~• Kapitel 1 •~

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Langsam schleicht sich Emma die Treppe hinab; genau wissend welche Stufe an welcher Stelle knarzt

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Langsam schleicht sich Emma die Treppe hinab; genau wissend welche Stufe an welcher Stelle knarzt.
Am Absatz hält sie inne, lauscht, doch außer ihrem eigenen Atem kann sie nichts hören.
Es herrscht Stille in der dunklen Hütte. Ihre Eltern scheinen schon lange zu schlafen. Nicht mal die glühende Kohle der Feuerstelle spendet noch ein wenig Licht.

Emma schleicht sich zur Tür, drückt vorsichtig die Klinke hinab und stößt sie langsam auf.
Kalte Nachtluft schlägt ihr entgegen. Fröstelnd reibt sie ihre Arme, ehe sie die Tür leise hinter sich schließt.

Mit schnellen, dennoch leisen Schritten lässt sie ihr Heim hinter sich und läuft in Richtung des nahegelegenen Sees.
Der Mond am Himmel spendet ihr genug Licht, um nicht zu stolpern, aber auch, wenn er ihr kein Licht schenken würde, so würde sie den Weg trotzdem finden. So häufig wie sie ihn schon lief, immer mit dem gleichen Ziel.
Vorfreude erfüllt ihr Herz, das wie ein kleiner Kolibri in ihrer Brust flattert.

Am See biegt sie ab und läuft auf den Wald zu, der sie einzuladen scheint und sie nimmt diese Einladung gerne an.
Langsam schiebt sich Emma durchs Unterholz und läuft mit federnden Schritten zu der kleinen Lichtung, an der im Frühjahr immer die Fliederbüsche und unzählige Tulpen erblühen. Ein unwiderstehlicher Geruch liegt zu dieser Zeit in der Luft, den Emma am liebsten den ganzen Tag einatmen würde.

Aus der Ferne sieht sie eine Gestalt an einem der Baumstämme lehnen. Ihr Herz macht einen Sprung. Als diese sie beim näheren Herankommen erblickt, stößt sie sich ab und tritt aus dem Schatten.
Emma beschleunigt ihre Schritte bis sie bei der Gestalt ankommt und sich mit einem leisen Quitschen in dessen Arme wirft.

"Nicht so stürmisch", lacht die Gestalt und wirbelt Emma einmal im Kreis.
"Ich habe dich vermisst, Alex", haucht sie und schmiegt ihre Wange an seine warme Brust.
"Ich dich auch", murmelt er und streichelt ihr durchs Haar.

Alex ist gerade erst 18 Jahre alt geworden und wird bald die Mühle seines Vaters übernehmen.
Er hat eine kräftige Figur, was zu großen Teilen davon kommt, dass er fast täglich Mehlsäcke durch die Gegend schleppen muss.
Emma hofft, dass, wenn er die Mühle übernommen hat, sich traut ihren Vater um die Erlaubnis bittet, um ihre Hand anhalten zu dürfen.
Immerhin hätte er dann Emma etwas zu bieten und auch, wenn ihr das nicht wichtig ist, ist es ihrem Vater dafür umso wichtiger.

Alex und Emma setzen sich auf die kleine Bank, die sie vor zwei Sommern eigens für ihre Treffen gebaut haben.
"Ist dir kalt?", fragt er.
"Ein wenig", antwortet Emma, die nur ein einfaches hellblaues Kleid an hat, das für diese Temperaturen definitiv nicht gemacht ist.
Alex greift nach einer Decke und breitet sie auf ihren Schößen aus.
Er rutscht noch näher an Emma und verschränkt seine Finger in denen ihrer Hand.

"Bist du nervös wegen morgen?", fragt er langsam.
Emma überlegt, bevor sie langsam antwortet: "Auf der einen Seite möchte ich wirklich erwählt werden. Ich meine, es wäre wirklich großartig, wenn ich die Prüfung bestehen könnte. Wie stolz meine Eltern wären..."

Alex schluckt und überlegt, ob er auf ihr Gesagtes eingehen soll.
Er entscheidet sich dagegen.
"Und auf der anderen Seite?"

"Auf der anderen Seite möchte ich nicht ohne dich gehen."
"Du würdest doch wieder kommen", erwidert er.
"Würde ich das?", fragt Emma skeptisch, "Keines der Mädchen kam zurück."
Alex seufzt, "Du weißt doch, was der Älteste sagt?"
"Natürlich weiß ich das", gibt Emma zerknirscht wieder und zitiert die Worte des Ältesten, die sie durch die vielen Jahre bereits auswendig kann: "Nur hier, in unserem kleinen Dorf, unserer sicheren Stätte, sind wir sicher vor der grausamen Welt. Die Mädchen sind dumm, wenn sie dies nicht erkennen. Sie verloren die Prüfung, doch anstatt uns mit hocherhobenen Hauptes entgegen zu treten und ihre Niederlage einzugestehen, bleiben sie lieber in einer Welt voller Lügen, Leid und Gewalt. Wie töricht und feige dies doch von ihnen ist."
"Wir können froh sein, dass wir diesen Ort haben, wo es uns an nichts mangelt. Weder Armut noch Hunger quälen uns", fügt Alex ernst hinzu.
"Du hörst dich an wie der Älteste", brummt Emma und sieht ihn mit langem Gesicht an. So hatte sie sich ihr Treffen sicher nicht vorgestellt.
"Er hat ja auch Recht", antwortet Alex ernst.
"Lass uns nicht unsere kostbare Zeit mit dem Ältesten zubringen", bittet Emma nun und lehnt sich kurz nach ihren Worten Alex entgegen.
Dieser rührt sich keinen Zentimeter und grinst ihr zu.
"Du Ochse", ruft Emma verspielt aus und überbrückt das letzte Stück zu ihm.
"Ich will doch nur wissen wie viele Schritte du bereit bist für mich zu gehen", flüstert er und sein warmer Atem streift ihr Gesicht.
"Ich würde für dich jeden Schritt gehen", haucht sie und legt ihre Lippen auf die Seinen.
Zärtlich schmiegen sie sich aneinander, als plötzlich ein lautes Grollen die beiden innehalten lässt.
"Was war das?", fragt Emma, als sie sich von Alex löst.
"Ich weiß... nicht", antwortet Alex langsam und sieht sich um, "Ein Wildschwein?"
"Das war kein Wildschwein. Die klingen so nicht."
"Was es auch war, hörst du das; es ist still. Es muss weg sein", versucht Alex sie zu beruhigen, doch das hilft Emma kein bisschen.
Unwohlsein und das Gefühl beobachtet zu werden machen sich in ihr breit. Irgendwo, von dort, aus der Dunkelheit.
Der Wald, der vorher friedlich wirkte, hat nun etwas bedrohliches an sich.

"Ich möchte gehen", flüstert Emma und löst ihre Hand aus der von Alex.
"Es ist doch nichts", wiederspricht Alex und zieht Emma, die bereits im Stande ist von der Bank aufzustehen, zurück.
Es knackt hinter ihnen. Emma springt auf. Ihr Herzschlag verdoppelt sich und ein Schauder läuft ihren Rücken hinab.
"Ich gehe jetzt und du kommst mit", fordert sie ihn auf, während ihre Augen die Umgebung absuchen.
"In Ordnung", seufzt Alex und erhebt sich, "Jetzt ist die Stimmung eh hin."
"Danke, bei mir auch", gibt Emma zurück und zieht Alex hinter sich her, nicht wissend, dass dieser Abend entscheidend für ihr ganzes weiteres Leben ist.

~• Fortsetzung folgt •~

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