Teil 29

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Ellie

Nervös drehe ich das Handy in meiner Hand hin und her, ein Anruf, ein kurzer Anruf und alles wäre geklärt. Aber irgendwie fühlt es sich falsch an, das am Telefon zu klären. „Pippa? Kannst du mal kommen?", rufe ich und lege Ivy mit einem leisen Seufzen in der Wiege ab.

„Hast du ihn angerufen?" Pippa klingt ziemlich aufgeregt und ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.

„Nein, habe ich nicht." Sie rollt mit den Augen und will schon etwas sagen, als ich sacht den Kopf schüttele. „Nein, nicht durchdrehen. Würdest du auf die Zwillinge aufpassen? Dann kann ich zu ihm gehen und das direkt mit ihm klären. Ich weiß, dass du eigentlich gesagt hast, dass du niemals den Babysitter machen würdest, aber mir wäre es lieb, wenn ich etwas Ruhe habe."

„Kann Louis herkommen?", will sie wissen und als ich nicke, schnappt sie sich ihr Handy und beginnt sofort eine Nachricht zu schreiben.

„Ich lass euch etwas Geld da, dann könnt ihr euch eine Pizza bestellen.", murmele ich, irgendwie geht mir das hier alles zu glatt und ich habe das Gefühl, dass meine 15-jährige Tochter mich über den Tisch gezogen hat.

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch mache ich mich auf den Weg zu seinem Haus, heute habe ich keinen Blick für die wunderschöne Landschaft, überall am Wegesrand wachsen Wildblumen, das Summen der Bienen und das Zirpen der Grillen begleiten mich. Kurz bevor ich mein Ziel erreiche, bleibe ich einen Moment stehen, atme die warme, sommerliche Luft ein und versuche mich zu beruhigen. Ich bin nicht gut darin um Entschuldigung zu bitten, das weiß ich, ich ziehe mich in solchen Momenten eher zurück, glänze durch Unsichtbarkeit und warte, bis Gras über die Sache gewachsen ist, aber dieses Mal wird mir das nicht weiterhelfen. Ich straffe die Schultern und gehe die lange Auffahrt entlang, hoffe ein bisschen, dass er nicht da ist, dass mir noch ein Aufschub gewährt wird, obwohl ich weiß, dass es das Unausweichliche nur nach hinten schieben würde. Beim Klang der Haustürklingel zucke ich unwillkürlich zusammen, schließe die Augen und zähle langsam. Als ich bei 20 angekommen bin, will ich mich schon umdrehen und gehen, da vernehme ich das leise Klacken der Schließanlage.

„Ellie..." Er klingt nur mäßig überrascht, fast so, als wenn er auf mich gewartet hätte.

„Hi!", meine Stimme klingt rau, ich muss mich räuspern, mein Blick flattert unsicher an ihm vorbei und bleibt an einem Punkt im Hausinnern hängen.

„Kann ich dir helfen?" Mit verschränkten Armen lehnt er im Türrahmen, ich werde aus seinem Gesichtsausdruck nicht schlau. Zu gerne möchte ich ein Lächeln erkennen, befürchte aber, dass mir mein Kopf etwas vorgaukelt.

„Ich... Ich... Ich wollte mich entschuldigen.", nuschele ich hastig und senke den Blick.

„Wie bitte? Ich habe dich leider nicht verstanden."

Ich seufze und muss mich bemühen, nicht mit den Augen zu rollen. „Ich wollte mich bei dir entschuldigen!", sage ich, dieses Mal mit so viel Nachdruck, wie ich nur aufbringen kann.

Ein spöttisches Lächeln umspielt seine Lippen und noch immer macht er keine Anstalten, mich ins Haus zu bitten. „Entschuldigen? So so. Wofür denn genau? Dass du mich einen kranken Stalker genannt hast? Oder dass du mir an den Kopf geworfen hast, dass ich dich bevormunden würde? Oder dafür, dass du mich angeschrien hast, weil ich dir helfen wollte?"

„Patrick bitte, mach es mir nicht so schwer." Flehend sehe ich ihn an, suche in seinem Blick nach Aufmunterung, Bestätigung, irgendeiner positiven Regung.

Seufzend tritt er etwas zur Seite. „Vielleicht willst du erst einmal reinkommen?"

Erleichtert nicke ich und schlüpfe an ihm vorbei in den kühlen Hausflur. Draußen ist es in den letzten Minuten deutlich schwüler geworden, drückend, am Himmel türmen sich dunkle Wolkenberge, ich habe das Gefühl, dass die Luft knistert. Ich stelle meine Schuhe auf der kleinen Matte ab und tapse auf nackten Füßen über die kühlen, weißen Fliesen. „Patrick, es tut mir leid! Wirklich! Ich habe überreagiert, ich hätte dir zuhören müssen, ich hätte nicht so vorschnell reagieren sollen. Ich... Ich... Es fällt mir einfach schwer Hilfe anzunehmen und das... Das Haus... Das ist zu viel! Viel zu viel, das hat mich einfach total überrumpelt. Ich bin immer noch der Meinung, dass dein Angebot völlig verhältnislos ist, aber... Ich habe keine andere Wahl und ich würde dich bitten, dass du uns doch einziehen lässt.", sprudelt es aus mir heraus. Erwartungsvoll und mit leichtem Bauchgrummeln sehe ich ihn an, was, wenn er jetzt nein sagt? Dann habe ich ein riesiges Problem.

Music my saviourWo Geschichten leben. Entdecke jetzt