59 - nicht alleine im Wald

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Eigentlich war ich ein sehr geduldiger Mensch, aber langsam ging mir das Warten wirklich auf die Eier. Es waren bereits zwei Tage vergangen. Zwei Tage, in denen ich das Auto nur verlassen hatte, um mich zu erleichtern und etwas frische Luft zu atmen.

Kai hielt mich mit kurzen Updates zwar bei Laune, aber wenn es noch länger dauern würde, würde ich eingehen. Es wurde von Stunde zu Stunde anstrengender in meiner Wolfsform zu bleiben, doch die Angst etwas entscheidendes zu verpassen, während ich ein Mensch war und nicht mit Kai kommunizieren konnte, war zu groß.

Ich lag in einer seltsamen Position auf dem Rücken, der Kopf zur Seite gekippt und mit von mir gestreckten Beinen. Viel länger würde ich die Bewegungseinschrenkung im Auto nicht mehr aushalten können. Ich spürte regelrecht, wie sich meine Muskeln abbauten und meine Gelenke steif wurden.

Obwohl Kai immer wieder mit mir kommunizierte, wusste ich nicht wirklich was los war. Es ging ihnen gut, zumindest Kai und Austin. Von Hudson hatte man noch nichts gehört. Oder Kai verschwieg es mir einfach nur.
Seinen Emotionen nach zu urteilen, ging es drunter und drüber. Etwas, was mich nur noch weiter aufwühlte, anstatt mich wirklich zu beruhigen. Aber immerhin hatte Kai keine Schmerzen. 

Ich hoffte auch, dass es Austin und seinen Jungen gut ging. Ich drückte ihm die Daumen, dass das Aufeinandertreffen mit Hudson glimpflich verlief.

Meine Rute wedelte gelangweilt hin und her, während mein Blick dem dunklen Fahrzeughimmel galt. Ich langweilte mich so sehr. Noch nie hatte ich eine derartige Lustlosigkeit verspürt, wie in diesem Moment. Die Langeweile hatte mittlerweile sämtliche meiner Zellen eingenommen, was mich–

Ein Knacken unweit des Autos riss mich aus meinen inhaltslosen Gedanken. Ich rollte mich gleich auf den Bauch, drückte mich fest in die Sitze und stellte die Ohren lauschend auf. Die Fenster waren noch immer mit Klamotten verhangen, sodass man zumindest nicht ins Innere sehen konnte. Dummerweise konnte ich aber auch genauso wenig hinaus sehen.

Angst schoss durch meinen Körper, als die Geräusche lauter wurden und sich unmissverständlich meinem Standpunkt näherten. Einen Moment später konnte ich auch einen Schatten am Fenster vorbei huschen sehen.

Ich drückte die Augen fest zusammen, versuchte meinen Atem niedrig zu halten und durch nichts auf mich aufmerksam zu machen.

Kai, hier ist jemand. Am Auto.

Es dauerte keine halbe Minute, bis mein Gefährte direkt antwortete.
Halte dich ruhig. Vielleicht ist es nur ein Förster. Kai versuchte zwar stark zu klingen, aber ich spürte auch seine Angst und hörte die Sorge, die deutlich präsent war.

Als wer auch immer plötzlich nach dem Türgriff griff und versuchte die Fahrertür zu öffnen, entkam mir beinahe ein unterwürfiges Winseln. Zum Glück hatte ich nach meiner morgendlichen Pinkelpause daran gedacht wieder von innen abzusperren.

„Ich schwöre dir, Cosmo, wenn du diese Tür nicht aufmachst, ziehe ich dir persönlich das Fell über die Ohren!"

Nathans Stimme hallte grollend durch die Wände des Wagens und wäre die Wiedersehensfreude und die Erleichterung, dass es er war, nicht so groß, hätte ich mir vor Angst wahrscheinlich in die Hose gemacht.

In Sekunden schnelle hatte ich mich mit einem schmerzhaften Zischen zurückverwandelt und ohne darauf zu achten, dass ich jetzt nackt war, die Rücksitztür aufgerissen, nur um dem Kriegen einen Moment später in die Arme zu fallen. Nathan drückte mich gleich fest an sich, barg mich in seinen breiten Armen und erleichterte mich mit seiner Anwesenheit so sehr, dass ich direkt zu weinen begann.
„Es tut mir so leid", wimmerte ich gegen seine nackte Schulter und drückte mich noch enger an ihn. Dass wir beide nackt waren, störte uns nicht.

Jägersmann ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt