65 - Rückkehr

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„Lukas! Lass uns raus! Verdammt!", brüllte Austin und begann kräftig am Türgriff zu rütteln. Der Katzenwandler kam jedoch gegen die Zentralverriegelung des Geländewagens nicht an. Ich versuchte gleichzeitig den Knopf zu drücken, damit sich die Türen entriegelten, aber Lukas sperrte offenbar mit dem Schlüssel von außen jedes Mal aufs neue gleich wieder zu, denn es rührte sich nichts.

„Lukas!" Der Kater ging bald von Rütteln zu sinnlosem Schlagen über. Er schlug mit seinen geballten Fäusten kraftvoll auf die Glasschreibe ein, die das aber recht wenig interessierte. Immerhin hatte Nathan nur die besten und langlebigsten Materialien für seinen Geländewagen verwendet.

„Austin, lass das", murmelte ich selber von unserer Situation nicht begeistert. Ich wusste aber, dass wir keinen Ausweg finden würden. Und selbst wenn, würde Lukas uns nicht weit kommen lassen. Außerdem hatte ich Sorge, dass er sich noch verletzte.
Meine Hände fanden seine Schultern, bis ich ihn an den Oberarmen richtig zu greifen bekam und mit etwas gut zureden versuchte, ihn zu beruhigen, während ich verhinderte, dass er sich noch die Knöchel an der harten Scheibe aufhaute.

„Wir müssen dahin", keuchte der Kater atemlos, ließ aber zu, dass ich ihn ein Stück von der Tür wegzog. Er lehnte seinen Rücken gegen meine Brust und wehrte sich nicht, als ich meine Arme um seinen Körper schlang und ihn nah bei mir hielt. „Er braucht unsere Hilfe", wisperte er und schluchzte leise auf. Es überraschte mich irgendwie, dass er sich trotz ihrer Vergangenheit und ihrem Streit noch so um ihn sorgte. Andererseits verwunderte es mich kein Bisschen, immerhin hatte ich gesehen, wie sie sich angesehen hatten.

„Hudson kann gut auf sich selber aufpassen", versicherte ich ihm.
Ich machte mir auch zugegebenermaßen mehr Sorgen um alle anderen als um Hudson. Er hatte schon mehrmals bewiesen, dass er kämpfen konnte und dass er neuerdings so erbarmungslos war, spielte ihm sicherlich auch in die Karten. Deswegen wuchs meine Sorge über Kai und Nathan auch mit jeder Minute, die ich länger den Kampf hören konnte.

„Ich brauche ihn", schluchzte Austin und bohrte seine Finger schmerzhaft in meinen Unterarm. „Unsere Kinder brauchen doch einen Vater."

Anstatt zu antworten, hielt ich ihn einfach nur beruhigend weiterhin bei mir. Ich würde ihn so schnell nicht mehr loslassen. Das merkte auch Austin, der sich irgendwann in meinem Griff weiter entspannte und seinen Kopf sogar auf meiner Schulter ablegte. Heiße Tränen rannen über seine Wangen und verfingen sich durch seine Position in seinen Haaren. Sein leises Schluchzen bebte durch den Wagen und übertönte damit teilweise sogar die Kampfgeräusche.
Ich konzentrierte mich auch ausschließlich auf Austin und die Geräusche, die er von sich gab, um dem Kampf nicht mehr länger meine Aufmerksamkeit zu schenken. In der Hoffnung, dass das meine Sorge etwas mildern würde, wenn ich zumindest ihr Jaulen, Knurren und Bellen nicht mehr hören konnte.

Austin so aufgelöst zu erleben, ließ mein Herz schwerfällig schlagen. Der Kater wirkte sonst so taff und hatte mich bisher nur selten hinter seine eiserne Fassade sehen lassen, aber dieser Gefühlsausbruch machte deutlich, wie tief seine Gefühle für meinen Bruder waren und wie er auch seinen Kindern gegenüber empfand.

Plötzlich brach direkt neben dem Auto Chaos aus. Ich konnte im ersten Moment nicht überblicken, was los war und aus dem Auto heraus hatten wir auch kaum Sichtmöglichkeiten. Austin kämpfte sich gleich aus meinen Armen und begann hektisch die Klamotten, die wir Tage zuvor als Sichtschutz an die Fenster geklemmt hatten, herunter  zu reißen, um besser sehen zu können, was los war.

Anscheinend kehrten einige von Lukas Männern wieder zurück. Die meisten hatten, so weit man es sehen konnte, nur oberflächliche Verletzungen. Dass ich aber weder Kai noch Nathan irgendwo sehen konnte, versetzte mich schnell in Panik. Auch die sichtbaren Verletzungen der Ankömmlinge versetzte mich in Stress.
Im ersten Moment realisierte ich nicht einmal, dass die Kampfgeräusche verstummt waren.

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