Patrick
Ich atme noch einmal tief durch, bevor ich meine Hand auf die Klinke der Zimmertür lege. Noch immer ist es merkwürdig jemanden zu besuchen, der einen nicht kennt. „Good morning sunshine!", mit einem Lächeln auf den Lippen betrete ich das Zimmer, Ellie sitzt aufrecht im Bett und lächelt mich ebenfalls an. Seit zwei Tagen darf sie sich immer wieder etwas aufsetzen, seitdem ist sie etwas entspannter. Ich setze mich neben ihr Bett auf den Stuhl, der seit einer Woche mein Stammplatz ist, der Drang sie zu berühren, ihre Hand zu nehmen ist groß, aber ich habe bemerkt, dass es ihr unangenehm ist, sie hat es zwar nie geäußert, aber sie zuckt immer wieder zusammen, wenn ich unbedacht meine Hand auf ihre lege oder ihr Bein berühre. „Bist du bereit?", frage ich und rutsche unruhig auf meinem Stuhl hin und her.
Sie nickt langsam, auch sie sieht nervös aus. „Ich soll einfach klingeln, dann kommt jemand und hilft mir in den Rollstuhl, mir fehlt noch die Kraft." Sie schlägt die Bettdecke zurück und ich will bereits den Blick abwenden, als ich sehe, dass sie eine Jogginghose trägt. „Das erste Mal, es fühlt sich noch total komisch an, Stoff an den Beinen zu haben."
„Das glaube ich. Brauchst du noch frische Sachen? Soll ich dir morgen noch was mitbringen?" Ich bin froh, dass wir ein unverfängliches Thema haben, an manchen Tagen ist die Zeit hier echt zäh und ganz oft schweigen wir uns einfach an. Ich weiß nicht genau, was ich ihr alles erzählen soll, ohne sie zu überfordern und Ellie ist es oft unangenehm eine Frage nach der anderen zu stellen.
„Frau Kelly, Sie haben nach mir verlangt." Frank, ihr Physiotherapeut, kommt gut gelaunt wie immer ins Zimmer gerauscht. „Dann wollen wir mal Schätzchen!", flötet er, schiebt den Rollstuhl neben das Bett und fixiert die Bremsen. Mit zwei schnellen Handgriffen sitzt Ellie an der Bettkante, sie scheint selbst überrascht zu sein, wie schnell es geht, denn ihr entfährt ein leises „Upps".
„Alles gut Schätzchen?" Frank mustert sie eingehend und erst als Ellie langsam nickt macht er weiter. „Gut, du legts deine Hände hier auf meine Schultern, halt dich ruhig gut fest, ich kann das ab. Ich lege meine Hände an deine Hüfte und dann drehe ich dich so, dass du quasi in deinen Porsche fliegst." Mit Argusaugen beobachte ich, wie Frank seine Hände an Ellies Hüften legt, nur zu gerne wäre ich derjenige, der sie dort berühren dürfte, stattdessen muss ich zusehen, wie er etwas höher rutscht, Ellies Shirt dabei ein paar Zentimeter schiebt und seine Hände auf ihre nackte Haut treffen. Ich weiß noch zu gut, wie seidig weich sich ihre Haut an dieser Stelle anfühlt, oh wie sehr ich es vermisse sie zu berühren, ihre Hände auf meiner Haut, meine Hände auf ihrer. Mühelos hebt Frank sie hoch und für einige Sekunden scheint Ellie zu stehen, zitternd und ihre Hände krallen sich in seine Schultern, aber sie steht. Mit einer flinken Drehung bugsiert er sie zum Rollstuhl und innerhalb weniger Sekunden sitzt Ellie sicher in ihrem neuen Gefährt. „Siehst du Schätzelein, das war doch gar nicht so schwer." Frank tätschelt Ellies Wange, dann nimmt er von mir Notiz. „Ich denke, es wäre schlau, wenn Sie ab morgen Ellies Physiotherapiestunden begleiten würden. Damit Sie auch die richtigen Handgriffe lernen und Ihrer Frau helfen können, wenn sie demnächst entlassen wird. Wenn man weiß, wo und wie man anfassen muss ist das alles ein Kinderspiel."
„Entlassen?", frage ich ungläubig. „So schnell? Ich dachte... Also... Sollte sie nicht noch länger hierbleiben, um ihre Therapien zu bekommen?"
„Das war früher so, da blieben die Patienten oft monatelang in der Klinik und wurden therapiert, heutzutage weiß man, dass sie sich viel schneller erholen, wenn sie sich in ihrem vertrauten Umfeld bewegen. Physiotherapie und Reha kann man auch ambulant machen."
Ich schlucke, von der vertrauten Umgebung sind wir noch meilenweit entfernt. So gerne ich Ellie wieder zu Hause haben würde, aber ich habe Respekt davor, wie es für sie sein wird mit einem Fremden unter einem Dach zu leben. Für die erste Zeit in mein Haus zu ziehen ist auch keine Option, ich kann sie ja schlecht alleine lassen, wenn sie in diesem Ding sitzt.
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Music my saviour
FanfictionPerfektionist trifft Chaotin, aber was tut man nicht alles um an Hilfe zu kommen. Ein Bestatter im tiefsten Niederbayern, der eigentlich keiner ist und eine junge Frau, die sich nur zu gerne um den Finger wickeln lässt. Ganz nebenbei soll sich ein C...