"Du bist also das Mädchen, das Alex den Kopf verdrehte", stellt der Junge fest, der sich zuvor über dessen Ankunft freute und beginnt Emma zu umrunden.
"So würde ich das nicht nennen", antwortet Emma und versucht ihre Stimme fest klingen zu lassen, doch ein kleines Zittern schleicht sich dennoch hinein.Sie tritt einen Schritt von dem Schwarzhaarigen weg, als er direkt vor ihr stehen bleibt.
Er nickt, während er sie mustert und dabei nachdenklich mit seinem Zeigefinger immer wieder an sein Kinn tippt.
"Ich frage mich, was an dir so besonders ist, dass Alex so sehr an dir interessiert ist, dass er uns beinahe zurückließ."Er kommt ihr einen Schritt näher, Emma geht einen Schritt zurück, ihn dabei nicht aus den Augen lassend.
"Du bist weder besonders hübsch, noch scheint sonst irgendwas Besonderes an dir zu sein. Ich verstehe es nicht."
Er bleibt stehen und blickt Emma plötzlich in die Augen, ehe er mit einem Satz ihr so nahe ist, dass sich ihre Nasenspitzen berühren.Emma stolpert erschrocken zurück und prallt mit ihrem Rücken gegen das Gestein.
"Hab ich dich erschreckt?", fragt der Junge amüsiert. Ihrem Mund entkommt, als Antwort, ein Schmerzenslaut. Langsam rutscht sie die Wand hinunter.Er überbrückt das letzte Stück zu ihr und beugt sich zu ihr hinab.
"Was...", Emma schafft es nicht weiter zu sprechen, da hat der Junge seine Nase bereits in ihren Haaren vergraben. Tief atmet er ein. Warmer Atem streicht über ihre Haut und ein Kribbeln lässt sie zittern.
Sie will wegrutschen, doch als hätte der Junge dies geahnt, lehnt er sich mit dem Arm an der Wand ab und nimmt ihr den Fluchtweg.Jeder seiner Atemzüge jagt ein Schauder über ihren Rücken.
"Was geht hier vor?", erklingt Alex Stimme.
Der Junge richtet sich in Sekundenschnelle auf, während Emma stumm gen Boden blickt, das Zittern unterdrückend.
"Ich wollte nur wissen, was du an ihr findest", gibt er in einem spielerischen Ton von sich und zuckt daraufhin die Schultern, "Ich habe nichts entdeckt. Selbst ihr Geruch ist langweilig.""Geh", sagt Alex zu ihm und sein Ton lässt Emma überrascht empor blicken.
Ernst steht er da und blickt seinen Freund aus lodrnden Augen an.
Dieser hebt ergebend die Arme und tritt einen Schritt zurück.
"Sicher, dass du auf unserer Seite bist? Bei den anderen hast du dich nie eingemischt."Emma wird hellhörig.
Den anderen?"Ich sagte es bereits, dass ich loyal bin", antwortet Alex ruhiger.
"Ich frage mich nur", beginnt der Schwarzhaarige langsam, "Wem gegenüber du loyal bist."
"Stellst du mich in Frage?"
Ein Grollen begleitet Alex Worte.Emma rutscht näher an die Wand. Am liebsten würde sie mit ihr verschmelzen.
Ihren Blick kann sie nicht von Alex lassen. Nichts an ihm erinnert sie an den lieben Müllersjungen, den sie kennenlernte.
Drohend steht er da und seine Ausstrahlung erinnert sie an einen Schneesturm, der mit eiskalten Nadeln, denjenigen sticht, der ihm nicht schnell genug entkommen kann.
Sie sieht keine Wärme und die Sicherheit, die sie bei seinem Anblick empfand, ist in der Gänze verschwunden."Wer bist du?", entschlüpft es Emma, ohne dass sie es verhindern kann.
Erschrocken beißt sie sich auf die Lippe, als zwei Augenpaare sie betrachten."Wer er ist?", fragt der Junge und beginnt zu lachen. Er lacht so sehr, dass er zu taumeln beginnt und sich den Bauch hält, als habe er Schmerzen.
Alex schnauft, während dieses Anblicks.
Das Lachen schwillt allmählich ab.
Noch immer leicht hüstelnd, sagt der Schwarzhaarige: "Oh das wird interessant. Ich freue mich schon auf ihren Blick."Verwirrt sieht Emma erst ihn und dann Alex an.
"Es ist soweit!", ertönt plötzlich eine Stimme, die in der Höhle widerhallt, "Bringt sie raus!"
Schon steht der Junge neben ihr und will gerade ihre Fesseln lösen, als ein "Ich mach das!" von Alex kommt.
Entschuldigend blickt der Schwarzhaarige Alex an, kann sich aber dennoch scheinbar ein Grinsen nicht verkneifen.Alex bückt sich um den Knoten zu lösen.
"Was ist soweit, Alex?", flüstert Emma und Angst schwingt in ihrer Stimme mit.
Anstatt, dass er ihr antwortet, antwortet ihr der Junge in einem süffisanten Tonfall: "Die Zeit der Offenbarung ist soweit, Emma."Ihr wird heiß und kalt, während ihr Herzschlag sich verdoppelt.
"Was hat das zu bedeuten, Alex?", fragt sie.
Alex schweigt und plötzlich kommt sie nicht umhin, sich an ihr Gespräch zu erinnern, als er sich bei ihr entschuldigte, sagte, es täte ihm leid.
Was hatte er damit gemeint? Das fragte sie sich, doch nun scheint der Moment, in dem sie versteht immer näher zu rücken.Alex zieht sie auf die Füße.
"Bitte, sag doch was", fleht sie ihn förmlich an, während ihr Magen sich so schwer anfühlt, als lägen Steine in ihm und das obwohl sie zuletzt am gestrigen Abend aß.
Wie sehr wünscht sie sich nun in ihre Hütte zurück.Alex setzt sich in Bewegung, er würdigt sie keines Blickes, als seine Hand ihren rechten Oberarm umgreift.
Emma weiß, dass egal was sie am Höhleneingang erwartet, sie will es nicht sehen.
Sie rammt ihren Fersen in den Boden und versucht so ihren Fortgang zu bremsen.
"Du ziehst es nur in die Länge", stellt der Junge fest, der neben ihr auftaucht.
Sie ignoriert ihn. Stattdessen beginnt sie wie wild ihre Hände aneinander zu reiben, in der Hoffnung die Seile lockern zu können.
Jede Bewegung schmerzt, doch das ist ihr egal.
Vergessen ist der Schmerz, den Alex ihrem Herz zufügte. Sie ist wach, hat ihre Augen geöffnet und weiß, dass sie sich nicht kampflos dem Höhleneingang präsentieren lassen wird.
Lieber bleibt sie auf ewig in der Höhle, ohne je wieder das Tageslicht zu sehen, als sie jetzt zu verlassen.Sie zieht die Beine an und bringt Alex damit tatsächlich ins Wanken.
Nun sieht er sie doch an, genervt.
Plötzlich spürt sie eine zweite Hand.
Sie sieht erschrocken nach links.
Der Junge sieht sie lächelnd an, während er sie in die Höhe hält und so wird sie nun getragen.
Rechts Alex und links sein Freund.Sie rammt die Fersen wieder in den Boden und lehnt sich zurück, auch wenn dies ihr Schmerzen an den Schultern verursacht, einfach wird sie es ihnen nicht mehr machen.
Doch all ihre Versuche führen nur dazu, dass sie dem Höhleneingang langsamer entgegenkommen.
Schritt für Schritt nähern sie sich dem roten Schein, der untergehenden Abendsonne.Schritt um Schritt kommt Emma dem näher, wovor sie die größte Angst hat.
Der Wahrheit.
- Fortsetzung folgt -
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When the snow falls
ParanormalFernab der Zivilisation, versteckt in einem tiefen, endlosen Wald liegt ein kleines Dorf. Jedes Jahr, sobald der erste Schnee fällt, wird ein Mädchen erwählt, die zu sein, die diesem Ruhm und Reichtum einbringen soll. Dafür muss es das Dorf verlasse...