Teil 16

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Ellie

„Wie geht es dir jetzt mit der Entscheidung?", fragt Micha vorsichtig, als wir auf dem Heimweg sind.

Ich fühle in mich hinein, wie geht es mir? So genau weiß ich das gar nicht und das sage ich ihm auch.

„Ich muss lernen sie loszulassen, das fällt mir einfach unheimlich schwer. Sie ist jetzt groß, auf dem Weg erwachsen zu werden und da ist es anscheinend ganz normal bei seinem Freund zu übernachten." Mein Blick wandert zu Ivy und Noah und ich bin froh, mit den beiden noch viel zu Zeit zu haben, bis ich sie loslassen muss.

„Da du ja jetzt sturmfrei hast... Willst du noch mit zu mir kommen? Der Abend ist ja noch jung?", reißt Micha mich aus meinen Gedanken.

Überrascht sehe ich ihn an. „Zu dir? Jetzt?" Ich kann die Unsicherheit in meiner Stimme nicht verbergen, was hat er vor?

Grinsend schüttelt er den Kopf. „Nicht das, was du denkst, ich dachte wir können uns noch ein wenig unterhalten? Den Trainingsplan durchgehen? Wir können auch zu dir gehen, wenn es dir lieber ist. Ich dachte nur, dass du so vielleicht nicht ins Grübeln kommst."

„Ich glaube, das wäre mir wirklich lieber.", murmele ich, auch wenn ich weiß, dass mein Großvater nicht begeistert sein wird, wenn ich so spät abends noch Besuch von einem Mann habe. „Aber vielleicht können wir uns möglichst unauffällig auf dem Hof bewegen."

„Wegen deiner Großeltern? Ich muss auch nicht mit zu dir kommen, wenn das Ärger für dich bedeutet, das war nur so eine Idee."

Energisch schüttele ich den Kopf. „Ach Quatsch, was soll er schon großartig machen? Ich bin erwachsen, ich treffe meine eigenen Entscheidungen und ich mache hier nichts Verbotenes. Punkt!"

Als wir das kleine Häuschen betreten fallen mir sofort wieder die Enge und das Chaos auf, was muss Micha nur denken, er, der in diesem riesigen Haus lebt und wahrscheinlich so etwas wie hier nicht gewohnt ist. Hektisch räume ich einige Dinge außer Sichtweite und kicke die dreckige Wäsche, die vor der Badezimmertür liegt, in eine dunkle Ecke. „Ich kann dir leider nur die Küchenbank anbieten." Schnell schiebe ich die Spucktücher und dreckigen Kinderkleider aus dem Weg, so dass Micha sich unfallfrei setzen kann. „Sorry für das Chaos, ich bin heute einfach nicht zum Aufräumen gekommen.", nuschele ich.

„Du hast ja auch nicht mit Besuch gerechnet, ich mach mir einfach Platz." Grinsend lässt Micha sich auf die Küchenbank fallen und lehnt sich leise seufzend zurück.

Ich verfrachte Ivy in die Babywippe und Noah in ein Tragetuch und mache mich daran ein Fläschchen vorzubereiten. „Würdest du?", ich deute auf Ivy und halte Micha die Flasche entgegen. „Danach würde ich die zwei ins Bett bringen und dann haben wir ein wenig Ruhe."

Etwas unbeholfen beginnt Micha Ivy zu füttern und kurz darauf ist nur noch das genüssliche Schmatzen der zwei zu hören. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie verkrampft Micha sitzt, ab und an höre ich ein leises Seufzen und ich bemerke, wie er sich immer wieder streckt. Er scheint Schmerzen zu haben und wenn ich so sehe, wie verdreht er sitzt ist es kein Wunder, dass er total verspannt ist.

Heute Abend meinen es Ivy und Noah anscheinend gut mit mir, zumindest schlafen beide ohne großes Theater ein. Leise schließe ich die Tür hinter mir und seufze dann erleichtert auf. „Möchtest du was trinken? Tee? Wasser? Ich glaube, Pippa hat auch noch irgendwo eine Flasche Cola versteckt, die ich dir anbieten könnte."

„Wasser reicht.", kommt es leise von ihm, während er mit der linken Hand umständlich seinen Nacken massiert.

„Lass mich mal schauen." Ich scheuche ihn ein Stück weiter die Bank hinein und bedeute ihm mir den Rücken zuzudrehen. „Wo tut es weh?" Vorsichtig taste ich die Muskeln ab, alles ist steinhart, er muss starke Schmerzen haben. Immer wieder zuckt er leise zischend zusammen, sagt aber kein Wort. „Du musst mir schon sagen, wo es wehtut, damit ich dir helfen kann.", brumme ich und stehe auf. „Kannst du dein Shirt ausziehen, dann komme ich besser ran.", bitte ich ihn und bemerke sein Zögern. „Ich will nur die Nackenpartie massieren, nicht mehr." Ich springe auf und hole aus dem Badezimmer das Arnikaöl, als ich wiederkomme sitzt Micha mit nacktem Oberkörper auf der Bank, ich sehe die Gänsehaut schon von weitem. „Soll ich das Feuer anmachen?", frage ich und deute auf dem kleinen Ofen.

Music my saviourWo Geschichten leben. Entdecke jetzt