Machtspiele

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Kapitel 22

Melody

Ihre Fingerkuppen schmerzten bereits, als sie ihre Nägel tiefer in Elijas harten Oberschenkel bohrte. Es war nicht so, als wäre Elija ein Hitzkopf und er bräuchte ihre Ermahnung, aber in diesem Moment konnte es sicher nicht schaden, wenn er daran erinnert wurde, dass er sich unbedingt zusammenreißen musste. Nicht nur um seiner Willen, sondern auch für Melody. Sie war froh diesem Konflikt nicht mehr alleine ausgesetzt zu sein, doch umso brummiger Elija wurde, was sie noch nie zuvor bei ihm erlebt hatte, umso mehr baute sich die Spannung in diesem Restaurant weiter auf und ihr Bauchgefühl sagte ihr deutlich, dass das keine gute Idee war.

Sie hatte die Worte zwischen Elija und seinem Großvater in sich aufgenommen wie ein trockener Schwamm und war zu dem Schluss gekommen, dass das hier ein Test war. Ein Test mit zwei Ebenen.

Sie mochte vielleicht nicht viel von den Praktiken der Mafia wissen, aber sie arbeitete lange genug im Noir, um Machtspiele zu erkennen, wenn sie sie sah. Das hier war eines. Elijas Großvater beobachteten jede von Elijas Regungen und das sicherlich nicht wegen dem Noir. Nein, es ging um Elija. Ein Mann in Alter von Elijas Großvater machte sich doch nur noch um zwei Dinge sorgen: um das, was er im Leben bereute und das, was er hinterlassen würde, wenn es einmal so weit war zu gehen.

Wenn es tatsächlich so viele Todesfälle in der Familie gab, war jeder Verwandte und potenzieller Nachkomme und Erbe kostbar. Besonders der Älteste und das schien momentan Elija zu sein, was vor allem seinen Onkeln wohl wenig zu gefallen schien.

Melody versuchte irgendetwas in Elijas Gesicht sehen zu können, doch wie immer schien er kalt wie Eis zu sein und es war unmöglich abzuschätzen, was er dachte, oder ob er die Situation tatsächlich so locker nahm wie es den Anschein machte. Melody gab es nicht gerne zu, aber es war schwer diesen Mann zu lesen, obwohl sie schwören könnte, es besser zu beherrschen als jeder andere im Noir. Elija hatte eine wirklich meisterliche Maske.

Erst als sich die Muskeln unter ihren Fingern entspannten, etwas nachgiebiger unter ihrem harten Griff wurden, fiel ihr tatsächlich auf, wie aufgebracht Elija bis gerade gewesen war. Also war es doch gut gewesen, dass sie ihn sicherheitshalber zurückgehalten hatte. Denn wenn Melody sich nicht irrte, lag die Hand eines seiner Onkel, der mit dem Namen Nikolaus, auf einer Waffe.

Er war Mischas Vater und wollte mit Sicherheit seinen noch verbliebenen Sohn als Nachfolger sehen. Elijas Großvater wirkte definitiv so, als hätte er etwas zu vererben. Elija war also eine Gefahr und Nikolaus war bereit diese zu beseitigen wenn ... ja, wenn was?

Unauffällig sah Melody sich weiter um und ihr kam wieder der Polizei-Spitzel in den Sinn. Elijas Vater hatte ihr gesagt, dass er einen Sündenbock brauchte und hatte seinen Enkel dazu angestachelt auf ihn loszugehen. Sein Großvater wollte Elija damit testen. Aber was genau gedachte er damit herauszubekommen? Ob Elija zu einem kaltblütigen Mord fähig war? Er Potenzial hatte? Alleine bei dem Gedanken, wurde ihr flau im Magen.

„Ich tue es Großvater! Du weißt, dass ich es tun werde. Schließlich hab ich auch die Drogen in diesen Sex-Club gebracht, ohne dass es wer mitbekommen hat!" mischte sich Mischa ein, erhob sich und kurz sah er Melody an. Bemerkte er ihre Musterung der Situation? Nein, sein Blick blieb an ihrem Ausschnitt hängen, solange, bis auch Elija es bemerkte. Dieses Kleid war ehrlich die beste Tarnung überhaupt, beschied sie freudig. Eine Ablenkung, die dafür sorgte, dass sie gleichzeitig wahrgenommen wurde und doch wieder nicht. Sie musste es definitiv öfter tragen! Melody hatte schon immer ihren Spaß daran gehabt unterschätzt zu werden.

Aber damit hätte sich die Frage von gerade eben wohl geklärt: Ja. Es war ein Test. Elijas Großvater wollte herausfinden aus welchem Holz sein Enkel geschnitzt war. Wollte, dass er auf diesen Spitzel, der sie entführt hatte, losging um sich und auch Elija selbst zu beweisen, dass er hierher gehörte. In die Mafia. Und wenn Elija das tat, diesen Test drohte zu bestehen, würde Nikolaus eingreifen und ihn wahrscheinlich kaltblütig erschießen.

Doch von diesem Plan wussten wohl weder Elijas Großvater noch sein Sohn Mischa etwas, sonst würde dieser nicht so sehr darauf bestehen den Polizisten zu erledigen. Wie es aussah, war Mischas Test die Drogen im Noir gewesen.

Dieser Wichser! Melody musste stark darum kämpfen, nicht selbst auf ihn loszugehen. Das Noir war ihr Zuhause. Ihr Job und ihre Leidenschaft! Sie würde nicht zulassen, dass ein kleiner Wichtigtuer es dafür missbrauchte seinen Wert unter Beweis zu stellen. Allerdings: Wenn Elija durch diesen Test durchfiel und Mischa sich bewies: Dann waren sie und Elija aus dem Schneider, also war es gut, dass er ...

„Ach hast du das? Ja, das war sehr unauffällig", erwiderte Elija spöttisch und fast hätte Melody ihm einen Oskar für seine Darstellung gegeben. Schließlich hatte er eigentlich keine Ahnung von den Drogen und musste jetzt regelrecht geschockt sein. Das war er auch. Melody merkte es aber nur, weil ihre Hand immer noch auf seinem Bein lag und sie das Zucken darin gespürt hatte. Sonst war er kalt – wie immer.

„Pah! Als hättest du bis gerade davon gewusst! Wo sind sie denn, wenn du so schlau bist?"

„Ich wusste von ihnen, aber für die Details habe ich meine Leute. Melody?", sprach Elija sie plötzlich an und innerlich Fluchte sie hart. Er sollte diesen Test nicht bestehen und schon gar nicht Mischas Erfolg zunichtemachen, aber wie könnte sie ihm in den Rücken fallen? Elija sah sie an. Lange. Nicht so lange, dass es auffiel, aber lange genug, um die Fragen darin zu erkennen, die er an sie hatte und das waren eine Menge.

„Sie kommen mit den Hygieneartikeln für die Reinigungsfirma. Die Unstimmigkeiten zwischen Bestellung und Verbrauch waren nicht gerade unauffällig. Es flog bereits nach der zweiten Bestellung auf." Das erste war die Wahrheit, das Letzte gelogen. Es war ihr erst vor kurzen aufgefallen, aber plötzlich ergab das alles Sinn. Sie hatte erst gedacht, dass Noir würde ein Umschlagplatz sein, aber wohin sollte es dann gehen? Es kam nur rein und wurde von derselben Firma wieder abgeholt. Jeder leerstehende Lagerraum wäre unauffälliger. Nein, man hatte das Noir nur dazu missbraucht, weil Mischa etwas beweisen wollte.

War es nun gut oder schlecht, dass Elija seinen Erfolg in den Dreck zog und sie ihn auch noch dabei unterstützte? Auch ihr gefiel es nicht, Mischa gewinnen zu sehen, aber was war dann mit seinem Vater Nikolaus? Würde er diese Waffe tatsächlich dazu benutzen oder war es nur Gewohnheit? Interpretierte sie da alles falsch?

„Ach wirklich? Du miese Bitch! Und warum habt ihr es dann weiterlaufen lassen?" fauchte er und seine etwas speckigen Wangen bekamen rote Flecken. Melody würde Lügen, wenn sie sagen würde, dass sie Angst vor ihm hatte. Mischa kam ihr vor wie ein trampelndes Kind, nicht wie ein zukünftiger Mafia-Boss. Abgesehen davon machte Elijas Nähe sie mutiger, weil sie sich bei ihm sicher fühlte. Normalerweise sah sie das positiv, aber hier könnte sie dieses Gefühl in falscher Sicherheit wiegen und deswegen rutschte sie etwas näher an Elija heran, bis ihre Oberschenkel gegen seinen drückten. Zum einen, weil sie ihm nahe sein wollte, zum anderen, um die Männer um sie herum glauben zu lassen, sie sei keine Bedrohung, nur ein hübsches Anhängsel.

Als Elija seine eigene Hand auf ihre Legte wurde sie in diesem Schauspiel bestärkt. Er schien es auch für eine gute Idee zu halten. Und Gott ... seine Finger fühlten sich toll an, ließen sie kurz weich werden und die Situation vergessen, in der sie sich befanden. Bis sie sich wieder dazu zwang sich auf ihre Umgebung zu konzentrieren.

„Weil wir nicht so schlampig arbeiten. Warum es aufhalten, wenn ich auch einfach warten kann, bis sich der Hintermann in Sicherheit wiegt und den Fehler macht, sich erkennen zu geben? Ich ziehe es vor Unkraut an der Wurzel herauszuziehen und nicht nur über der Erde abzuschneiden und darauf zu warten, dass es nachwächst." gab Elija trocken zur Antwort und Mischa sah Hilfe suchend zu seinem Vater. Dieser bewegte sich, was auch die Aufmerksamkeit von Elijas Großvater auf sich zog und Melody nutzt die Chance Elija etwas zuzuflüstern.

„Waffe. Linke Hand", sagte sie und Elijas Augen zuckten kurz zu ihr, dann wieder zu seinem Onkel. Dann lächelte er, als würde er sich nicht in einer Zwickmühle befinden, sondern alles genau so laufen wie er es wollte. Und das bereitete Melody größere Sorgen als die Waffe unter dem Tisch. Tat es das? Lief es für Elija genau nach Plan? War er der Mann, für den sein Großvater ihn hielt?

Beta: Geany

Hurt me deep, Darling - Seven SinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt