66 - endlich zuhause

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„Wir müssen ihn zu uns holen", murmelte Austin schlaftrunken und zog den Pullover von Kai, den er übergezogen hatte, weil er gefroren hatte, enger um seinen Körper. Er war recht bald, nachdem wir den Wald hinter uns gelassen hatten, eingeschlafen und war bis eben im Tiefschlaf.

„Jetzt schauen wir erstmal, dass wir unseren Großen wieder auf die Beine bekommen", antwortete Kai ruhig, während er beide Hände fest am Lenkrad hatte und den Geländewagen mit tosender Geschwindigkeit über die zum Glück recht leere Autobahn lenkte.

Ich hatte vorhin erst meinen Papa angerufen und ihn über den Stand der Dinge aufgeklärt, sodass sie gleich bereit wären, Nathan helfen zu können, sobald wir dort ankamen. Zwar durfte ich mir zu aller erst eine ziemliche Standpauke anhören, weil wir einfach abgehauen waren, aber im Endeffekt hatte er unsere Beweggründe verstanden und war auch froh zu hören, dass Hudson weder verletzt noch in Gefangenschaft war und es uns, außer Nathan, auch gut ging.
Ich hielt das Gespräch trotzdem recht knapp und verschwieg die meisten Details. Sobald wir zuhause waren, mussten wir sowieso darüber reden, da wollte ich ihn nicht vorher schon am Telefon verrückt machen.

„Wir sind doch nur wegen ihm hierher gefahren", fuhr Austin mit leiser Stimme fort. „Wir hätten ihn nicht einfach zurücklassen dürfen."

„Wir haben ihn nicht zurückgelassen. Er ist freiwillig geblieben", machte Kai deutlich. „Außerdem wissen wir jetzt zumindest, dass es ihm einigermaßen gut geht und er schonmal kein Gefangener ist."

„Ihm geht es ganz und gar nicht gut", kam es etwas aufgebrachter von dem Kater. Seine Stimme brach aber, wodurch es sich nur kraftlos und matt anhörte. Austin sollte auch dringend einen Arzt sehen. Der ganze Stress tat ihm und seinen Kindern sicherlich nicht gut.

„Sobald wir wissen, dass Nathan auf dem Weg der Besserung ist, kümmern wir uns um Hudson, ja?" Kai warf Austin einen knappen, aber sanften Blick zu, woraufhin der Kater langsam nickte, ehe er leise seufzte.

„Danke Kai."
Austin spezifizierte nicht, wofür genau er sich bedankte, aber auch so wusste Kai, was er meinte. Mein Gefährte nickte nur, schenkte ihm ein weiteres kleines Lächeln, ehe er sich auf die Straße konzentrierte.

Ich saß derweil weiterhin bei Nathan am Rücksitz und wechselte seine Verbände sobald er durch einen zu sehr durchgeblutet hatte. Seine Selbstheilungskräfte hatten zwar schon eingesetzt, aber gegen seine schweren Verletzungen kam sein Körper nicht an. Er brauchte dringend die Hilfe von einem richtigen Arzt, dann konnte auch sein Körper wieder normal verheilen.

„Jetzt weiß ich zumindest, warum du mich gebeten hast, jederzeit auf ihn aufzupassen", schmunzelte Kai und sah mir durch den Rückspiegel entgegen. Seine Augen blitzten keck, aber sein Gesichtsausdruck war sanft und zum ersten Mal seit langem etwas entspannter.

„Ich durfte nichts sagen", erwiderte ich grinsend und selbst auf Austins Lippen erschien ein kleines Lächeln.

„Auch wenn ich mich bei Hudson verplappert habe. Das tut mir so leid, Austin." Das schlechte Gewissen fraß sich noch immer durch meinen Körper. Hudson hatte zwar schlussendlich gar nicht so negativ reagiert, wie gedacht, aber ich hätte es Austin trotzdem überlassen müssen. Es waren seine Kinder und damit auch seine Entscheidung.

„Ach was", murmelte der Kater aber nur. „Irgendwann musste er es ja mal erfahren." Er drehte sich etwas zu mir, lächelte mir schmal entgegen, ehe sein Blick kurz über Nathan fuhr und dann offenbar etwas suchte. „Haben wir noch irgendwas zu Essen?"

Ich konnte noch einen Apfel finden, den ich dem Kater reichte, ehe wieder Stille über uns kam, die anhielt, bis wir fast an unseren Ziel waren.

„Ich freue mich, meine Eltern endlich wieder sehen zu können." Ich wollte einfach nur noch von ihnen in den Arm genommen werden und mich bei ihnen zumindest für einen kurzen Moment wieder wie ein Teenager fühlen.

Jägersmann ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt