35 - Kais Familie

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Die Minuten nach dem Dad das Haus verlassen hatte waren erdrückend. Papa schluchzte weiter vor sich hin, während Hudson und ich einfach da standen und beide nicht so recht wussten, was wir tun sollten. 

Papa war schwanger und dass Dad so durch die Decke gegangen war, konnte ich persönlich total verstehen. Welcher Vater wäre nicht enttäuscht, wenn er nicht dabei sein konnte, wenn das Geschlecht verraten wurde? Welcher Vater würde nicht gerne wissen, dass er Vater werden würde?

Hudson schenkte mir einen knappen Blick, der so ziemlich das selbe aussagte, was ich mir gerade dachte, und kam zu uns heran. Ich hatte weiterhin meinen Arm um Papa gelegt, damit er aufrecht stehen blieb und er lehnte sich auch angestrengt gegen mich, deswegen war ich froh, als Hudson ihn mir abnahm. Papa ließ sich widerstandslos von seinem Sohn auf die Arme nehmen und barg sofort sein Gesicht an dessen Schulter. 

"Ich bin ein schlechter Ehemann", schluchzte Papa leise und klammerte sich an Hudson, der nur verneinend den Kopf schüttelte, jedoch nichts weiter dazu sagte. Ich blieb stumm, beobachtete meinen Bruder wie er unseren Vater aus dem Wohnzimmer in Richtung Schlafzimmer trug, bis sie aus meinem Sichtfeld verschwunden waren. Ich wusste nicht so ganz, was ich dazu sagen sollte.

Erst als ich alleine war, schluckte ich schwer und sackte langsam am Sofa zusammen. 
Ich konnte noch immer nicht glauben, was gerade passiert war. Ich kam mir vor wie in einem schlechten Film. Ich hatte meine Eltern noch nie so stark streiten sehen und dass es auch noch wegen etwas so wunderbaren wie einem gemeinsamen Kind war, fand ich noch schlimmer. 
Warum hatte Papa nichts gesagt? Er hatte Angst vor Dads Reaktion? Das erschien mir irgendwie komisch, aber Papa wird schon seine Gründe gehabt haben. 

Hoffentlich würden sich die zwei bald zusammenraufen um miteinander zu reden. Mir gefiel der Gedanke nicht, dass sie getrennt voneinander waren und das während die Jäger da draußen unterwegs waren und Papa ein ungeborenes Kind in sich trug. 
Davon durften die Jäger auf keinen Fall erfahren, dass würde ihn nur in unglaublich große Gefahr bringen. Ein schwangerer Wolf war für Jäger wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto. 

Ich schüttelte sofort den Kopf, um diese Gedanken gleich zu verjagen. Daran wollte ich gar nicht erst denken.
Blöderweise machten Gedanken selten das, was sie sollten und so spekulierte ich ungewollt weiter darüber, was wäre wenn, weil ich mich einfach nicht ablenken konnte. Hudson, der noch lange bei Papa blieb, half mir dabei auch nicht.

Erst als es an der Tür klingelte, kam mir mein Treffen mit Kai wieder in den Sinn und mit einem schlechten Gewissen, dass ich meinen Gefährten tatsächlich kurzzeitig vergessen hatte, öffnete ich gleich die Tür. 

Kai lächelte mir breit entgegen, als er mich erblickte, wobei seine braunen Augen im Sonnenlicht wie flüssige Schokolade wirkten, und ich automatisch mitlächeln musste. 

"Ist alles in Ordnung?", fragte Kai jedoch anstatt mit Begrüßungsworten zu starten und bevor ich überhaupt über seine Frage nachdenken konnte, hatte er mich schon in eine Umarmung gezogen und strich mir sanft über den Rücken. "Du siehst mitgenommen aus."

Ich schluckte den Pfropf in meinem Hals runter und freute mich insgeheim darüber, dass mein Gefährte sofort bemerkt hatte, dass etwas nicht in Ordnung war und ich auch darauf ansprach, anstatt es einfach zu ignorieren.
"Meine Eltern haben sich gerade vor unseren Augen gestritten", antwortete ich leise und klammerte mich fest an meinen Gefährten. Sein unverkennbarer Duft nach Kiefern und Honig beruhigte mein aufgewühltes Gemüht ein wenig, sodass ich mich entspannter in seine Umarmung lehnen konnte. "Und Dad ist jetzt zu seinen Eltern gefahren." 

"Du musst Kai sein", unterbrach uns Hudsons forsche Stimme, ehe mein Gefährte antworten konnte, woraufhin sich Kai sofort von mir löste und meinem Bruder freundlich entgegen lächelte und ihm die Hand hinhielt, die Hundson unhöflicherweise einfach ignorierte. 

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