Kapitel 10

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Und als ich zu ihm auf gucke, passiert es.
Seine kalten Augen begegnen meinen.

Dieser eine Blick reicht um für mich alles einmal zum stehen zu bringen. Mein Herz, mein Atem, die Zeit. Alles bleibt einmal stehen.
Es ist nicht nur sein äußeres Erscheinungsbild, was mich hier wie ein Baum stehen lässt. Es sind so viele Sachen, die mich dazu bringen, hier wie ein Baum da zu stehen. Die Tatsache, dass das vor mir vielleicht der gefährlichste, skrupelloseste und dreisteste Mann ist, dem ich je begegnet bin und der zufälliger Weise auch noch der attraktivste Mann ist, den ich je gesehen habe. Und das wohl wahnsinnigste überhaupt, dass dieser Mann mich grade vielleicht vor einer Vergewaltigung gerettet hat.
Snyder wirbelt plötzlich sein Messer gekonnt um seine Finger und verstaut es im Anschluss kunstvoll und elegant in seiner Jackentasche. Dann hebt er sein Kinn etwas, was ihn dazu zwingt noch viel weiter auf mich herab zu gucken, als er es sowieso schon muss.

„Ein Danke wäre doch angebracht.", meint er in einer Stimme, die die gleiche ist, die grade noch jemanden mit dem Tod gedroht hat. Sie ist noch immer genauso kalt, genauso hart und schneidend, aber ein Hauch von Sarkasmus schwingt in ihr. Sarkasmus kann verletzen und herabwürdigen und genau dafür nutzt ein Mensch wie er diese Gabe. Doch ich hab nicht vor, mit wackligen Knien vor ihn zu stehen, wie die anderen Menschen, die ihm schon gegenüber standen und genauso wenig werde ich vor ihm auf die Knie fallen, wie es bestimmt schon Frauen getan haben, um die Aufmerksamkeit von ihm zu erlangen. Ich versuche mich genauso aufrecht hinzustellen wie er. Mit genauso viel Stolz. So viel Stolz, wie ich mit 1,70 und einem Stripper Schulmädchen Outfit aufbringen kann. Ich gucke zu ihm auf und stelle mich seiner grauen Kälte. „Danke", sag ich gepresst. Meine Stimme kann zum Glück bei diesem einem Wort nicht zittern. Sein rechter Mundwinkel zuckt in die Höhe. „Gern Geschehen, Mädchen."
Hier könnte unsere Begegnung enden, aber er geht nicht und ich bin froh, dass ich grade eine gute Haltung gefunden habe. Also starren wir und noch einen Moment an.

„Wie heißt du?", fragt er mich und mustert kurz etwas mehr als nur mein Gesicht. „Eve" Ich hätte es ihm nicht sagen sollen. Ich hätte stur bleiben sollen, aber allein die Frage aus seinem Mund, brachte mich zu einer Antwort. Wenn auch keiner ehrlichen. Er nickt. „Willst du nicht wissen wer ich bin?", fragt er wiedermals mit dem Anschein eines Grinsens. „Ich weiß wer du bist." Er zieht die Augenbrauen etwas hoch. „Nicht nur dass der Mann, dem du grade fast die Kehle aufgeschnitten hast, dich beim Namen gennant hat. Alle hier kennen dich."

„Dann sag es, Darling." Die Bezeichnung bringt mich so aus dem Konzept, dass ich meine Haltung vernachlässige und mein Mund einen Spalt aufgeht. Ich hoffe, dass es ihm nicht auffällt, aber das leicht amüsiert verzogene Gesicht, sagt mir, dass er es sehr wohl bemerkt hat. „Sag es. Wer bin ich?", wiederholt er ordnend. Da ist sie wieder, die leise Panik in mir. „Blaze Snyder" Er verzieht die schönen Lippen zu einem zufriedenen Lächeln. „Geh wieder an die Arbeit. Und lass dich nicht nochmal von einem Kunden so in die Enge treiben." Das hat er nicht mit diesem spielerischen Ton gesagt. Er lehnt sich zurück und ist im Begriff den ersten Schritt in Richtung Gehen zu tätigen. Bevor er den geht, lässt er seinem Blick nochmal über mich gleiten. Ich ziehe meine Arme sofort noch fester um mich selbst. Dann dreht er sich um und geht. Ich starre einen Moment auf seinen Rücken.

„Warum hast du mir geholfen?", ruf ich ihm hinterer. Er bleibt stehen. Seinen Kopf dreht er nur grade so weit nach hinten, dass ich seine scharfe Jawline, seine perfekte Nase und ein Auge sehen kann. „Weil du meine Arbeiterin bist. Bilde dir nichts darauf ein und geh deinen verdammten Job machen." Dann geht er wieder weiter. Holt noch etwas aus seinen Taschen raus und bleibt an einem schwarzen Mottorad wieder stehen. Er setzt einen Helm auf, der auf dem Sitz bereit lag und schwingt sich rauf. Als der Motor startet gucke ich ihn noch immer an. Und als er knapp vor mir vorbei rast, höre ich ihn rufen: „Geh rein, ich bezahl dich nicht fürs rumstehen!"

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