Ich habe mir Annes Worte sehr zu Herzen genommen und gründlich darüber nachgedacht. Jetzt sitze ich also auf meinem Bett, während ich Leons Chat suche. Zuerst wollte ich anrufen, aber dann hatte ich irgendwie Schiss bekommen. Eine Nachricht ist einfacher, da kann ich zumindest überlegen was ich von mir gebe.
Ich denke Anne hat Recht und wir sollten nochmal in Ruhe über alles sprechen, vielleicht lässt sich ja noch etwas retten. Mutig öffne ich die Zeile und beginne zu tippen, doch ich habe keine Ahnung was ich eigentlich genau schreiben will. Ewig überlege ich hin und her, es soll ja nicht so klingen als wäre ich total verzweifelt, aber trotzdem darf er wissen, dass ich ihn vermisse. Schließlich habe ich einen kurzen Text mit dem ich einigermaßen zufrieden bin und bevor ich es mir anders überlegen kann, drücke ich schnell auf senden. Die beiden Hacken, die bestätigen, dass Leon die Nachricht erhalten hat, erscheinen auch prompt.
Hey, bist du noch in der Stadt? Ich denke wir sollten nochmal miteinander reden. Es gibt einiges was ich gerne klären würde.
Leon hat die Nachricht gelesen, doch auf eine Antwort warte ich schon seit gestern Abend. Bereits kurz nachdem er die Nachricht bekommen hat, haben sich die beiden Häkchen blau gefärbt. Seitdem ist nichts mehr bei mir angekommen. Und so langsam habe ich das Gefühl, dass auch nichts mehr kommen wird. Ich werde ignoriert. Leon hat wohl keinen Klärungsbedarf was dieses katastrophale Gespräch und die Trennung angeht. Das bestätigt nur meine Vermutung, dass er schon länger daran gedacht hat.
Mich dagegen hat es überrumpelt wie eine Lawine. Für mich ist die Beziehung noch nicht ganz vorbei. Ich bin bereit daran zu arbeiten, denn ich weiß dass es sich lohnen wird. Niemals war ich mit einem Partner so glücklich wie mit Leon. Nie habe ich schneller oder mehr Liebe für einen Mann empfunden als für ihn. Ich weiß aber auch, dass zwei zu einer Partnerschaft gehören und wenn er anderer Meinung ist, werde ich das akzeptieren müssen. Morgen wären wir in unseren ersten gemeinsamen Urlaub gestartet. Darauf hatte ich mich so sehr gefreut, es hat mich die letzten Wochen angetrieben. Jetzt fühle ich mich dagegen total müde und unmotiviert als ich meine Sachen anfange zu packen.
Ich habe heute morgen bei M&M angerufen und Mrs. Miller erklärt, dass ich mein Staatsexamen auf jeden Fall zuhause mache und für das Referendariat nicht wieder herkommen werde. Sie war äußerst enttäuscht darüber, hat mir aber am Ende doch alles Gute gewünscht. Sie meinte sogar, sie könne ein bisschen verstehen, dass ich nicht ständig umziehen möchte. Dass ich mein erstes Staatsexamen hier mache ist allerdings keine Option, da ich kein weiteres Auslandssemester anhängen kann und mich in München schon dafür angemeldet habe. Mrs. Miller hat allen Grund verärgert zu sein, schließlich weiß ich selbst wie renommiert ihre Kanzlei ist und vermutlich bekommen sie nicht allzu oft eine Absage, vor allem nicht, wenn sie auf den Bewerber zugehen. So eine Chance abzulehnen ist ungewöhnlich. Ich kann gut verstehen, dass sie überhaupt nicht begeistert ist. Die Tür zu dieser Kanzlei hat sich für mich endgültig verschlossen.
Dennoch bin ich jetzt froh, dass ich eine klare Entscheidung getroffen habe. Für mich ist es gut zu wissen, dass ich erstmal in München bleibe und zwar wegen mir allein. Trotz der Trennung möchte ich nicht hier bleiben. Sicherlich haben sich in den letzten Tagen einige Dinge geändert, deshalb habe ich meine Entscheidung auch nochmal überdacht. Das Ergebnis jedoch ist dasselbe. London ist nichts für immer, es war schön auf Zeit und die ist jetzt vorbei. Ich weiß, dass Leon genau das wollte, dass ich meine Entscheidung unabhängig von ihm treffe. Das habe ich nun, es hat mich aber auch nicht überrascht, dass es nichts geändert hat. Ich habe mich zwar auch wegen unserer Beziehung für München entschieden, aber das war nie der einzige Grund. Nur das habe ich ihm leider nicht erklären können. Und wie es scheint werde ich ihm das auch nie sagen können.
Es klopft an meiner Tür und Nancy steckt den Kopf herein: „Bist du soweit? Wir müssen los, wenn wir pünktlich zur mündlichen Prüfung kommen wollen." Ach ja da war ja noch etwas die abschließende mündliche Prüfung habe ich vollkommen ignoriert. Ich nicke und schnappe mir meine Tasche, in die ich immerhin schon meine Gesetze gepackt habe.
Heute sind wir nur zu zweit, da wir zufälligerweise parallel zueinander geprüft werden. Josh hatte bereits gestern seine Mündliche und ist schon fertig. Wir nehmen wieder die Tube und heute geht es mir wenigstens ein bisschen besser, ich kann meine Gedanken einigermaßen auf die bevorstehende Prüfung lenken, auch wenn ich seit dem Wochenende nichts dafür gelernt habe. Nancy und ich wiederholen nochmal die wichtigsten Basics auf die man in der Mündlichen achten muss. Wir weisen uns gegenseitig auf die Fehler hin, die man auf gar keinen Fall machen darf. Mir hilft dieser schnelle Überriss des Stofffes unglaublich, um mein Gehirn nach den letzten Tagen ordentlich in Schwung zu bringen.
Die Prüfung lief deutlich besser als gestern. Ich verlasse den Saal mit einem Lächeln. Ich konnte die allermeisten Fragen sofort beantworten, da Gott sei Dank eher der Stoff gefragt wurde, den ich gut gelernt hatte. Meine Lücke konnte ich also gut abdecken. Glück gehabt würde ich sagen. Ich hatte auch überhaupt kein Problem mehr damit, dass alles auf Englisch war. In meiner letzten mündlichen Prüfung im Februar hatte ich zu Beginn noch ein paar Probleme nicht auf Deutsch zu antworten. Aber nach fast einem Jahr hier habe ich mich daran längst auch in einer wichtigen Prüfung gewöhnt. Auf dem Gang vor dem zweiten Prüfungssaal warte ich auf Nancy. Sie scheint noch nicht fertig zu sein.
Keine zwei Minuten später aber öffnet sich die Tür und meine Freundin tritt heraus. „Na wie ist es gelaufen?" ,frage ich sie sofort. „Ach ganz gut, ich hatte zwar ein paar kleine Fehler, aber alles in allem konnte ich das meiste beantworten. Un bei dir? Du siehst deutlich glücklicher aus als gestern." „Es lief ziemlich gut dafür, dass ich nur die Hälfte gelernt hatte sogar sehr gut. Sie haben eigentlich nur den Stoff geprüft, den ich gelernt hatte. Und ein paar Sachen konnte ich aus den Vorlesungen improvisieren. Dadurch, dass sie mir gegenüber gesessen haben und es ein Gespräch war, habe ich meine Gedanken beim Thema lassen können." ,erzähle ich.
„Das ist doch super und jetzt haben wir es geschafft. Das muss gefeiert werden. Wir werden heute ausgehen." ,strahlt Nancy. Ich seufze, in Feierlaune bin ich aktuell überhaupt gar nicht. „Komm schon Thea, ich weiß, dass du traurig bist, aber wir haben das vorletzte Semester hinter uns und Mary hat heute ihr Staatsexamen beendet. Das ist doch kein Grund zu feiern. Außerdem weiß ich genau, dass du noch keinen Flug nach Deutschland gebucht hast. Bleib wenigstens noch eine Woche, bitte." ,bettelt sie. „Ich würde euch mit meiner aktuellen Stimmung nur den Abend vermiesen. Lieber bleibe ich auf der Couch." ,wende ich ein. „Quatsch du hast jetzt die ganze Woche geweint, heute kannst du das für einen Abend vergessen. Ich sorge schon dafür, dass du Spaß hast. Morgen chillen wir auch den ganzen Tag und ich backe dir einen Herzschmerzkuchen, versprochen." ,entgegnet sie. Oh man scheint als könne ich mich nicht davor drücken. „Na gut einmal sollte ich schon noch rausgehen, bevor ich abreise. Und vielleicht komme ich so auf andere Gedanken und kann das andere einfach mal vergessen." ,stimme ich schließlich zu, denn Leon hat natürlich immer noch nichts geschrieben. Ich werde eindeutig mit Ignoranz gestraft.
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nulla accade senza ragione // Leon Goretzka
FanfictionMathea ist zurück zuhause in München, um dort ihre Semesterferien bei ihren Eltern und Freunden zu verbringen. Sie stattet ihrem Vater, einem bekannten Arzt einen Überraschungsbesuch ab und platzt dort mitten in eine Untersuchung. Der Anblick des Pa...