letzter Ausweg

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Kapitel 1

Zwei Jahre zuvor

Melody

Melody Barkley kontrollierte ihren Lidstrich sicherlich zum Hundertsten Mal bevor sie den Spiegel zusammen klappte und dann endlich aus dem Taxi stieg, den Fahrer einige Scheine in die Hand drückte und dann den ersten Fuß auf die Straße setzte.

Sie wackelte nur kurz, denn sie mochte wenig Erfahrung mit Fünfzehnzentimeter-High Heels haben, aber sie hatte geübt. Nie überließ sie irgendetwas dem Zufall, dafür waren ihre Mittel zu begrenzt und ihr Wille, es zu schaffen, zu stark. Also würde das hier der perfekte Auftritt werden. Alles andere war inakzeptabel, sie durfte nicht versagen.

Die Fahrt hier herhatte ihre letzten Ersparnisse aufgefressen. Sie brauchte diesen Job und sie würde ihn bekommen. Selbstzweifel konnte sie sich nicht leisten, also atmete sie durch und strich ihr Kleid noch einmal glatt, was ebenfalls ein Grund für ihre momentane finanzielle Lage war und setzte einen weiteren Fuß in die Richtung des Einganges.

Sie konnte sich nicht daran erinnern jemals so ein teures Kleidungsstück besessen zu haben, aber es war eine Investition, die sich auszahlen würde – musste! Sie musste sich auszahlen! Ansonsten wäre sie in weniger als einer Woche Obdachlos, es sei den sie würde ihren dreckigen Vermieter den „Schwanz lutschen"- Seine Worte nicht ihre. Aber eher würde sie in einem verdammten Karton schlafen, als sich diesem Widerling auch nur auf zwei Meter zu nähern.

Aber wenn alles so lief, wie sie es plante und diesen Job bekam, würde das bald vorbei sein. Sie könnte sich eine bessere Wohnung beschaffen, die Krankenhausrechnungen bezahlen und vielleicht etwas sparen. Das war ihr Ziel und dafür würde sie jetzt in diesen verdammten Club gehen, die gerade eine Tänzerin suchten und alle davon überzeugen, dass sie genau die richtige für diesen Job war.

Tanzen war ein guter Job, es war ein Job, mit dem sie leben konnte und ihre Ballettstunden in der Kindheit würden ihr dabei sicherlich helfen können, auch wenn das sicher nicht diese Art von Tanz war, den man von ihr erwarten würde. Sie hatte noch nie auf einer Bühne gestanden und spürte bereits jetzt wie sich ihr Magen ängstlich zusammen zog bei der Vorstellung jeden Abend auf einem Podest zu stehen und sich angaffen lassen zu müssen. Doch es war besser als ihre alternativen.

Melody hatte eine gute Kindheit gehabt. Ihre Mutter hatte als Krankenschwester relativ gut verdient und ihr auch als alleinerziehende ein sicheres Zuhause gewährt. Sie hatte Ballettunterricht bekommen als sie es gewollt hatte und dann auch Musikunterricht als sie darum bat. Doch das alles war noch vor ihrem zehnten Lebensjahr beendet gewesen, als ihre Mutter immer mehr Geld für die Arztrechnungen hatte ausgeben müssen, um überhaupt am Leben zu bleiben. Der Krebs war langsam verlaufen, ihre Mutter hatte eine unfassbare Willenskraft aufgebracht, um zumindest, solange durchzuhalten bis Melody volljährig geworden war. Dann war einfach alles den Bach heruntergegangen. Die teuersten Therapien hatten das unvermeidliche nicht mehr hinausgezögert können und obwohl ihre Mutter geweint hatte, als Melody ihr Collage-Konto auflöste, um ihrer Mutter noch weitere sechs Monate Schmerzfreiheit zu schenken, bereute sie nichts davon. Damals und auch heute nicht, dennoch waren die Auswirkungen härter gewesen als sie sich ausgemalt hatte.

Das böse erwachen kam erst nach der Beerdigung ihrer Mutter. Die Kosten für die Beerdigung und die übrig gebliebenen Schulden erbte Melody und fraßen auch noch ihre letzten Ersparnisse auf, bis sie ihren Traum vom Collage begraben konnte. Das Haus war weg, genauso wie der Wagen ihrer Mutter und alles andere an Besitz, den sie hinterlassen hatte. Melody mietete sich ein Zimmer, ging kellnern und versuchte dem Schuldenberg Herr zu werden, aber die Zinsen auf ihre Rückstände machten es ihr unmöglich auch nur irgendetwas abzubezahlen und langsam wurden alle ungeduldig.

Melody brauchte einen besseren Job, einen in dem sie mehr verdiente als in einem kleinen Bistro als Servicehilfe und das hier war eine Chance. Die einzige die sich seit dem Todestag ihrer Mutter aufgetan hatte und vor allem eine Chance in dem sie ihre Würde behalten konnte. Beim Gespräch mit der Managerin des Abendclubs Noir, hatte sie zweimal gefragt, ob sie sich wirklich nicht würde ausziehen müssen, wenn sie es nicht wollte und zweimal hatte die Frau ihr versichert, dass dieses Etablissement kein Stripclub war, sondern ein Ort wo sich hoch angesehene Männer und Frauen, in einer angenehmen Atmosphäre, trafen um Spaß zu haben. Es war Melody klar, dass es bei diesen "Spaß" um Sex handelte aber sie vertraute dennoch drauf, das dieser laden nur halb so geschmackvoll war, wie man es ihr berichtet hatte.

Als Melody den Eingang passierte und einem der Türsteher freundlich anlächelte aber, wurde ihr dann doch etwas flau im Magen. Sein Blick glitt geringschätzig über ihr Kleid und ihr ungeschminktes Gesicht, dass regungslos blieb selbst als sie sagte, dass sie heute ein Vortanzen hatte. Dann deutete er mit einer Kopfbeugung neben sich.

"Hintereingang, hier vorne kommen nur Gäste rein, keine Angestellten", sagte er etwas unfreundlich, dennoch bedankte sich Melody etwas zähneknirschend und ging einmal um das Gebäude herum. Sie musste Zugeben das der hintere Eingang nicht halb so gruselig und angsteinflößend war wie der des Lokals, in dem sie bis jetzt gearbeitet hatte. Es war voll beleuchtet, die Tonnen, ordentlich verschlossen, damit der üble Geruch darin blieb und der Boden war sauber. An dem offen stehenden Eingang, parkte ein Lieferwagen und zwei Männer trugen Getränke Kisten hinein, während eine ältere Frau das ganze mit einem Klemmbrett in der Hand überwachte und nebenbei eine Zigarette rauchte.

"Hi, ich bin Melody, ich habe heute ein Vortanzen, an wen kann ich mich wenden?", fragte sie die Frau, die sie sofort von Kopf bis Fuß musterte und dann das Gesicht verzog.

"Süße Unschuld vom Land, brauchen wir nicht", meinte sie nur, starrte wieder auf ihr Klemmbrett. Melody blinzelte verwirrt. Wie bitte? Meinte die alte Schachtel das ernst? Was genau gab es an ihrem Äußeren auszusetzen? Melody wusste, dass sie ohne Make-up etwas jung aussah und das ihr herzförmiges Gesicht und ihre großen Augen sie unschuldig wirken ließen, aber ihr Kleid war alles andere als züchtig und ihr Körper war der einer richtigen Frau! Sie hatte lange Beine, einen runden Hintern und ein stolzes C-Körbchen, das vielleicht sogar etwas zu voll war für ihre schlanke Figur. Sie sah heiß aus! Nicht billig heiß, sondern elegant heiß und sie dachte das dieser Club das zu schätzen wüsste, nachdem ihr zweimal am Telefon gesagt wurde, sie solle sich etwas "Geschmackvolles" anziehen.

"Ich weiß, deswegen bin ich ja auch hier. Also, wo muss ich mich melden?" fragte Melody und würde sich von dieser Frau ganz sicher nicht abwimmeln lassen. Diese hob den Blick und besaß sich Melody noch einmal. Sie stöhnte nur genervt und zeigte dann mit der glühenden Kippe Richtung Eingang

"Einmal gerade durch, stell dich zu den anderen Mädchen und wenn du einen Rat von mir willst: leg etwas Lidschatten auf damit du älter aussiehst. Den Lolita-Style kann der Boss gar nicht leiden! Und rothaarige auch nicht, wenn ich genauer darüber nachdenke", meinte sie nur und Melody lächelte nur süß und absolut unbeeindruckt von ihren Worten.

Es war egal auf was der Boss leiden konnte und was nicht, sie tanzte wahrscheinlich besser als all die anderen Mädchen zusammen und das würde ihr diesen Job garantieren! Einen anderen Ausgang konnte sie sich einfach nicht leisten.  

Beta: Geany

18 Uhr kommt dann noch der Prolog von Elija, dann habt ihr den perfekten Einstieg in die Geschichte. ^^

Hurt me deep, Darling - Seven SinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt