Fahrstuhlbegegnung

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Kapitel 12

Melody

Damit er dich hassen kann.

Sie schlug die Augen auf und war für einen Moment orientierungslos, bis sie merkte, wo sie sich befand und, dass es richtig war, dass sie nicht in ihrem eigenen Bett lag. Die Wohnung im ersten Höllenkreis des Noir war sauber, sehr edel möbliert und enthielt jeden Luxus, denn man sich vorstellen konnte, aber etwas fehlte. Es war nicht wirklich ihr Zuhause. Ihr fehlten ihre Pflanzen, selbst die halb toten, ihr organisiertes Chaos, das Rumpeln ihrer altersschwachen Waschmaschine und die Eiscreme im Kühlschrank. Ansonsten könnte sie sich sicherlich vermutlich daran gewöhnen.

Alleine der Gedanke, dass Elija in der Nähe war, ließ sie freudig seufzen, obwohl es ihr noch im selben Moment albern vorkam. Sie war doch kein Schulmädchen mehr! Sie stand nicht hinter einer Tür und ließ sich von dem Gefühl treiben, dass der Mann, den sie liebte, sich nicht mal eine Armlänge von ihr entfernt befand. Normalerweise. Gestern hatte sie es getan.

Verwirrt und überfordert von ihrer eigenen Verwegenheit und stolz darauf, es geschafft zu haben, Elija quasi zu betäuben, grinste sie in sich hinein. Ihn zu berühren, ihre Hand in seinen Nacken zu legen ... Gott. Melody sank zurück in die Kissen und widerstand dem Drang vor Sehnsucht zu zerfließen.

Damit er dich hassen kann.

Das war alles, was sie verstanden hatte und anstatt dadurch verletzt zu sein, las sie deutlich eine andere Botschaft zwischen den Zeilen: Weil er sie noch nicht hasste. Er hasste sie nicht, wollte es aber. Er wollte sie loswerden, die Anziehung zwischen ihnen totschweigen. Sie ignorieren und abschütteln. Doch das würde sie nicht zulassen! Sie musste ihn konfrontieren, in seiner Nähe sein, ihn berühren. Diese Mauern einreißen, die er aufgebaut hatte und die Schale zerbrechen, die sein Herz umschloss. Sie würde nicht mehr dulden, dass er es vor ihr verbarg. Es gehörte ihr. Sie wusste es, sie spürte es und sie würde ihre Eigentumsrechte geltend machen!

Wenn es Nähe brauchte, um ihn dazu zu bringen, würde sie diese Suchen. Auch wenn es nicht ihre Art war, sich so forsch zu verhalten, war sie sich weder zu schade dafür noch zu feige. Sie würde es machen und als Melodys Blick auf das Kleid fiel, was sie gestern Nacht so belanglos über einen Sessel in der Ecke gelegt hatte, wusste sie auch schon wie.

Dieses Kleid hatte sie getragen, als sie vor zwei Jahren bei Elija vorgetanzt hatte und damals hatte er ihr verboten je wieder auf der Bühne zu stehen, dabei liebte sie es sich im Rhythmus der Musik zu bewegen. Sie fühlte sich dadurch lebendig. Was wollte er tun, wenn sie gegen diese Regel verstieß? Sie von der Bühne zerren? Ihr den Hintern versohlen? Melody grinste breiter. Das alles würde er müssen, wenn er sie nicht nur von dort oben herunterbekommen, sondern auch dafür sorgen wollte, dass sie auch langfristig von der Bühne fernblieb. Entweder er holte sie herunter oder er würde zusehen müssen, egal welche Alternative er wählte: Er würde sich der Tatsache stellen müssen, dass er sie wollte.

Als Melody gerade dabei war einen Plan zu schmieden, vibrierte ihr Telefon und sie stöhnte beim Blick auf den Namen des eingehenden Anrufes.

"Bitte, sag mir, dass du das alleine hinbekommst", flehte sie ohne Begrüßung und ohne Umschweife antwortete ihr Lyssa.

"Ähm, ich denke nicht. Das musst du dir unbedingt ansehen. Persönlich", sagte sie und klang dabei ganz aufgeregt und das nicht auf die gute Art und Weise. Melody suchte mit ihrem Blick eine Digitaluhr und stellte fest, dass es halb sieben morgens war. Warum war Lyssa noch im Club, sie hatte doch nie Tagesschichten? Und was sollte um diese Uhrzeit schon passiert sein, was sie sich dringend ansehen sollte?

Obwohl das Noir vierundzwanzig Stunden geöffnet hatte, war tagsüber so gut wie nichts los. Lediglich die Hardcore Kunden spielten um diese Uhrzeit noch aktiv. Die meisten schliefen ihren Rausch aus oder waren arbeiten. Die wenigsten dieser gutverdienenden Kunden im Noir hatten so etwas wie ein Wochenende. Wie es aussah blieb auch Melody kein Samstag, um mit Elija Spiele zu spielen. Ihr Job war allgegenwärtig und die Tatsache, dass sie hier schlief, war auf einen Schlag von einer Provokation für Elija, zu einer wirklich praktischen Angelegenheit geworden. Wenn sie hier ernsthaft einzog, könnte sie sich auch mal zwischendurch Zurückziehen, wenn es ihr zu viel wurde und schnell vor Ort sein, wenn es sein musste.

Hurt me deep, Darling - Seven SinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt