Teil 82

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August

Ellie

„Papa, runter!", Ivy Stimme klingt quengelig und halb belustigt, halb genervt sehe ich, wie sie sich auf Patricks Schoß windet, dieser ist sichtlich bemüht unsere Tochter zu beruhigen.

„Gleich kannst du wieder runter Ivy, aber jetzt musst du kurz auf Papas Schoß sitzen bleiben, ja? Wenn wir gleich oben in der Luft sind, dann darfst du wieder laufen.", wird er nicht müde ihr immer und immer wieder zu erklären.

„Warum ist sie so?", fragt er verzweifelt in meine Richtung.

„Vielleicht weil sie anderthalb ist und nicht versteht, warum sie nicht herumlaufen darf, wenn sie es doch so gerne möchte?", erwidere ich schmunzelnd und streiche Noah durch die wilden Löckchen. Dieser zeigt sich vom Wutausbruch seiner Schwester vollkommen unbeeindruckt, mit seinen kleinen Händchen patscht er immer wieder auf die Seiten des Buches, welches ich in meinen Händen halte.

„Mama, da! Mäh!", sagt er und haut auf die Seite mit dem Foto eines Schafes.

„Genau, ein Schaf.", sage ich liebevoll und blättere weiter. „Und hier?"

Noah legt den Kopf schief und scheint zu überlegen, dann geht ein Strahlen über sein Gesicht. „Gack Gack!", kommt es von ihm.

„Genau, Hühner! Dein Papa hat mal ein Lied über Hühner geschrieben.", flüstere ich laut genug, dass Patrick es mitbekommt.

„Papa gagck gack?", fragend sieht Noah zu ihm hinüber.

„Danke!", zischt er und weicht Ivys Armen aus, die sie wild in der Luft herumfuchteln lässt.

"Papa gack gack?", Noah legt den Kopf schief und sieht Patrick fragend an.

"Nein, Papa singt jetzt nicht das Hühnerlied. Jetzt nicht und später auch nicht."

„Runter!", brüllt Ivy nun eine Spur energischer, so dass sich einige der anderen Passagiere zu uns herumdrehen.

„Sorry!", murmelt Patrick und wischt sich ein paar Schweißtropfen von der Stirn.

„Gib sie mir mal rüber, vielleicht sitzt sie bei mir etwas ruhiger.", schlage ich vor, doch als ob sie alles verstanden hätte, beginnt Ivy nun noch lauter zu kreischen.

„Mama ab! Nein! Mama weg!", brüllt sie und krallt sich in Patricks Pulli. Ich beuge mich vor und wühle in meinem Rucksack herum, bis ich endlich auf die kleine, gelbe Tüte stoße. Als Ivy das verheißungsvolle Knistern hört und sieht, was ich in der Hand halte, hüpft sie aufgeregt auf Patricks Schoß auf und ab. „Ivy auch! Auch! Mehr! Keks!", ruft sie und streckt ihre kleine Hand aus. Erleichtert atmen Patrick und ich auf, als nun endlich himmlische Ruhe einkehrt.

„Bist du sehr aufgeregt?", will ich wissen. Ich weiß, dass dieser Teil der Reise der Schwerste für ihn sein wird, zurück an die Orte seiner Kindheit zu kehren, zurück dorthin, wo seine Mutter begraben liegt. In den letzten Wochen war er viel unterwegs, hat für sein großes Projekt gedreht, war im Studio, um seinen Songs den letzten Schliff zu geben. Nicht immer konnten wir ihn begleiten, die lange Reise nach Grönland, das Klima dort, wollte ich uns und den Zwillingen ersparen, Spanien hingegen klingt nach Urlaub, nach Ferien. Ich war bislang erst einmal in Spanien, Klassenreise, an das Meiste kann ich mich nicht mehr erinnern, hängengeblieben sind die 25 stündige Busfahrt, die Waikikibar und das gute Wetter. Auf letzteres hoffe ich sehr, Strand, Palmen, Sonne und Meer, in meinem Kopf hat sich in den letzten Wochen ein wunderbares Bild manifestiert, Patrick und ich mit den Zwillingen am Meer, Ivy und Noah können im Sand buddeln und wir zwei etwas die Seele baumeln lassen. Nach den letzten Wochen mehr als verdient, die Situation zuhause war ziemlich angespannt, Maditas pausenloses Weinen scheint immer noch in meinem Ohr zu hängen. Wir hatten auf Besserung gehofft, alle Ärzte hatten von Dreimonatskoliken gesprochen, davon, dass es besser werden würde, dass sie sich entspannen und ruhiger werden würde, aber genau das Gegenteil ist der Fall. Pippa ging nach wenigen Wochen komplett auf dem Zahnfleisch, Schlafentzug und das andauernde Weinen ihrer Tochter, dazu das Chaos der Hormone. Ich hatte alle Hände voll damit zu tun, sie zu unterstützen. Auch Jasmin und Max halfen tatkräftig. Der Einzige, der sich immer mehr aus der Verantwortung stahl, war Louis, jedes mahnende Wort seiner Eltern, jedes Flehen von Pippa blieb ungehört, er versank immer mehr in seiner Sportwelt und ließ sich zuhause nur noch sporadisch blicken. Irgendwann haben wir aufgegeben, die Kräfte dafür genutzt für Pippa und Madita da zu sein. Nur mit schlechtem Gewissen habe ich sie alleine gelassen, wobei mir Jasmin mehrfach versichert hatte, dass sie gut auf sie aufpassen würde.

Music my saviourWo Geschichten leben. Entdecke jetzt