Teil 55

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Ellie

Zaghaft klopfe ich an die Scheibe der Ladentür, trete nervös von einem Fuß auf den anderen. Viel zu kurz ist die Zeit, bis Ann-Kathrin auf der anderen Seite der Scheibe auftaucht. „Ellie, schön dich endlich wiederzusehen. Oder... Muss ich jetzt Elisabeth sagen, wir sind ja mittlerweile erwachsen." Lachend umarmt sie mich.

„Ellie ist in Ordnung, niemand nennt mich Elisabeth. Lass mich raten, Kiki ist bei dir mittlerweile nicht mehr angesagt?"

Kichernd schüttelt sie den Kopf. „Schon lange nicht mehr, die meisten nennen mich Anni, das ist okay. Also was führt dich her, am Telefon hast du dich ziemlich kryptisch angehört. Komm doch rein." Mit einer einladenden Handbewegung lotst sie mich in den Frisörsalon. „Möchtest du einen Kaffee? Ein Wasser?"

„Ein Kaffee wäre toll.", murmele ich und nehme auf einem der Stühle Platz. „Was mich herführt... Ich hoffe, dass du mir helfen kannst, wenn es zu viel verlangt ist, dann sag das bitte, dann muss ich nach einer anderen Lösung suchen."

„Nun bin ich wirklich neugierig, kleinen Moment, ich hole uns einen Kaffee und dann raus mit der Sprache." Anni verschwindet in einem kleinen Nebenraum und ich sehe mich mit mulmigem Gefühl um. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal beim Frisör gewesen bin, es ist Jahre her, Pippa war damals noch klein. „Also erzähl, was führt dich her? Wir haben uns ja ewig nicht mehr gesehen, wie lange ist es her? Zehn Jahre bestimmt, oder?"

„Ja, ich glaube schon.", murmele ich. Es fühlt sich total falsch an, Annis Zeit in Anspruch zu nehmen, eine wahre Schnapsidee. Ja, früher während der Schulzeit waren wir Freundinnen, aber wie es dann im Leben so ist, man verliert sich aus den Augen. „Ich... Also... Ich will die hier loswerden.", sage ich und deute auf meine Dreadlocks.

„Oh, darf ich mal sehen?" Anni beäugt meine Haare kritisch, lässt die einzelnen Strähnen durch ihre Finger gleiten, brummt etwas, seufzt leise und ich befürchte schon das Schlimmste. „Ich hoffe, du hast Zeit mitgebracht und ich hoffe, dass es okay ist, wenn die Haare danach nicht mehr ganz so lang sind, alles werde ich nicht retten können."

Erleichtert atme ich auf, das ist mehr als ich erhofft hatte, habe ich doch damit gerechnet, dass sie abrasiert werden müssen.

„Zeit ist kein Problem. Was... Kostet mich der Spaß denn?", spreche ich direkt den nächsten Zitterpunkt an.

Lässig winkt Anni ab. „Wenn du mir die Kosten für Shampoo und Spülung bezahlst und mich auf den neuesten Stand vom Dorfklatscht bringst reichst mir das."

Dankbar sehe ich sie an. „Du rettest mich, weißt du das."

„Darin bin ich doch schon geübt, erinnerst du dich an deinen Versuch dir die Haare blond zu färben?" Wir müssen beide lauthals lachen, der Versuch ist damals sowas von in die Hose gegangen und am Ende stand ich weinend mit grünen Haaren bei Anni und habe um Hilfe gebettelt.

„Erinnere mich bloß nicht daran, das war mir eine Lehre so etwas nie wieder alleine zu Hause zu tun. Was meinst du, wie lange brauchst du heute?"

Bedächtig wiegt Anni den Kopf hin und her, inspiziert meinen Kopf ein weiteres Mal. „Mit sieben bis acht Stunden würde ich schon rechnen, wenn alles glatt geht. Ich würde erst etwas von der Länge abnehmen, dann die Dreads einweichen und dann mit dem Auskämmen beginnen."

„Okay, dann gebe ich schnell zuhause Bescheid, damit man sich keine Sorgen macht." Seit Neuestem übernimmt Pippa sehr bereitwillig Babysitterdienste bei den Zwillingen und ich nehme es sehr dankbar an. Schnell schreibe ich ihr eine Nachricht und sage, dass sie im Notfall einfach vorbeikommen soll, das Gute am Dorfleben, dass alles fußläufig erreichbar ist.

Music my saviourWo Geschichten leben. Entdecke jetzt