"Das ist Finn, mein kleiner Bruder", stellt Lukas den Jungen vor und sieht ihn streng an, "Wo warst du?"
"Ich war am Teich und habe Frösche gefangen", antwortet Finn schulterzuckend und sieht dann wieder zu Emma, "Du bist neu."
Emma nickt lächelnd, "Da hast du recht."
"Bleibst du lange?", fragt er neugierig.
"Ich- ich weiß nicht", antwortet Emma und sieht fragend zu Ben.
"Bleib mal länger. Dann können wir zusammen spielen", fordert der Junge und grinst, "Am besten gleich morgen. Was machst du morgen?"
"Finn, nun lass Emma ein wenig Raum. Sie geht morgen erstmal mit mir sammeln. Danach kann sie mit dir spielen, falls sie das überhaupt will", mischt sich Lorna ein.
Der Junge zieht die Mundwinkel hinab, bevor sich sein Gesicht wieder aufhellt.
"Möchtest du morgen mit mir spielen?", fragt er sie.
Emma sieht zu Lukas. Sie weiß nicht genau warum, aber es fühlt sich so an, als bräuchte sie seine Einverständnis.
Lukas nickt kauend, bevor er sich zu Finn dreht, "Du weißt noch, was wir vorhin besprochen haben?"
Finn nickt wortlos und wendet sich Emma wieder zu.
"Also möchtest du?"
"Ich würde außerordentlich gerne mit dir spielen", antwortet sie sanft und zaubert so ein breites Lächeln in sein Gesicht.
"Gut, ich hole dich dann morgen ab und dann zeige ich dir das Dorf und viele Plätze zum Spielen", erklärt er ihr und läuft im nächsten Moment zu einer Gruppe von Kindern, die ein wenig abseits stehen. Es entsteht ein Gerangel und plötzlich laufen sie auseinander, während einer noch an Ort und Stelle steht und sich umblickt. Im nächsten Moment läuft der kleine Kerl schreiend los und versucht ein Mädchen, das ihm nahe ist, zu fangen.
Emma beobachtet das bunte Treiben und bekommt immer mehr das Gefühl, als könne dieser Ort ein wirkliches Zuhause darstellen, in dem sie mit Alex ein unbeschwertes Leben führen könnte und diese Vorstellung lässt sie in sich hinein lächeln.
Sie hofft, dass sie einander finden werden- irgendwie müssen sie einander finden.~• Fortsetzung folgt •~
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When the snow falls
ParanormalFernab der Zivilisation, versteckt in einem tiefen, endlosen Wald liegt ein kleines Dorf. Jedes Jahr, sobald der erste Schnee fällt, wird ein Mädchen erwählt, die zu sein, die diesem Ruhm und Reichtum einbringen soll. Dafür muss es das Dorf verlasse...