60 - Lukas und Kai

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Kai und Austin hatten sich bereit erklärt zurückzukommen, um die Neuankömmlinge über den aktuellen Stand aufzuklären und um einen neuen Plan auszuarbeiten. Sie waren gerade auf der anderen Seite des Waldes und mussten erst das gesamte Revier des fremden Rudels umrunden, bis sie wieder bei uns ankamen. Das dauerte seine Zeit und diese freie Zeit nutzte Nathan ganz ausgiebig, um sein Auto genauestens zu inspizieren und mir mit jedem weiteren Kratzer oder noch so kleinen Delle, die er fand, einen Mörderblick zu zu werfen. Ich wartete die ganze Zeit, dass endlich der Anschiss kam, der unweigerlich bevorstand, aber bisher war Nathan besorgniserregend ruhig.

Der Alpha Lukas war mit fünfzehn anderen Wölfen angereist. Während vier davon, Lukas eingeschlossen, mit beim Auto blieben, erkundeten die anderen die Gegend, machten sich ein Bild von unserer Umgebung und versuchten in diesem tierarmen Wald etwas nahrhaftes zum Fressen zu jagen. Viel Glück hatten sie dabei, bis auf ein paar wenige Hasen und Eichhörnchen, bisher nicht. Der Unmut darüber war sogar so hoch, dass sich zwei von Lukas Leuten auf den Weg in den nächsten Ort gemacht hatten, um dort in einem Supermarkt einzukaufen, damit wir die Menge an Wölfen irgendwie versorgen konnten.

Obwohl ich Lukas nicht wirklich traute, fühlte ich mich in Anwesenheit der kräftigen und kampferfahrenen Wölfe doch schon etwas wohler und konnte endlich wieder ein wenig aufatmen. Dass ich noch dazu dadurch nicht mehr die ganze Zeit in dem engen Auto sitzen musste und stattdessen an der frischen Luft sein konnte, erleichterte mich ebenfalls. Durch Nathan, der mir ein wenig von zuhause erzählte, weil er Kontakt zu Bernard hatte, war mir auch nicht mehr so langweilig. Gleichzeitig war ich furchtbar froh, dass es Dad gut ging und es auch mit Papa und meinem Geschwisterchen wieder Bergauf ging. Dass Dad endlich wieder wach war, tat offenbar auch Papa gut.

Ich sehnte die Rückkehr meines Gefährten sehnlich herbei und konnte mich kaum ruhig halten. Die letzten Tage auf dem engen Rücksitz hatten mich echt mitgenommen, wodurch ich diesmal stark protestieren würde, wenn Kai mich wieder dorthinein verbannen wollte. Zusammen mit den anderen Wölfen hatten wir nun eine viel höhere Chance, Hudson zu befreien und ich gleichzeitig mehr Schutz. Diesmal würde ich nicht zurückbleiben.
Das konnte sich Kai schön abschminken.

Lukas wusste offenbar darüber Bescheid, dass ein Katzenwandler zu unserem Team gehörte, denn er reagierte kein Bisschen überrascht, als Austin in seiner Katzengestalt weit vor Kai zum Auto trapste und mit sich kringelndem Schwanz direkt auf mich zukam. Die Mitglieder von Lukas Rudel jedoch staunten darüber nicht schlecht. Entweder sie hatten noch nie einen Katzenwandler gesehen oder nie einen in einem so innigen Umgang mit einem Wolf.
Mit einem zufriedenen Lächeln, da es ihm und damit auch seinen Welpen offenbar gut ging, kraulte ich sein weiches Fell, als er seinen Kopf gegen meinen Körper drückte, was dem Kater gleich ein zustimmendes Schnurren entlockte.

Erst als Kai wenige Momente später ebenfalls zu uns kam, ließ Austin von mir ab und verwandelte sich zeitgleich mit Kai zurück in seine menschliche Form. Ich fiel meinem Gefährten gleich überschwänglich in die Arme und auch Kai drückte mich mit knochenbrecherischer Stärke fest gegen seine nackte Brust. Sein Herz schlug gleichmäßig, aber in einem schnellen Tempo, gegen meinen Brustkorb und ich konnte regelrecht spüren, wie ein Teiler seiner Anspannung durch unseren Körperkontakt von ihm abfiel.

„Ich hab dich so vermisst, mein Spatz", nuschelte Kai in meine Halsbeuge und festigte seinen Griff um mich dabei nochmals. Langsam ging mir die Luft aus, aber das war kein Grund, um unsere Umarmung bereits wieder zu lösen. Dafür genoss ich es viel zu sehr. „Dir geht es gut, ja?", fragte er besorgt nach und küsste die empfindliche Haut an meinem Hals.

„Jaja, Friede Freude Eierkuchen. Ihr seid echt ekelhaft süß miteinander", murrte Austin, der sich mittlerweile eine Hose und ein Shirt übergezogen hatte und sich am meinem Rucksack mit dem Tankstellenessen bedient hatte, bevor ich Kai antworten konnte.
Austin ließ seinen skeptischen Blick einen Moment über Lukas und seine Männer wandern, die ihn mindestens genauso misstrauisch beobachteten, ehe er sich mit einem lauten Ausatmen neben Nathan fallen ließ.

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