Schwebezustand

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Kapitel 39

Elija

Der Tag strich dahin ohne, dass sich irgendwie etwas Neues ergab und plagte Elija dennoch bis tief in den Abend. Er war nie der einfühlsamste Mensch gewesen und dieses kurze, aber irgendwie zu intime Gespräch mit Melody hatte ihn dennoch aufgewühlt. Ihn instabil gemacht, sodass er glaubte, sein Gleichgewicht zu verlieren. Das Noir in diesen Gefühlszustand ebenfalls so anders zu sehen, nämlich Menschenleer, machte es nicht besser. Alleine irgendwo herumzusitzen ohne Ablenkung, machte ihn verletzlich und Elija hasste es, dermaßen angreifbar zu sein. Genau deswegen hätte er Melody nie so nahe an sich heranlassen dürfen, wurde ihm klar, während er hier auf der Couch saß, zusah wie Melody in Büro, die Angestellten abtelefonierte, ihnen bezahlten Urlaub zugestand und immer wieder die Frage auswich, wie lange das Noir geschlossen blieb.

Sie machte das gut, obwohl sie sich am Anfang darüber beschwert hatte, dass er einfach nur dasaß und sie anstarrte. Irgendwann aber hatte sie ihn ausgeblendet.

Und Elija war alleine mit seinen Gedanken.

Es war ein Fehler gewesen der Versuchung nachzugeben. Melody nachzugeben. Das hatte er von Anfang an gewusst, aber er hatte auch nicht vor, irgendetwas davon wieder rückgängig zu machen. Das war auch nicht möglich.

Alles, was er konnte, war Schadensbegrenzung zu betreiben und das beinhaltete, diese Schwebe aufzulösen, in der sie sich befanden. Diese Schwebe namens: Beziehung.

Melody würde es vielleicht nicht so sehen, aber er fand sie waren in einer. Sie war zu nahe, um sie wieder gehen zu lassen, aber noch zu weit weg um sie nicht als zusätzliche Angriffsfläche zu betrachten. Und das würde sie sein, als seine „Freundin" würde sie immer noch nicht zur Familie gehören. Ihr Großvater wusste von ihr und wie viel sie ihm bedeutete. Das machte ihm tatsächlich angst. Melody war so ein Freigeist, dass sie sich ein weiteres Mal entführen lassen würde, um ihm das leben zu erleichtern, ihn zu beschützen oder irgendetwas anderes schwachsinniges.

Er fluchte innerlich.

Verfluchte Emanzipation!

Frauen sollten nicht der Auffassung sein, dass sie Männer beschützen müssten. Sie sollten auch nicht alleine Wohnen dürfen. In jeder Sekunde ihres Lebens könnten Melody tausende schlimme Sachen passieren und er durfte ihr weder befehlen zu Hause zu bleiben noch sie irgendwo anbinden. Wie hielten die Männer, die jahrelang in einer Beziehung waren, das aus? Wie überlebten sie es, sich ständig Sorgen zu machen?

Elija besah sich Melodys kleine Gestalt, ihre zarten Handgelenke und ihren schlanken Hals. Wie einfach es wäre, sie zu verletzen...

„Okay was ist los?", fragte Melody ihn plötzlich und sah ihn seit gefühlten Stunden einmal wieder an.

„Was soll los sein?", fragte er und hörte mit genau diesen Worten selbst, wie angepisst er klang. Sein Kiefer schmerzte, weil er die Zähne aufeinander gepresst hallte und als er versuchte sich zu entspannen, knackten auch seine Fingerknöchel. Er hatte beide Hände zu Fäusten geballt und es nicht einmal bemerkt.

„Du bist sauer und starrst mich an, als hätte ich mal wieder irgendwas angestellt. Also? Sagst du es mir oder muss ich es dir aus der Nase ziehen?" fragte sie frech. Frech war sie immer aber gerade jetzt verfluchte er sie deswegen und er wusste auch, dass sie gleich noch viel frecher sein würde, aber sie wollte diese Ehrlichkeit, ja. Beziehung und so. Auf Augenhöhe, mitsamt diesen 'wir teilen unser Leid Schwachsinn', mit dem er sich wohl nie anfreunden würde.

„Ich verfluche gerade die Emanzipation, die es mir verbietet, dir Vorschriften zu machen. Und ich verfluche die Männer aus den letzten Jahrhunderten, die den Frauen das Gefühl gegeben haben, das wäre die einzige Lösung. Anständig behandelt zu werden." Er hatte fast damit gerechnet, dass sie sofort zu zetern beginnen würde, aber zu seinem erstaunen grinste sie nur und lehnte sich in ihrem Bürostuhl zurück, während sie die Arme unter ihren Brüsten verschränkte.

Dieses Kleid sollte man ihr auch verbieten. Es offenbarte viel zu viele ihrer wirklich herrlichen Kurven, die sie so stolz mit sich herumtrug, obwohl es wohl nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprach. Aber er könnte schwören nie eine sinnlichere Frau gesehen zu haben. Wann hatte dieser Abmagerungsdrang eigentlich angefangen? Wann hatten Frauen das Gefühl bekommen, nicht mehr schön zu sein, wenn sie ein paar Kilo zu viel wogen? Obwohl Elija schon die Bezeichnung zu viel" sauer aufstöhnen ließ. Da war gar nichts 'Zuviel' an Melody und das fand sie wohl auch, denn sie fühlte sich sichtbar wohl in ihrem kleinen, kurvigen Körper, der sich unter seinen Fingen einfach nur toll angefühlt hatte.

„Ich weiß nicht, worauf du genau hinauswillst, aber du klingst ein wenig wie meine Mutter, als ich volljährig wurde und sie meinte, dass sie mir ab jetzt keine Vorschriften mehr machen dürfte obwohl sie es tun wollte, um mich weiter zu beschützen. Deswegen tippe ich darauf, dass dein gerade aufkommender Hass auf die Gleichstellung, nur ein verschrobener Ausdruck von Sorge ist. Das könnte ich jetzt süß finden, aber es besorgt mich selbst eher." Elija dachte über ihren Vergleich nach und kam zu dem Schluss, dass es wohl ganz gut passte.

„Dass du dir Sorgen machst, ist genau das Problem. Du würdest dich glatt nochmal entführen lassen, weil du glaubst, mir helfen zu können oder zu müssen. Das bringt allerdings nur dich selbst in Gefahr. Ich überlege wie ich das verhindern kann."

„Wie wäre es damit, mich mit vernünftigen Argumenten zu überzeugen?"

„Du lässt dich von einem Typen ins Auto komplementieren, im vollen Bewusstsein, dass du dir damit selbst schadest, um mich vor irgendetwas zu bewahren. Das sollte für sich schon ein logisches Argument sein, so etwas bleibenzulassen, aber du hast es dennoch getan. Mit Logik komm ich also nicht weiter." Sie drehte sich auf ihrem Betstuhl einmal um die eigene Achse und schürzte die Lippen.

„Und deine nächste Schlussfolgerung wäre, die Emanzipation daran die Schuld zu geben? Ist ein bisschen weit hergeholt. Aber der Kern der Sache ist, dass du dir Sorgen machst. Etwas was du mir verbieten willst."

„Genau so ist es, doch du siehst das als unfair an. Du denkst, du darfst dir Sorgen machen, weil ich es tue und diese Flausen kommen von dieser elendigen Gleichberechtigung. Vor zweihundert Jahren, hätte ich dich einfach geheiratet und dir befohlen im Haus zu bleiben, weil du dann im wahrsten Sinne des Wortes mir gehört hättest, jetzt mache ich mir nicht nur Sorgen über meinen Großvater und einen mörderischen Bruder, sondern auch über meine eigensinnige Frau"

„Wow. Komm mal runter, Cowboy!", meinte sie und sah gerade so schockiert aus, dass es Elija fast wieder wütend machte, denn er wusste leider ziemlich gut, was genau sie so schockierte.

„Heiraten? Wir haben eine Nacht zusammen verbracht, du überspringst da gerade ein paar Schritte. Und zwar große Schritte!" Er presste die Lippen zusammen, weil er genau das befürchtet hatte. Eine halbe Sache. Zu weit weg um sie zu beschützen, zu nahe dran um keine Zielscheibe zu sein. Ein Schwebezustand, den er beenden musste.

Beta: noch nicht

Beta: noch nicht

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Hurt me deep, Darling - Seven SinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt