~• Kapitel 13 •~

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"Sieh sie dir an", fordert ein Mann, der mit seiner kleinen Tochter vor der zur Schau gestellten Emma steht

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"Sieh sie dir an", fordert ein Mann, der mit seiner kleinen Tochter vor der zur Schau gestellten Emma steht.
"Sieh sie dir genau an. Sieh, was geschieht. Siehst du es?"
Das kleine Mädchen nickt zaghaft, während es seine Augen nicht von Emma lassen kann.
"Gut", sagt der Vater und zieht seine Tochter von dem Anblick weg.

Emma atmet tief durch die Nase ein und wieder aus.
Sie weiß nicht wie lange sie hier schon steht. Es mag ein Moment sein, kann aber auch lange Zeit sein.
Kalter Schweiß läuft ihre Schläfe hinab und vermischt sich mit dem Dreck, mit dem sie beworfen wurde.

Kinder kamen, zwickten und pieksten sie und wenn Emma versuchte nach ihnen zu treten, stoben sie auseinander und eröffneten das Spiel, wer ihr nahe kommen könnte, ohne von ihr getreten zu werden.
Nur die Langeweile ließ sie weiter ziehen.

Sie wurde beschimpft, gedemütigt und sogar einmal geschlagen.
Eine Frau, mittleren Alters kam und ohne etwas zu sagen, ließ sie ihre Hand auf Emmas Wange niederfahren.
Nur ihre Augen sprachen eine ganz eindeutige Sprache. Sie zeigten stumme Wut und den tiefen Verlust eines geliebten Menschen.

Emma hätte ihr gerne gesagt, dass nicht sie das Ziel ihrer Wut sein sollte, doch der Knebel und auch das Wissen, dass ihren Worten kein Glauben geschenkt würde, verhinderten dies.

Sie ließ all jenes still über sich ergehen und ganz tief im Inneren fragte sie sich, ob ihre Mitmenschen schon immer so grausam gewesen waren.
War sie es auch gewesen und hatte es nur nicht wahrgenommen?

Wie damals suchte Emma, trotz der Ereignisse, mit ihrem Blick nach Alex und wie damals kann sie ihn nicht finden.

Sie seufzt. Seit einiger Zeit hat sie Ruhe. Der leere Dorfplatz erstreckt sich vor Emma und auch, wenn die Sonne scheint, wirkt er kalt und dunkel.
Als habe alles Gute diesen Ort verlassen und Emma weiß, dass es so ist.
Doch nicht erst heute, sondern schon vor langer Zeit.
Sie weiß nun, dass all das Übel, vor dem sie sich versuchen zu schützen, sich genau hier, an diesem Ort, versteckt im tiefen und endlosen Wald, verbirgt.
Es ist hier und war es schon immer.

~•~

Als die beiden Männer, die sie an den Pfahl gebunden haben, ihre Fesseln wieder lösen, fällt Emma ungebremst auf die Knie.
Ihre Beine fühlen sich taub und kalt an, während an ihren Handgelenken rote Striemen aufleuchten.

Noch bevor Emma die neue Körperhaltung wirklich fühlen kann, wird sie auch schon wieder hochgezogen.
Erneut fesselt man ihre Hände, dieses Mal hinterm Rücken. Der Knebel bleibt an Ort und Stelle.

Grob greift einer nach ihrem Arm, während der andere sich mit einem Nicken verabschiedet.
Der Mann, der Emma immer wieder vorwärts stößt, gibt keinen Ton von sich, bis sie die Hütten hinter sich lassen.
"Geh weiter", fordert er sie plötzlich auf mit dem Blick zum Waldrand, an dem der Älteste in Begleitung von Anna sie bereits erwartet.

Zögerlich blickt Emma über die Schulter und erhält einen neuen Stoß, der sie nach vorne stolpern lässt.
Ihr Gleichgewicht wiedergefunden, wendet sich Emma von ihm ab und humpelt, wie ihr befohlen wurde, zum Waldrand.

Während sie dem Ältesten immer näher kommt, überlegt sie, ob sie versuchen soll zu fliehen. Sie blickt auf ihre Füße hinab, sieht über die Schulter, erblickt den Mann, der sie Argusaugen beobachtet. Sie schüttelt innerlich den Kopf.
Eine Flucht ist unmöglich.
Durch das lange auf Zehenspitzen Stehen fühlen sich ihre Füße taub an, niemals könnte sie mit ihnen rennen. Es fällt ihr ja schon schwer sich alleine fortzubewegen.

Als Emma am Waldrand ankommt, gibt der Älteste dem Mann ein Zeichen und als Emma den Kopf dreht sieht sie, wie dieser sich abwendet und geht.
Nun alleine mit dem Ältesten und Anna wird sie auch prompt in ihre Mitte genommen.

"Damit du nicht wieder einen Fluchtversuch unternimmst, stelle ich dir eine Begleitung. Es wäre sehr ärgerlich, wenn ich erneut ein Mädchen fortschicken müsste, nur um dein Fehlverhalten auszugleichen", spricht der Älteste mit dem Blick in den Wald hinein, während Emma ihn einfach nur von der Seite anstarrt und nicht glauben kann was er eben sagte.

Er hatte ein anderes Mädchen geschickt? Weil sie nicht da war? Warum? Was steckt hinter alldem?

"Noch einen Moment", murmelt Anna plötzlich, "Er müsste gleich hier sein."
"Er lässt sich immer soviel Zeit. Mich dürstet es nach einem guten Wein", brummt er über Emmas Kopf hinweg, als sei sie gar nicht da.
"Geduldet Euch noch ein wenig. Ich bin mir sicher, dass wir nicht all zu lange warten müssen. Ich...", Anna unterbricht sich selbst und zeigt in den Wald hinein, "Seht", fordert sie den Ältesten auf, der daraufhin ein zufriedenes Seufzen von sich gibt.

Emmas Augen suchen im Schatten des Waldes nach demjenigen, der ihre Begleitung sein soll und erkennt in der Ferne eine Silhouette, die gemächlich auf sie zugeht.

Mit jedem Schritt, den die Gestalt macht, fühlt sich Emma ein wenig mehr die Kälte, die von ihrem Körper Besitz ergreift.

Die Gestalt schiebt sich elegant aus dem Unterholz und stellt sich im strahlenden Sonnenlicht vor Emma hin.
Ihre Augen wandern an ihr herab und wieder hinauf, bis sie an dem Gesicht der Gestalt hängen bleiben.

Wunderschöne grüne Augen blicken ihr entgegen, die sie an den See an einem herrlichen Sommertag erinnern.

Ihre Beine geben nach, als wollten sie ihr Gewicht nicht mehr tragen. Die Kälte erreicht ihr Herz, umfasst es mit ihrer kalten Hand und drückt zu.
Gedämpfte Laute entkommen Emma, die nicht mal annähernd das ausdrücken was sie fühlt. Sie fühlt sich, als wolle ihr Herz in zig Teile zerspringen.
Ein Kloß schiebt sich ihre Kehle empor. Schnelle und schwere Atemzüge entkommen ihrer Nase, während Tränen ihre Sicht verschwimmen lassen.

Kniend im Schneematsch blickt Emma mit geweiteten Augen zu dem Menschen hinauf, von dem sie die ganze Zeit dachte, sie würde ihn mit ihrer Untätigkeit verraten. Am Ende hat er sie verraten.

Nun waren sie hier.
Sie als Erwählte, die zu ihrem Schicksal gezwungen wird und er als der, der sie retten wollte und sie nun doch opfert.

- Fortsetzung folgt -

When the snow falls Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt