Kapitel 6
Melody
Als Melody das Noir betrat konnte sie die Blicke spüren, die sich innerhalb von Sekunden auf sie legten. Die meisten der Stammkunden kannten sie, schienen aber genauso wie Luna nicht gewusst zu haben, was sich hinter den Kulissen abspielte. Sonst würde wohl niemand so verwundert schauen sie hier jetzt zu sehen. Sie hatte nach Lunas Offenbarung erst Bianca angerufen, die ihr all das bestätigt hatte. Na ja, fast alles. Denn davon, dass sich dieser Daniel wie ein Idiot benahm und mit einem Kündigungsschreiben vor Elijas Nase herumwedelte, wusste sie nichts und war vollkommen entsetzt darüber. Besonders weil sie selbst den Jungen diese Chance gegeben hatte sich zu beweisen. Er war irgendwie der Enkel einer Bekannten von ihr und hatte händeringend nach einem Job gesucht und da Melody von diesem ganzen rechtlichen Unsinn nichts verstand, hatte sie sich gedacht er machte den Bürokram, wie es Bianca vor ihrer Rente getan hatte und Melody kümmerte sich um das Tagesgeschäft. Es war lieb gemeint gewesen aber wohl fast nach hinten losgegangen.
"Ich komme für die Wochen zurück, wenn du mich brauchst. Du musst dich ja schon mit Elija auseinandersetzen", hatte sie Melody angeboten, aber das wollte Melody dieser Frau nicht antun. Wenn es jemand verdient hatte in den Ruhestand zu gehen, dann Bianca.
"Nein, wenn er nie ein Kündigungsschreiben gefordert hat und sich jetzt weigert es zu unterzeichnen, wird er mich nicht wirklich herausschmeißen. Ich komme mit ihm klar und diesen David verspeise ich zum Frühstück", hatte sie erwidert und Bianca hatte gelacht.
"Ich weiß, Kind. Du bist hart im Nehmen, deswegen braucht die Elija auch. Lass dich von seinem Verhalten nicht verunsichern. Er will dich seit dem Tag als er dich auf der Bühne hat tanzen sehen. Glaub mir, in diesen Moment ist er dir verfallen. Hoffnungslos" Melody hatte ihr nicht widersprechen wollen, auch wenn sie sich da nicht ganz so sicher war. Vielleicht aber spielte es keine Rolle. Das hier war ihr Job und als Managerin war es ebenfalls ihr Job sich mit sowas auseinander zu setzen. Unabhängig von ihren Gefühlen für ihren Boss, mit dem sie sich jetzt noch mehr auseinandersetzen würde. Keine erholsamen Stunden hinter der Bar mehr, keine spaßigen Diskussionen mit Typen, die sie dazu bringen wollten mit ihnen ins Bett zu gehen. Sie hatte alles machen können, weil niemand genau gewusst hatte, was genau eigentlich ihr Job gewesen war. Etwas, was Bianca bei ihrer Einstellung damals mit Absicht ziemlich vage gehalten hatte. Letztendlich war sie das Mädchen für alles gewesen und hatte so die Möglichkeit bekommen sich zu Biancas Nachfolgerin zu mausern. Dabei wusste sie bis heute nicht, warum die alte Managerin das überhaupt getan hatte.
Nachdem Elija nach ihrer Bewerbung als Tänzerin einfach angeordnet hatte, dass sie nicht tanzen würde, hatte Bianca sie beiseite genommen und einfach mit den Schultern gezuckt.
"Schau nicht so entsetzt, Kleines. Er hat nicht gesagt, dass er dich nicht einstellt", hatte sie gemeint, da hatte Melody ihr Versagen und seine Unverschämtheit noch gar nicht richtig verarbeitet.
Seitdem war viel passiert, aber nicht halb so viel wie sie sich erhofft hatte. Fast wünschte sich Melody, sie hätte sich nie in ihn verliebt. Aber sie wusste ja selbst nicht wirklich, wann und warum das überhaupt passiert war.
Als sie nun den Weg durch das Erdgeschoss, den vierten Höllenkreis, durchquerte, sah sie Luna an einen kleinen Tisch in der Ecke. Sie war allein, hatte aber ihren Laptop auf den Schoß und schien die Stille des Tages auszunutzen, um zu schreiben. Das Noir war theoretisch rund um die Uhr geöffnet. Da gab es keine Ausnahmen, selbst an den Feiertagen fanden die Clubmitglieder hier die Ablenkung, die sie suchten. Einige wohnten regelrecht hier. So richtig voll war es aber nur am Abend und in der Nacht, sowie an den Wochenenden. Unter der Woche und kurz nach Mittag trieben sich nur wenige Gäste hier herum und manchmal sogar gar keine. Luna war eine der wenigen Ausnahmen heute und sie galt ja hier bereits als halbe Angestellte.
"Melody! Ich wusste du würdest wieder zurückkommen!", empfing eine der Bardamen sie und fiel ihr geradezu um den Hals.
"Oh Gott, ich bin so froh, dieser Daniel geht uns auf die Nerven, das Mmerken sogar die Clubmitglieder. Stell dir vor, er will feste Themen in den einzelnen Etagen einführen und es soll alles in diesen Grenzen bleiben, damit man die Spiele besser kontrollieren kann. Als könnte man das in Schubladen stecken, keine Individualität mehr. Ich glaube, wenn er das tatsächlich macht, büßen wir den Kundenzuwachs wieder ein, den wir dank Veronika bekommen haben", begann Lissana zu erzählen. Fühlbar ohne Punkt und Komma, wie es einfach ihre Art war und diesmal war Melody sogar dankbar dafür. Lissana, genannt Lyssa, war die Klatschtante des Clubs und man liebte und hasste sie dafür gleichermaßen.
Veronika, Lunas ehemalige Mitbewohnerin, war eine angesagte Erotik-Künstlerin, die sich hier Inspiration suchte und auch manchmal hier arbeitete. Das lockte zahlreiche Verehrer an und brachte den Club zusätzliche Aufmerksamkeit, den er gut gebrauchen konnte. Inzwischen war Veronika selbst eines der sieben Premium Mitglieder. Sie trug jetzt die Nummer sieben.
"Wenn du dem also in den Hintern treten willst, er in Biancas Büro", sagte sie und Melody schmunzelte.
"Du meinst wohl meinem Büro. Elija hat mich nie offiziell gekündigt und Bianca hat mich zu ihrer Nachfolgerin gemacht. Der Kerl ist nur meine "Urlaubsvertretung", auch wenn er sich das anscheinend anders erhofft hat", erklärt sie schnell und Lissanas Gesicht hellte sich deutlich auf.
"Das ist ... wir können ... wow. Das muss ich unbedingt allen erzählen. Das ist so Klasse!", sagte sie und wirkte tatsächlich mehr als nur ein wenig aufgedreht.
"Tu dir keinen Zwang an, dann erspar ich mir die Erklärung.", meinte Melody ehrlich und machte sich auf den Weg in ihr Büro. Zumindest hatte sie das vorgehabt, aber noch auf einem der Flure kam ihr ein junger Mann entgegen, der ernst drein blickte und sich die Brille zurück auf die Nase schob, als er sie sah und die Stirn runzelte.
"Kein Zutritt für Kunden", sagte er und klang dabei so abwertend, dass sich Melody wirklich fragte, was er hier zu suchen hatte, wenn er gegenüber der Kundschaft hier sich dermaßen herablassend gab.
"Wie gut, dass ich kein Kunde bin. Ich nehme an, du bist Daniel", sagte sie mit einem selbstsicheren Lächeln und betrachtete den Mann eingehend. Er war etwa so groß wie Melody selbst, war eher schlaksig und wirkte mit seinem Milch-Bubi-Gesicht nicht gerade so, als könnte er einen Club wie diesen leiten. Der dreiteilige Anzug sollte das wohl überspielen, aber das tat er nicht.
"Und mit wem habe ich die Ehre?"
"Oh, ich bin die Frau dessen Name auf den Dokumenten steht, mit denen du vor Elijas Nase herumwedelst als wäre er ein Stier und meine Kündigung ein rotes Tuch. Wie läuft es damit? Hat der Meister die Selbstbeherrschung, deinem putschartigen Versuch, die Macht zu ergreifen, standgehalten?", fragte sie aggressiv und wusste genau wie das gelaufen war.
"Er hat dich gekündigt", sagte er aber Melody lächelte nur überlegen.
"Elija hat mich streng genommen niemals eingestellt und dennoch arbeite ich hier seit mehr als zwei Jahren. Was sagt dir das?"
"Das du ziemlich unverschämt bist" Oh. Wow. Das war ja mal eine Erwiderung, sie hatte diesen Typen jetzt schon zum Fressen gern.
"Das, mein Kleiner, bedeutet das ich hier die verfickte Königin bin und du dich nicht in Kabbelein von Mami und Papi einmischen solltest", sagte sie fröhlich und hatte sogar die Nerven ihm die Wange zu tätscheln, worauf er ihre Hand zornig beiseite Schlug und sie fast mit den Blicken erdolchte. Melody aber ergriff seinen Schlips, band ihn sich um die Hand und zog ihn an sich heran.
"Verarsch mich nicht, Jungchen. Sonst kau ich auf dir rum wie auf einem Kaugummi und spuck dich irgendwo auf der Straße wieder aus, wo dich irgendein Obdachloser von der Straße kratzen muss. Und jetzt: gib mir dieses Kündigungsschreiben!" blaffte sie ihn an und ließ ihn dann so plötzlich wieder los, dass er fast gestützt wäre. Neben den glimmenden Hass in seinen Augen funkelte noch etwas viel Düsteres und sie wusste, dass es vielleicht keine gute Idee war diesen Kerl so grausam auf seinen Platz zu verweisen. Denn er war clever, einer der besten seines Jahrganges, das hatte Bianca ihr gesagt und er hatte definitiv das Knowhow ihr Steine in den Weg zu legen. Aber Melody würde sich gegen ihn behaupten, denn in Gegensatz zu ihm kannte sie diesen Club besser als ihren eigenen Kleiderschrank.
Beta: Geany
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Hurt me deep, Darling - Seven Sins
RomanceSeit zwei Jahren arbeitet Melody bereits als Mädchen für alles, in Eijas Erotik-Club Noir und hätte niemals damit gerechnet rausgeschmissen zu werden. Doch er hat es getan. Ihr Boss hatte sie entlassen, aber das ist kein Grund aufzugeben, weder den...