~• Kapitel 9.4 •~

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Lukas Kiefermuskeln spannen sich an, als würde er überlegen. Bewegt sich dabei keinen Zentimeter, blinzelt nicht mal.

Emma atmet langsam ein und kommt nicht umhin das Gefühl zu haben, als hätte sie etwas falsches gesagt. Doch das ist die Wahrheit, das ist ihr Leben gewesen, bevor sie Ben im Wald und mit seiner Begegnung Lukas kennenlernte.

"Ihr seid gemeinsam geflohen?", fragt Lukas mit zusammen gebissenen Zähnen.
Emma nickt langsam.
Lukas Gesichtsausdruck nimmt einen emotionslosen Ausdruck an.
Er wendet sich von Emma ab und dem Hasen zu.
Mit geschickten Handgriffen beginnt er ihn auszunehmen, ohne Emma nochmals eines Blickes zu würdigen.

Auch das Essen verläuft in völliger Stille. Immer wieder blickt Emma zu ihm herüber, beobachtet wie er an einem Knochen das letzte Stück Fleisch abnagt, so als habe er seit Tagen nichts gegessen. Als er ihren Blick bemerkt, wendet er ihr den Rücken zu.

Emma ist der Appetit vergangen. Lustlos zupft sie an der Keule rum, während sie versucht zu ergründen was in Lukas diese distanzierte Haltung auslöst.
Er hatte es immerhin selbst gesagt, er liebe sie nicht.

Sie atmet aus, legt die Keule beiseite und rutscht ein wenig näher an seinen Rücken heran.
Augenblicklich hält er inne, erstarrt zu einer Statur.

"Möchtest du mich nun die ganze Zeit ignorieren?", fragt sie vorsichtig und erhält, auch nach längerem Warten, keine Antwort.
"Lukas?", sagt sie seinen Namen und streckt langsam ihre Hand nach seiner Schulter aus.
Kurz bevor sie ihn berührt, dreht er sich blitzschnell um und hält ihr Handgelenk fest.
Ein erschrockenes Quitschen entkommt ihren Lippen. Emma versuccht ihre Hand zurück ziehen, doch der Griff von Lukas lässt dies nicht zu.

"Nicht, in Ordnung?", fragt er sanft und lässt ihre Hand langsam los.
Sofort zieht sich Emma einige Meter zurück und betrachtet Lukas, der sie schwach lächelnd ansieht.
"Was hast du?", fragt sie zögerlich.
"Ehrlich?", fragt er und Emma nickt.
"Ich... Es hat mich überrascht. Ich bin nicht auf die Idee gekommen, dass du bereits mit jemandem glücklich wärst", gesteht er langsam und sieht dabei aus, als hätte er in einen sauren Apfel gebissen.

"Oh", entkommt Emma und sie sieht ihn an. Stille breitet sich zwischen ihnen aus, die sich, je länger sie anhält, immer zäher anfühlt. So als würde sich eine schwere Decke über sie legen.

"Ich verstehe es nicht, warum dir das etwas auszumachen scheint. Immerhin sprachst du davon, dass du mich vielleicht nie lieben würdest. Ist das deine Wolfsseele, die dich so empfinden lässt?", spricht Emma ihre Gedanken laut aus, zum Einen, weil sie sie loswerden will. Zum Anderen, weil sie die Stille zum Verstummen bringen möchte.

"Ich schätze schon", antwortet Lukas vage, "Ich stehe noch immer zu dem was ich dir sagte. Wie dem auch sei, wollen wir weiter. Wir haben nicht mehr viel vom Tag", wechselt er abrupt das Thema und erhebt sich.
So abrupt, dass Emma einen Moment braucht um den Themenwechsel zu verarbeiten.

Sie blickt zum Himmel hinauf. Die Sonne steht am höchsten Punkt und schickt ihre warmen Strahlen in graue Welt hinab.

Lukas klopft sich den Staub von der Hose und bietet Emma kurz darauf seine Hand an, die dafür sorgt, dass sie ihren Blick vom Himmel abwendet.
Vorsichtig ergreift sie sie und lässt sich von ihm hochziehen.

"Wo meintest du, war dein Dorf?", fragt er plötzlich nach.
"Ich hatte es noch nicht erwähnt", antwortet Emma und erinnert sich daran wie sie auf ihre Hütte getroffen ist. Sie lief frontal auf den Eingang zu.

Emma dreht sich, sodass sie mit dem Rücken zum Feuer und zum Eingang der Hütte steht.
Sie zeigt in die Richtung, "Ich kam von dort."
Lukas nickt und sieht plötzlich ein wenig angespannt aus.
Er murmelt etwas, doch als Emma nachfragt, winkt er ab.
"Und", beginnt er, "Du bist du einfach geradeaus gelaufen oder auch mal abgebogen?"
"Ich weiß es nicht mehr. Ich wurde verfolgt, da war es für mich nicht von Bedeutung wohin ich lief. Aber ab einem gewissen Zeitpunkt lief ich nur noch geradeaus", erklärt sie und fügt ein: "Glaube ich", hinzu.

Lukas nickt.
"Auf meinem Territorium befindet sich in die Richtung nur noch ein Dorf", sagt er und zeigt in die Richtung, in die Emma gezeigt hat.

"Glaubst du, dass ich die ganze Zeit auf deinem Territorium lebte?", fragt sie ein klein wenig aufgeregt.
Lukas fasst sich an den Hinterkopf, "Ich weiß es nicht. Das was du erzähltest klingt nicht nach den Dörfern in meinem Territorium, aber ich muss auch gestehen, dass ich nicht oft zugegen war."

Überrascht sieht Emma ihn an. "Du kennst die Dörfer?"
"Kennen ist übertrieben. Ich hab jedes mal kurz beobachtet, weil ich wissen wollte was für Menschen in meinem Territorium leben."
Emma nickt verstehend. Das erklärt einiges.
Es hätte sie gewundert, wenn er die Dörfer kenne, obwohl er doch unentdeckt vor menschlicher Augen leben wolle.

"Kommst du?", unterbricht Lukas ihre Gedanken, wodurch sie bemerkt, dass er schon ein gutes Stück voraus lief und sich nun nach ihr umgedreht hat.
Eilig läuft sie ihm nach und als sie mit ihm auf gleicher Höhe ist, setzt er sich wieder in Bewegung.

Während die Beiden nebeneinander herlaufen, spürt Emma mit jedem Schritt, der sie näher an das Dorf bringt, Aufregung und Nervosität.

~•~

Geduckt und hinter den Zweigen des Unterholz versteckt blicken Emma und Lukas auf das geschäftige Treiben auf dem Dorfplatz. Kinderlachen und Stimmfetzen erfüllen die Luft, während der Geruch von frisch gebackenen Brot Emma das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt.

Das Dorf wurde hinter dem Platz erbaut, sodass man selbst vom Wald aus einen guten Blick auf die kleinen Stände hat. Frauen bieten rufend verschiedenes Gemüse an. Ein etwas dickerer Mann wirbt für Pelze und begibt sich gerade in ein Gespräch mit einer jungen Frau, die mit ihrer Hand über seine Auslage streicht.

Dieses Dorf wirkt so ganz anders, als das, aus dem Emma stammt.
Wenn auch sie sich an solche Momente erinnert, waren ihre Stände nie so reich gefüllt. Wie auch? Immerhin mussten sie Abgaben an den Ältesten leisten und hatten dementsprechend nicht viel, was sie zum Verkauf untereinander anbieten konnten.
Hier scheint es so, als habe man die freie Verfügung über das was man erwirtschaftet.

"Und?", fragt Lukas.
Emma wendet sich ab und schüttelt den Kopf.
"Ich wünschte es wäre es, ist es aber nicht", antwortet sie.
"Hätte mich auch gewundert, nachdem was du erzähltest", gesteht Lukas und kratzt sich am Kopf.
"Dann bin ich vielleicht doch abgebogen", räumt Emma ein und seufzt.
"Und du musst zu deinem Dorf?", fragt Lukas angespannt, "Nach allem was geschehen ist?"

Emma lehnt sich an einen Baumstamm und nickt.
"Ich muss einfach wissen was mit Alex passiert ist", sagt sie, "Vielleicht haben sie ihn erwischt und bestraften ihn."
"Oder er ist nicht dort, sondern ohne dich weiter gegangen", gibt Lukas zu Bedenken.
Erst will Emma widersprechen, doch dann wird ihr klar, dass Lukas damit durchaus recht haben könnte.
Immerhin ist sie ja auch weiter gegangen. Vielleicht hat Alex genau das Gleiche wie sie getan, nur an einem anderen Ort.

"Du magst Recht haben, aber ein Vielleicht bringt mich nicht weiter. Ich brauche Gewissheit. Ich muss es sehen", sagt Emma bestimmt und stößt sich vom Baumstamm ab.

- Fortsetzung folgt -

Ihr Lieben,

hier folgt noch ein Kapitel, um das Wochenende einzuläuten.

Ich hoffe, es hat euch gefallen.

Alles Liebe
Emily

When the snow falls Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt