~• Kapitel 11.1 •~

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Vorsichtig schiebt Emma die Zweige beiseite, während sie einen Fuß vor den anderen setzt.

Sie gibt sich alle Mühe ihr schweres Herz und ihre zugeschnürte Kehle zu ignorieren und fragt sich gleichzeitig, ob sie die richtige Entscheidung traf.

Alles scheint so verworren. Sie hatte ihn nicht gefragt, um ihn nicht zu verletzen. Hat sie ihn genau damit verletzt?
Sie schüttelt den Kopf und unterdrückt ein Schluchzen, das sich ihre Kehle heraufschieben will, als sie an Lukas Worte denkt.
Hätte sie bleiben sollen? Sie verdrängt den Gedanken.

Seit dem Tag ihrer Flucht denkt sie immer wieder an Alex, an den Mann, in den sie sich verliebte und wegen dem sie das Dorf überhaupt verließ. Alles begann mit seiner Bitte. Sie kann nicht so tun, als gäbe es ihn nicht. Kann nicht leben, ohne Gewissheit zu haben und sie hat auch nicht die Zeit es Lukas zu erklären, nun wo sie weiß, wo Alex sich befindet.

"Es war die richtige Entscheidung. Für mich war es die richtige Entscheidung", flüstert sie, als wolle sie sich selbst überzeugen und so geht sie weiter, entfernt sich immer mehr von dem Dorf, das wirklich eine sichere Stätte ist und kommt ihrem altem Leben immer näher.

"Es ist Zeit ein Kapitel zu beenden, damit ein neues beginnen kann", sagt sie sich selbst und spürt die Wahrheit mit jeder Faser ihres Körpers.

~•~

Schnaufend schiebt Emma sich aus dem Unterholz und bleibt stehen.
Da war sie, ihre alte Freundin, die ihr Schutz bot, als sie sich mehr als schutzlos fühlte.
Ihre Hütte, sie hatte sie fast ein wenig vermisst.

Vorsichtig betritt sie sie und als sie in ihrem Raum ankommt, findet sie ihn so vor, als sie ihn verließ.
Sie breitet die alte löchrige Jacke auf dem Boden aus und stellt den Stuhl, dessen Lehne abgebrochen ist, davor.
Aus ihrem Beutel fischt sie ein Stück Brot, ein wenig Käse und ein Brocken getrocknetes Wildschweinfleisch. Genüsslich beißt sie vom Brot ab und nachdem sie ein wenig kaute, gesellt sich ein Bissen Käse dazu.
Sie greift nach ihrem Trinkbeutel und nimmt einen ordentlichen Schluck Wasser.

Nach ein paar weiteren Bissen verstaut sie ihren Proviant wieder im Beutel und legt sich danach auf die Jacke. Ihren Fellmantel als Schutz vor der Kälte und ihren Arm als Kopfkissen missbrauchend, blickt sie zur Wand neben ihr.
Ihre Gedanken wirbeln umher, doch gegen ihre Müdigkeit kommen auch sie nicht an.
Als Emma die Augen zufallen sieht sie Alex sowie Lukas vor sich und in ihrem Inneren breitet sich eine Wärme aus, die sie wie eine Decke umgibt.

Sie weiß nicht, durch welches Bild diese Wärme ausgelöst wird, doch sie ist zu müde, um sich auch noch mit dieser Frage zu beschäftigen.

~•~

Als Emma erwacht, stellt sie fest, dass sie recht gut schlief, trotz des gestrigen Tages.

Ihre Glieder streckend und laut gähnend rappelt sie sich auf.
Noch leicht benommen greift sie nach ihrem Beutel und tapst sie hinaus.
Draußen angekommen wird sie von gleißenden Sonnenschein begrüßt. Es schneite über Nacht, sodass eine dünne Schneeschnicht den Boden vor ihren Augen verbirgt.

Sie sieht sich nochmal nach ihrer Hütte um, bedankt sich innerlich bei ihr und lässt sie dann hinter sich zurück.
Mit knirschenden Schritten geht sie ein Weg zurück, den sie in der alles entscheidenden Nacht voller Panik lief.

Es kommt ihr vor wie eine Ewigkeit, obwohl nur ein wenig Zeit ins Land gezogen ist. Unglaublich, was sie alles erlebte und erfuhr.

When the snow falls Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt