~• Kapitel 11 •~

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Langsam, den Blick schweifend, verlässt Emma Lornas Hütte und geht in Richtung des kleinen Sees, von dem Finn ihr beim Abendmahl erzählte

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Langsam, den Blick schweifend, verlässt Emma Lornas Hütte und geht in Richtung des kleinen Sees, von dem Finn ihr beim Abendmahl erzählte.

Auch wenn sie es ihrer Mutter versprach, sie konnte Lukas nicht darum bitten. Sie wollte ihn nicht verletzen. Sie brachte es einfach nicht über sich ihn nochmal wegen Alex zu bitten mit ihr zu gehen. Sie musste dies alleine schaffen und sie würde es schaffen, da war sie sich sicher. Daher verabschiedete sie sich frühzeitig vom Abendmahl mit der Ausrede, sie habe sich den Magen verstimmt. Auch wenn ihre Mutter ihr einen kurzen Blick zuwarf, glaubte sie ihr scheinbar, denn sie ließ sie wortlos und ohne Drohgebärden ziehen.

Emma zieht den Fellmantel enger um sich und schultert ihren Proviantbeutel und geht langsam an den stillen und dunklen Hütten vorbei. Jeder speist auf dem Dorfplatz. Die Wahrscheinlichkeit, dass man sie entdecken würde ist also recht gering und das gibt Emma Sicherheit.

Zuvor überlegte sie die ganze Zeit wie sie unbemerkt aus dem Dorf kommen könnte. Der einzige Weg führt durch das Tor, das immer unter Bewachung steht. So konnte sie diesen nicht wählen. Sie war schon kurz vorm Verzweifeln, doch da kam Finn, der beim Abendmahl verkündete, er habe ein Loch im Wall entdeckt und da er nicht wolle, das ein derartiger Überfall nochmal geschehe, forderte er, dass dieses direkt verschlossen werden solle.
Als Emma das hörte, sah sie direkt ihre Chance und so fragte sie ihn, wo er es gefunden habe.
Bereitwillig erzählte er ihr davon und Emma tat es fast ein wenig leid, dass sie sein Vertrauen für ihre Zwecke missbrauchte, doch für sie wirkte es fast wie eine göttliche Fügung, die sie nutzen müsse.

Sie geht weiter, lässt die Hütten hinter sich, läuft an den Feldern vorbei und betrachtet die Spiegelung des Mondlichts im Wasser der kleinen Bäche.
Ein kleines Lüftchen weht, das an ihren Haaren zieht. Einzelne Schneeflocken fallen vom Himmel, fühlen sich an wie kühle Fingerspitzen auf ihrer Haut.
Emma atmet aus und betrachtet ihren Atem in Gestalt einer weißen Wolke, die vom Wind direkt davon getragen wird.

Am Wall, der sich hinter dem See, wie ein Ungeheuer erhebt, sieht sich Emma um.

Sie wollten nach Speis und Trank sich darum kümmern, das sagte ein Mann.
Also hatte Emma nicht mehr all zu viel Zeit. Sie muss es finden, bevor die Männer hier ankommen.
Innerlich scheltet sie sich Finn nicht unauffällig gefragt zu haben, wo es sich genau befindet.
Am See ist nicht die beste Beschreibung, denn dieser ist kein kleiner Tümpel.

Emma läuft den Wall ab mit Blick gen Boden. Irgendwo muss das Loch sein, irgendwo müssen die Stämme kürzer als die anderen sein.
Gerade als Emma die Zweige eines Busches zurückstreichen will, ertönt hinter ihr ein Knacken.

Erschrocken wirbelt sie herum und erblickt drei Gestalten, die hinter ihr stehen. Durch das Mondlicht muss sie nicht rätseln oder gar überlegen, wer sie da erwischt hat.

"Deine Mutter hatte also Recht", stellt Tom fest.
"Sie hatte mir also doch nicht geglaubt", stellt Emma gedanklich fest und bereitet sich bereits auf Lukas Schelte vor.
Um ihn ein wenig zu besänftigen, geht sie einen Schritt auf ihn zu und gerade als sie nach seiner Hand greifen möchte, tritt er einen Schritt zurück.
Abrupt bleibt Emma stehen und sieht ihm ins Gesicht, das vom Mondlicht in Schatten getaucht wird.
Seine schwarzen Haare wirken noch dunkler als sonst auf sie.

Sie spürt wie ihr Herz schwer wird. Noch nie hatte er sie zurückgewiesen. Auch, wenn er nichts sagt, sein Zurücktreten und seine ganze Austrahlung verraten ihr, sie hat etwas getan, was ihm missfällt.

"Es tut mir leid", haucht sie, auch wenn sie nicht wirklich weiß, was ihm missfällt.
Er antwortet nicht, sieht sie einfach nur an, während Tom ein Seufzen von sich gibt und Ben sich kopfschüttelnd abwendet.
Emma erwidert seinen Blick, während in ihr die Frage keimt, was er jetzt von ihr will.

Ist er hier um sie aufhalten oder mit ihr zu gehen?

Auch nach längerer Zeit der Stille kommt nichts von ihm. Wie zu einer Statue erstarrt, steht er da und blickt sie stumm an.
Emma spürt wie die Ungeduld nach ihr greift. Sie beißt die Zähne zusammen und schiebt das Kinn vor.

"Warum bist du hier?", fragt sie ihn direkt.
"Ich wollte mich davon überzeugen, dass deine Mutter Recht hat", antwortet er nach einem weiteren Moment der Stille mit ruhiger Stimme.
"Und hast du dich überzeugt?", fragt sie daraufhin und hört ein Hüsteln von Tom.

Ihr ist bewusst, dass sie sich gerade wie ein trotziges Kind anhört, doch sie erträgt diese Stille einfach nicht. Erträgt das Unausgesprochene nicht, dass sich wie eine Wand zwischen ihnen aufgebaut hat und erträgt nicht, dass sie hier Zeit zum Schweigen verschwenden. Solange hatte sie keinen Anhaltspunkt über Alex, sodass jede Sekunde der Untätigkeit sich nun wie ein Verrat ihm gegenüber anfühlt.

"Das habe ich", erwidert er und wendet sich ab.
Überrascht sieht Emma seinen Rücken an und unterdrückt den Drang nach seiner Schulter zu greifen.
"Wenn du nichts über unsere Gemeinschaft gelernt hast, dann geh, geh allein", sagt er, während er mit dem Rücken zu ihr steht und ohne ein weiteres Wort geht er.

Fassungslos sieht sie ihm nach, während Ben das tut, was Emma unterdrückte.
Er greift nach Lukas Schulter und zieht ihn zurück.
"Das meinst du nicht ernst", sagt er fassungslos, "Du kannst sie nicht alleine gehen lassen."
"Warum nicht?", erwidert Lukas kühl, "Sie will alleine gehen, dann soll sie es tun. Ich werde sie nicht aufhalten."
"Lukas", sagt Ben in einem fast sanften Ton, doch dieser schüttelt den Kopf.
"Nein", sagt er, "Es ist genug. Ich bin es leid."

Emma zuckt zusammen.

"Wenn du es nicht tust, werde ich sie aufhalten", mischt sich Tom ein und greift nach Emmas Arm.
"Das tust du nicht", entkommt es Lukas, "Keiner hält sie auf und keiner geht mit ihr."

Sein Tonfall fühlt sich wie ein Peitschenschlag an. Emma stolpert zurück.

"Aber", beginnt Tom und wird prompt von einem Knurren seitens Lukas unterbrochen.
"Wir gehen", befiehlt er und reißt sich von Ben los.
Tom sieht zu Emma, lässt seine Hand langsam sinken und sagt:
"Geh nicht, bitte."

Emma sieht ihn einfach nur stumm an, als er sich abwendet und Lukas und Ben folgt.

Lange steht sie da und blickt den Dreien hinterher, selbst als sie schon lange außer Sichtweite sind.

- Fortsetzung folgt -



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