Teil 14

359 27 13
                                    

Ellie

Ich druckse etwas herum, es fällt mir unheimlich schwer darüber zu sprechen, was passiert ist, weil es alle meine Fehler schamlos offenlegt. „Willst du auch einen Eistee? Ist selbstgemacht.", frage ich stattdessen, um etwas Zeit zu schinden.

Micha nickt und dankbar um diese Ablenkung verschwinde ich im Haus, hole die Karaffe voller Eistee aus dem Kühlschrank und schnappe mir zwei Gläser. Er hat es sich zwischenzeitlich auf der Hollywoodschaukel gemütlich gemacht und klopft erwartungsvoll neben sich. „Ist das, was du zu erzählen hast so schlimm?"

„Wie man es nimmt.", seufze ich und reiche ihm ein Glas Eistee. Die Eiswürfel klirren leise und für einen Moment hört man nur das Summen der Bienen und das Rauschen der Blätter. „Du musst wissen, mein Großvater ist ein sehr konservativer und sehr gläubiger Mensch. Seine beiden Brüder sind Priester geworden und auch er wollte eigentlich nach der Schule ins Priesterseminar gehen, alles war schon arrangiert und dann... Dann ist sein älterer Bruder hier auf dem Hof ums Leben gekommen. Und dann war es an meinem Großvater den Hof zu übernehmen, es wurde nicht lange gefragt ob er es will oder nicht, er war in dem Moment der älteste Sohn und der hatte den Betrieb am Laufen zu halten. Die Gottesfurcht und das streng religiöse Leben hat er aber beibehalten, er hat klare Vorstellungen davon, wie er und andere zu leben haben und jeder der nicht in diese Vorstellungen passt, der...", hilflos zucke ich mit den Schultern.

„Und dir nimmt er es krumm, dass du dich hast scheiden lassen?", hakt Micha vorsichtig nach.

„Scheidung gibt es in seiner Welt nicht, die Ehe ist ein Bund auf Lebenszeit. Als ich völlig verzweifelt bei meiner Oma angerufen und um Hilfe gebeten habe, da war er erst dagegen mich überhaupt hier auf dem Hof zu haben, ich bin eine Schande, die abtrünnige Enkelin. Meine Oma hat für uns gekämpft wie eine Löwin, so lange bis er nachgegeben hat, aber er will uns nicht in seinem Haus haben, so weit geht er dann doch nicht. Wir dürfen hier wohnen, so lange bis wir etwas Eigenes haben, aber er weigert sich mit mir zu sprechen, er will mich nicht sehen. Und dabei kennt er nur Bruchteile der Wahrheit." Nervös knete ich meine Hände und schaffe es nicht Micha anzusehen. Auch wenn ich weiß, dass das, was mir passiert ist Millionen Frauen passiert ist, aber das sind immer Momente in denen meine eigene, sehr religiöse Erziehung durchkommt. Jahrelang wurde mir eingetrichtert, dass Ehebruch eine riesige Sünde und Schande ist. Ich habe meine Ehe kaputt gemacht, dass sie schon vorher unter keinem guten Stern stand zählt in meinem Kopf nicht, ich habe ihr den finalen Todesstoß versetzt.

„Magst du mir die ganze Wahrheit erzählen? Vielleicht hilft dir das ja ein bisschen." Micha klingt neutral, sein Tonfall drängt zu nichts.

„Steve und ich, wir hatten schon lange Probleme, eigentlich schon seitdem Pippa noch ein kleines Kind war. Er war halt wochenlang weg und Pippa und ich hatten unseren eigenen Rhythmus und mit jedem Mal ist es ihm schwerer gefallen sich uns anzupassen. Am Anfang unserer Ehe habe ich die Tage gezählt, bis er wieder bei uns ist, später dann die Tage, bis er endlich wieder weg war. Es wäre wahrscheinlich das Beste gewesen schon damals einen Strich unter unsere Ehe zu ziehen, aber ich habe mir das Scheitern nicht eingestehen wollen. Kennst du das, wenn ein Mensch zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist? Anthony ist mir mit seinem Fahrrad ins Auto gefahren, es ist ihm zum Glück nichts passiert, aber wir haben Nummern ausgetauscht und dann..." Ich zucke mit den Schultern. „Dann kam eins zum anderen, wir haben uns getroffen, fanden uns sympathisch, haben uns angefreundet und irgendwann... Sind wir im Bett gelandet. Anthony war so anders als Steve, zuvorkommender, freundlicher, er ist auf mich eingegangen, hat mir zugehört. Ich habe mich verstanden gefühlt, begehrt und geliebt. Bei Steve und mir herrschte schon seit einigen Jahren nahezu Funkstille im Bett, eigentlich seitdem Pippa auf der Welt ist. Die paar Male die wir... Miteinander geschlafen haben war eher eheliches Pflichtprogramm, weil es ja dazu gehört. Mit Anthony war es anders, ganz anders, ich habe mich begehrt gefühlt. Es war ein Drahtseilakt, dass weder Steve noch Pippa irgendetwas mitbekommen, aber es ist tatsächlich über sechs Jahre gut gegangen. Bis... Na ja bis mir morgens dauernd übel war, mein Kreislauf hat verrückt gespielt. An eine Schwangerschaft habe ich überhaupt nicht gedacht, wir haben immer verhütet, immer aufgepasst. Tja und als ich dann von meinem Arzt die drei Worte gehört habe, die ich nie wieder hören wollte, da ist das ganze Kartenhaus zusammengebrochen." Nervös kaue ich auf meiner Unterlippe und weiche Michas interessiertem Blick auf. „Ich habe sogar kurz überlegt abzutreiben, um nicht aufzufliegen, aber dann habe ich gedacht, dass es vielleicht ein Wink des Schicksals ist, ein Grund endlich dieser Ehe zu entfliehen, einen Neuanfang mit Anthony zu wagen."

Music my saviourWo Geschichten leben. Entdecke jetzt