Anmaßendes Verhalten

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Kapitel 26

Melody

Sie schaffte es nicht einmal sich dieses Kleid auszuziehen, bevor sie auf ihr Bett fiel und eingeschlafen war, noch bevor ihr Kopf das Kissen berührt hatte. Aber der erholsame Schlaf blieb aus, weil ihr eigentlich so erschöpftes Gehirn einfach nicht damit aufhören wollte über das, was die letzten Stunden geschehen war, nachzudenken. Es war nicht wirklich überraschend zu erfahren, dass Elija eine dunkle Vergangenheit hatte. Wie dunkel aber tatsächlich, hatte sie sich nicht einmal vorstellen können.

Die Mafia. Die gottverdammte Mafia.

Am liebsten hätte sie gesagt, dass es sie schockierte. Sie an dem Realismus der ganzen Sachen zweifeln würde, so wie jeder das tat, der in einem normal, bürgerlichen Haushalt aufgewachsen war. Menschen, die Kriminalität nur aus den Nachrichten, aus Spielfilmen und Büchern kannten. Aber Melody hatte diese normale Welt bereits vor zwei Jahren verlassen und hatte geglaubt damit nahe genug an den Perversionen der Menschheit dran zu sein, um zu verstehen, wie abgründig die Welt war.

Sie hatte sich geirrt. Manche der Männer im Noir verdienten ihr üppiges Gehalt nur halblegal, aber sie hatte nie zuvor tatsächlich angst gehabt, oder sich wirklich darüber Gedanken gemacht, was diese nicht legale Geschäfte waren. Nun aber konnte sie nicht anders. Bilder von Schutzgelderpressung, Prostitution und Menschenhandel kamen ihr in den Sinn und sie erschauderte bei der Vorstellung, dass sie mit einem Mann an einem Tisch gesessen hatte, der das alles nicht nur hinnahm, sondern aktiv unterstützte.

Und dieser Mann war der Großvater von Elija. Verdammte Scheiße.

Seit Melody im Noir angefangen hatte zu arbeiten, seit ihr Interesse an Elija offenkundig geworden war, hatte es Menschen gegeben, die sie gewarnt hatten. Wussten diese Leute über Elijas Verbindung zur Mafia Bescheid? Wussten sie vielleicht noch mehr als sie heute hatte erfahren hatte?

Das konnte Melody nicht sagen, aber sie wusste auch, dass es nicht viel ändern würde. Sie liebte Elija. Das es eine dunkle Seite gab hatte sie gewusst und wie bereits davor, war es ihrem Herzen egal wie schwarz diese Schwärze wirklich war. Und der Rest?

Das Noir war sauber! Das wusste sie mit Sicherheit und wenn sie erst einmal aufhören würde, wie ein zitterndes Häufchen Elend hier im Bett zu liegen und sich zu bemitleiden, dann würde sie das verkraften. Das wusste sie!

Melody kannte sich und ihre Stärke, wusste, dass sie mit jeder Art von Leben klarkommen würde und für die Menschen, die sie liebte, alles tun würde.

Alles, was sie jetzt brauchte, war eine Mütze voll Schlaf, nur ein paar Stunden um sich zu erholen, ihre geistigen Batterien wieder aufzufüllen und sich dann ganz rational mit der Situation auseinanderzusetzen.

Aber dieser Schlaf wollte nicht kommen.

Kälte, die aus ihrem Inneren kam, nagte an ihrem Verstand und nie zuvor war ihr so bewusst gewesen, wie furchtbar allein, sie sich außerhalb des Noir fühlte. Nicht immer, schließlich hatte sie Freunde, mit denen sie auch mal Essen ging. Aber ab und an, in Nächten wie diesen, schlief sie ein und fühlte sich unendlich allein. Keiner war da, der sie an sich zog, sie in Wärme und Geborgenheit einhüllte und ihr sagte, dass alles gut sein würde. Selbst wenn es eine Lüge gewesen wäre, hätte es doch alles besser gemacht.

Alles an Kraft, was Melody besaß, kam aus ihr selbst. Es hatte nach dem Tod ihrer Mutter selten Menschen geben, die ihr gut zugeredet hatten oder ihr ohne Gegenleistung halfen. Alles hatte sie allein erreicht. Es war ihr eigener Erfolg und auch ihre alleinige Last, die manchmal schwerer wog als der Stolz, über das erreichte. Sie wollte mehr. Und sie wollte dieses „mehr" mit Elija.

Hurt me deep, Darling - Seven SinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt