~• Kapitel 2.3 •~

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Stocksteif steht Emma da, wagt es nicht dieses Monster aus ihren Augen zu lassen, während es sie mit hochgezogenen Lefzen anknurrt.

Sie versucht ruhig zu bleiben, doch am liebsten würde sie einfach schreiend das Weite suchen.
Sie tut es nicht, wissend, dass dieses Verhalten bei vielen Raubtieren einen Jagdinstinkt auslöst und sie ist sich sicher, dass es gerade bei diesem Ungetüm nicht anders wäre.
Sie atmet langsam ein, hebt die Hände, als wolle sie kapitulieren und geht einen Schritt auf es zu.
Das Knurren nimmt zu und Emma hält abrupt inne.
"Ich habe ihm... geholfen. Er war... verletzt", sagt sie langsam, während ihr das Herz bis zum Hals klopft.
Langsam sieht sie zu dem kleinen Welpen, der neben dem Wolf steht und zu ihm hinauf blickt.
"Geh mit deinem Welpen", bittet sie, während in ihr die Vermutung keimt, dass sie vor dessen Mutter steht.
"Ich bin keine Bedrohung für euer Wohl", spricht sie auf die Wölfin ein.
"Nur du bist eine Bedrohung für mich", denkt sich Emma im Stillen.
Die Wölfin knurrt noch immer, doch wirkt merklich entspannter.
"Ich gehe nun zurück in meine Hütte und ihr werdet euren Weg gehen", sagt sie langsam, noch immer mit erhobenen Händen und geht langsam rückwärts. Den Blick nimmt sie dabei nicht von der Wölfin.
Niemals würde sie den Fehler begehen ihr den Rücken zu zu drehen. Sie muss es nur schaffen ihre Hütte und somit die Sicherheit der schützenden Wände zu erreichen.
"Nicht mehr weit", hört sie ihre eigene Stimme flüstern.
Die Wölfin scheint sie auch gehört zu haben, denn sie macht einen riesigen Satz und springt über Emma hinweg, sodass sie plötzlich hinter ihr steht.

Keuchend wirbelt Emma herum und blickt in den dunklen Schlund der Wölfin. Heißer Atem streift ihr Gesicht. Ein übelriechender Geruch steigt ihr in die Nase und mit aller größter Mühe unterdrückt sie das Würgen.
Sie stolpert zurück, blickt die Wölfin, die sich aufrichtet, mit angsterfüllten Augen an.
Es wirkt fast so, als sei sie zufrieden, als wolle sie sie nicht gehen lassen und damit ist alle Ruhe dahin.

Mit laut klopendem Herzen stolpert Emma noch weiter zurück und blickt sich nach einem Fluchtweg um, doch die Wölfin hat andere Pläne.
Sie senkt den Kopf, sodass nicht viel fehlt und ihre Schnauze den Boden berühren würde.
Langsam setzt sie ihren riesigen Körper in Bewegung, dabei sehen ihre Schritte anmutig aus und Emma würde dem auch gerne zusehen, wäre da nicht die Tatsache, dass die Wölfin beginnt sie umzukreisen und diese Kreise dabei immer enger zieht.

Sie weiß genau was das zu bedeuten hat und dieses Wissen lässt ihren Körper verrückt spielen. Schweiß bildet sich auf ihrer Stirn, ihr Herz schlägt so stark, dass es Schmerzen verursacht und ihr Mund ist so trocken, wie das Gras auf den Wiesen nach einer langen Dürre.
"Bitte", fleht sie angsterfüllt, genau wissend, dass ihr Flehen nichts ausrichten wird.

Plötzlich springt die Wölfin auf sie zu. Sie sieht ihren massigen Körper, hört wie die Luft zerrissen wird und spürt die schweren Pfoten auf ihren Schultern.
Es ist ein kurzer Moment, in dem Emma schwebt, bevor die Wirklichkeit nach ihr greift.
Der harte Aufprall lässt sämtliche Luft aus ihrem Körper entweichen und die schweren Pfoten auf ihren Schultern tun das Übrige.
Emma beginnt sich zu winden, während sie bewusst versucht der Wölfin nicht in die Augen zu blicken. Fest kneift sie ihre eigenen zusammen.
Die Wölfin hält sie fest am Boden und nimmt ihr mit ihrem Körper nun auch die letzte Bewegungsfreiheit.
Komplett verborgen von dem Wolfskörper, kann Emma nichts anderes tun, als ihren Kopf zu drehen.
"Bi-t-te", entkommt abgehackt ihren Lippen.
Die Wölfin reißt ihr Maul auf und kommt mit diesem Emmas Gesicht immer näher und nun ist es für Emma nichtig. Sie stirbt hier, so will sie doch zumindest dabei die Augen öffnen und den Himmel über sich sehen.

Sie öffnet die Augen, doch das was sie sieht ist nicht der Himmel, obwohl dieses Blau an einen Himmel erinnert.
Sie blickt der Wölfin direkt in die Augen und es ist, als würde sie sich in diesem hellen Blau verlieren. Als würde sie mit angehaltener Luft ins Wasser springen und dort aushaaren.
Eine warme Woge umspült ihr Herz und etwas verändert sich. Emma kann nicht benennen was es ist, doch sie fühlt sich leicht, wie eine Wolke am Himmelszelt und auch, wenn dieser Gedanke für Emma töricht klingt, so spürt sie eine tiefe Gelassenheit und mit dieser blickt sie der Wölfin in die Augen.
Sie blicken einander nur an und die Wölfin scheint komplett erstarrt zu sein.
"Nun mach schon", erklingt Emma's sanfte Stimme, "Töte mich."
Die Wölfin zuckt zurück, als hätte sie sich verbrannt und plötzlich kann Emma wieder frei atmen.
Langsam setzt sie sich auf und sieht die Wölfin taumeln.
Diese lässt sie dabei nicht aus den Augen und es wirkt auf Emma fast so, als würde sich Unglauben in ihren Augen abzeichnen.
Vorsichtig steht Emma auf und bevor sie auch nur einen Gedanken fassen kann, schnappt die Wölfin nach dem Nacken des Welpen, der noch immer dort sitzt, wo sie ihn zurück ließ.
Mit einem eleganten Sprung verschwinden die beiden im Wald, lassen die verdutzte Emma zurück.
Sie blickt in die Richtung, in die die Beiden verschwunden sind und hat plötzlich das komische Gefühl, als würde etwas fehlen.

~•~

Seufzend lässt sie sich auf dem Boden der Hütte nieder. Ihr ganzer Körper zittert, ob vor Kälte oder wegen der weichenden Angst vermag Emma nicht zu sagen.
Sie fühlt sich ausgelaugt, als wäre sie tagelang gelaufen.
Ihre Augen blicken sich in dem leeren Raum um, während sie sich mit einem Mal unglaublich allein fühlt; noch mehr, seitdem der Welpe ihr auch keine Gesellschaft mehr leistet. Bei seiner Mutter ist er besser aufgehoben, als bei ihr, das muss sich Emma sagen, das macht es ein wenig leichter.
Dennoch fühlt sie sich schwer.
Tränen sammeln sich in ihren Augen.
Sie denkt an Alex, auf den sie noch immer wartet, doch tief im Inneren weiß sie, dass er nicht kommen wird. Sie redet es sich nur selbst ein, um sich selbst zu schützen und nicht entscheiden zu müssen wie es weiter gehen soll.

Alles ist plötzlich so schwer. Es raubt ihr den Atem und als wäre ein Damm gebrochen, entkommen ihrem Mund leise Schluchzer. Sie rollt sich zu einer Kugel zusammen, lässt den Tränen freien Lauf und weint solange bis sie in einen unruhigen Schlaf fällt; nichts ahnend, dass sie beobachtet wird.

~• Fortsetzung folgt •~

When the snow falls Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt