1 - Alltag

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"Junior, was machst du da?" Dad grinste über meine Schulter hinweg und betrachtete meine Geometrieaufgaben skeptisch, ehe er sich kopfschüttelnd zu meinen Brüdern wand, die in einer Lautstärke aus dem Garten hereingestürmt kamen, dass mir beinahe die Ohren klirrten.

"Jungs, runter vom Gas!", schallte seine tiefe Stimme durchs Wohnzimmer und brachte meine Brüder damit gleich zum verstummen.

"Ja, Dad.", kam es leise von Ian, während Hudson nur mit den Schultern zuckte und grinsend auf mich zu kam. "Na, Knirps. Wie läufts?", fragte mein wenige Minuten älterer Bruder und schlang seine Arme fest um meinen Oberkörper und drückte meinen Rücken dabei gegen seine breite Brust. Seine Haut strahlte die Wärme der Sonne ab und fühlte sich unglaublich angenehm an.

"Gut. Ich bin mit fast allen Aufgaben durch.", erzählte ich stolz und grinste zu ihm hinauf, was er mit einem sanften Lächeln erwiderte. Seine eisblauen Augen, die wir alle von Dad geerbt hatten, blitzten mir fröhlich entgegen und als er seine bärtige Wange gegen meine Babypopo glatte drückte, entkam mir ein leises Kichern. Ich liebte es, wenn er mit seinen Bartstoppel über meine Haut kratzte.

"Moin." Eren betrat als Schlusslicht das Haus und zog Ian, der sich gerade mit Dad unterhielt, in seine Arme, ohne damit das Gespräch zu unterbrechen.

Ein leises Seufzen kam über meine Lippen, während ich meinen wenige Minuten älteren Bruder dabei beobachtete, wie er sich in die starken Arme seines Gefährten schmiegte. Eren hatte sein Gesicht in Ians Halsbeuge gedrückt und stand relaxed nah bei ihm.

Ich wollte das auch. Ich sehnte mich nach einem Gefährten. Von Tag zu Tag fiel es mir schwerer Ian und Josie mit Eren zu sehen. Ich freute mich ungemein für meine Geschwister, wer hatte immerhin schon die Möglichkeit mit seinem Gefährten aufzuwachsen, aber trotzdem empfand ich einen gewissen Neid.
Vor allem weil die Drei es mir immer deutlicher unter die Nase rieben. Immerhin kamen wir langsam in ein Alter, in dem Dad es meinen Geschwistern bald nicht mehr verbieten konnte, von Eren markiert zu werden. Der beste Freund meines Papas hielt sich zwar weiterhin artig an die Regeln die Dad aufgestellt hatte, aber nachdem Ian und Josie immer stärker dagegen rebellierten, war es nur noch eine Frage der Zeit bis die Beiden Erens Mal tragen würden. Das war zumindest eine Sache bei der Ian und Josie am gleichen Strang zogen, denn eigentlich waren sie so verschieden wie Tag und Nacht und machten Eren damit das Leben nicht unbedingt einfach. Vor allem Josie war eine anstrengende Person und obwohl ich meine Schwester wirklich gern hatte, war ich froh, dass ich sie nicht andauernd an der Backe haben musste.
Gut, dass Eren Ian hatte und somit einen ruhigen Gegenpol zu unserer aufgedrehten Schwester. Denn obwohl sich die Beiden einen Gefährten teilten, teilten sie ihn sich nie gleichzeitig. Jeder hatte seine Zeit mit Eren allein, was vor allem daran lag, dass die zwei sich in seiner Gegenwart immer in die Haare bekamen, da sie sich um ihn stritten. Dabei achtete Eren ohnehin penibel genau darauf keinen der Beiden irgendwie zu vernachlässigen.

Ein weiteres Seufzen kam über meine Lippen als Eren Ian einen Kuss auf die Stirn hauchte und als mein Bruder daraufhin aus strahlenden Augen zu ihm aufsah, zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen. Ich wollte auch endlich meinen Gefährten.

Einzig meine enge Bindung zu Hudson hatte mich noch nicht durchdrehen lassen. Der junge Alpha bemühte sich ungemein um mich und darum, dass es mir gut ging. Manche würden unser Geschwisterband vielleicht etwas zu innig finden, immerhin verbrachten wir so ziemlich jede freie Minute zusammen, schliefen jede Nacht im Bett des anderen und kuschelten, wir hatten kein Problem damit gemeinsam duschen zu gehen und brauchten einander beinahe so sehr, wie Luft zum Atmen.

Dennoch konnte Hudson das Verlangen nach einem Gefährten nicht stillen.

"Wie war das Training?", fragte Dad Hudson und ging um die Kücheninseln an der ich saß herum und holte sich eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank, die er seinem erstgeborenen Sohn hinhielt, der sie sofort dankbar annahm.

Jägersmann ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt