Kapitel 47

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Blaze

Das Essen mit Elea war fabelhaft. Nicht nur dass es gut geschmeckt hat, Elea hat eigentlich die ganze Zeit über gelächelt. Man merkt, wie gut es ihr tut, wenn sie das Apartment verlassen kann und ich hab mir vorgenommen, es öfter dazu kommen zu lassen. Das Restaurant war so exklusiv, dass ich mir keine Sorgen darum machen musste, ob hier jemand ist, der sie kennen würde. Doch ich habe geahnt, dass ich schon längst ein Problem habe, als wir den Club verlassen haben und jetzt hat sich meine Sorge wahrscheinlich auch noch bestätigt. Um 24 Uhr ist Elea vor dem Fernseher neben mir eingeschlafen. Schon um 22 Uhr hab ich eine Nachricht von meinem Vater bekommen, dass er mich sehen will. Um Viertel nach 24 Uhr sitze ich auf dem Motorrad zum Büro meines Vaters.

Ich mach mich auf alles mögliche gefasst. Eine Standpauke, weil ich noch immer nicht im Fall Elea Bowen weiter gekommen bin, warum ich in letzter Zeit so viel Zuhause bin, weil Christian noch immer im Gefängnis sitzt, warum ich jemanden beim Ball erschossen hab, auf all das mach ich mich bereit, nur nicht auf das, was ich vorfinde. Mein Vater sitzt in seinem Bürostuhl, der sowohl von Größe, als auch von der Form her sehr an einen Thron erinnert. Nur ist er nicht alleine. Auf einen der beiden Stühle, die vor dem Schreibtisch bereit stehen sitzt eine Frau, die ich von hinten sofort erkenne. Diese Locken und der Ansatz des bunten und knappen Kleides ist unverwechselbar. Lolita sitzt vor meinem Vater.

„Was ist hier los?", frag ich zu Begrüßung in den Raum rein, als ich in der Tür stehen bleibe. Mit einem Blick, der nichts verraten mag. „Blaze, ich dachte du würdest früher da sein." Lolita dreht sich mit den Worten meines Vaters zu mir um. Ihr Gesicht, das eigentlich schon längst Falten haben sollte, stattessen aber einfach nur gelähmt und künstlich aussieht, sieht seltsam zufrieden aus. „Ich hatte zu tun.", antworte ich nicht grade aufschlussreich. „Natürlich, Sohn." Lolita schnaubt auf in einem Ton, der nur Verachtung oder Unglaube sein kann. „Warum bin ich hier? Oder besser gefragt, warum ist sie hier?" Ich nicke in die Richtung, wo Lolita sitzt, gucke aber stets meinem Vater in die kalt grauen Augen. „Ich glaube du weißt, warum du hier bist.", antwortet mein Vater nur kalt und lehnt sich etwas in seinem Sessel zurück. Ich schüttle stur den Kopf und steck die Hände in die Hosentasche. „Ich weiß es nicht, klär mich auf." Dieses Mal ist es nicht mehr nur ein Schnauben, sondern ein unterdrücktes Lachen, das von Lolita kommt.

Mein Vater muss sie nicht ml besonders streng angucken, allein die Zuwendung seines Gesichtes reicht, das sie still ist. „Du enttäuschst mich, Blaze.", klagt er falsch. Ich warte, bis er weiter redet. Mit jedem Augenblick in diesem Raum verwandelt sich Misstrauen in Panik, die in mir rasant wächst. Es gibt nicht vieles, was Lolita hätte herausfinden und meinem Vater verraten können. Eigentlich gibt es nur eine Sache...

„Wie lang ist dieses Mädchen schon bei dir? Wie lang lebt Elea Bowen schon unter deinen Fittichen?", mit diesen beiden Fragen, platzt mir der Kragen beinahe vor Panik. Er weiß es. Mir kommen schreckliche Bilder in den Kopf, die ich alle mit Willenskraft versuche zu verdrängen. Eins nach dem anderen. Jetzt muss ich erstmal hier raus. Noch einmal versuche ich es zu leugnen, setze mein Pokerface auf und hoffe, dass sich meine Panik nicht nach außen trägt. „Ich weiß nicht wovon du redest, Vater."
„Dreckiger Lügner, ich hab dich doch mit der Kleinen gesehen, wie du ihr die Zunge in den Hals gesteckt hast. Du hast sie sogar beim Namen genannt!", platzt Lolita aufgeregt und entzürnt dazwischen. „Sei still!", befiehlt mein Vater laut und streng, sodass sie zusammen fährt und sich leise, schüchtern wie ein in die Enge getriebenes Tier, entschuldigt. „Beantworte meine Fragen, Blaze.", wendet sich mein Vater wieder an mich.

Ich ball die Hände zu Fäusten und press den Kiefer aufeinander. Es hat keinen Sinn, das einzige, was ich noch tun kann, ist meinen Vater um Zeit zu bitten. Vielleicht erreich ich Nesrin, sie könnte Elea sofort aus der Wohnung holen und sie weg schaffen. Erstmal aus der Wohnung, dann aus der Stadt, wenn es nötig ist. Ich muss sie nur erreichen. Ich brauche Zeit. „Seit Sechs Wochen ist sie hier, seit Zwei Wochen lebt sie bei mir.", antworte ich ehrlich. „Sie hatte den Decknamen Eve Pierce.", erklär ich weiter. „Und weiter? Wie konnte ein 17 Jähriges Mädchen es schaffen die ganze Zeit unter meinem Dach zu arbeiten und zu leben und keiner hat sie erkannt!?" Die Wut trifft nicht nur mich, sondern auch Lolita. Die fängt an blöd zu stottern. „Ich... Sir, ich wusste doch nicht, dass sie es ist. Sie sah aus wie jede andere. Ein verlorenes Mädchen auf der Suche nach einem Job."

„Ihr Foto war überall in den Nachrichten.", entgegnet er nur kühl. Dann wieder zu mir. „Und du? Was hat dich dazu gebracht, sie vor mir zu verheimlichen? Ist die deine Familie weniger wert, als das Leben einer dahergelaufenen Schlampe." Meine Nägel pressen sich so sehr in eine Handflächen, dass sie jeden Moment anfangen könnten zu bluten. „Ich habe sie beschützt, weil ich es auf eine andere Weise versuchen wollte. Ich wollte nicht zulassen, dass du einem unschuldigen Mädchen etwas tust, nur weil ihr Vater ein verfickter Hurensohn ist."

„Oh bitte, du hast sie gevögelt! Sie hat die Beine breit gemacht und du wurdes schwach!" Ich kann nicht klar denken. Nur die Erinnerung daran, dass da eine Frau vor mir sitzt, bringt mich dazu, nicht sofort mit der Faust auszuholen. „Halt deine verlogene Fresse, Lolita. Was weißt du schon? Du bist es doch, die sich hochschläft, um ihren Wert zu behalten." Sie wird rot vor Wut, aber wieder ist es mein Vater, der ihr einen Strich durch die Rechnung macht. „Es reicht! Blaze, ich will das Mädchen noch heute Nacht haben. Wenn du sie mir nicht bringst, hol ich sie mir selbst. Dann können wir gucken, wie erfolgreich dein Plan war." Ich gehe einen Schritt nach vorn. Panik verwandelt sich schlagartig in Angst. „Vater, hör mich an. Ich werde meinen Onkel daraus holen, ich werde all das schaffen, was du mir aufgetragen hast. Dazu brauchen wir sie nicht."

„Oh Jesus Christus, der Junge ist verliebt.", kommt es spöttisch von Lolita. Ich kann ihr keine Aufmerksamkeit schenken. „Ich bitte dich, du musst mir vertrauen. Ich werde es schaffen. Gib mir Zeit, lass sie daraus."
„Das du mal an einem Mädchen hängst, hätt ich nicht erwartet.", labert Lolita weiter. „Bring sie mir."
„Bitte", das einzige Wort, was noch in meinem Kopf schwirrt. „Ich bitte dich, ich tue alles, nur lass sie daraus." Mein Vater schüttelt enttäuscht den Kopf. „Es ist eine Schande, dass dein Bruder erschossen wurde. Was soll nur aus all dem werden, was ich aufgebaut habe, mit dir als Oberhaupt?" Die Worte stechen hart zu, aber selbst das, kann ich jetzt nicht beachten. Ich kann nicht ändern, was ich in den Augen meines Vaters bin, aber ich kann ändern, was mit Elea geschieht.

Plötzlich greift mein Vater unterm Tisch nach etwas, ich weiß sofort was und weiche einen Schritt nach hinten aus. Lolita sieht es nicht kommen. Der Schuss fällt und Lolita sackt im Stuhl zu einem reglosen Haufen aus Silikon und nackter Haut zusammen. „Scheiße", fluch ich leise und starr auf die blutende Leiche. Mein Vater hat eine Waffe mit Schalldämpfer genutzt, Blut wurde trotzdem verteilt. Er schraubt den Schalldämpfer der Pistole wieder ab und verstaut beides mit einer Seelenruhe in seinen Schubladen. „Ich kann nicht zulassen, dass jemand meinen Sohn in einer solchen Position sieht. So schwach, so feige." Er spuckt mir die Worte förmlich vor die Füße. Er wischt mit seinem Zeigefinger einen Tropfen Blut von seinem Tisch, wobei noch viel mehr Spritzer weiter vorne sind, die er einfach ignoriert. „Ich hab deine Mutter nie geliebt. Nie, wie ein Mann seine Frau lieben sollte. Du solltest das auch nicht.", sagt er völlig unnötig, bevor er mich wieder anguckt. Mein Herz springt in meiner Brust Saltos. Mein Hirn rattert. Wie krieg ich Elea hier weg? Wie verdammt?!

„Eine Woche. Du hast eine Woche deinen Onkel zu befreien. Eine Woche an Arthur ran zu kommen. Danach ist meine Geduld am Ende und seine Tochter bei mir." Ich atme stoßend aus. „Ich verspreche es."
„Und wenn ich mitkriege, dass du sie weg schaffst, hol ich sie sofort. Sie bleibt bei dir, da wo du sie unbedingt haben wolltest. Verstanden?" Ich nicke. Erleichtert über den kleinen Fortschritt, kann ich meine wahren Probleme erst begreifen, als die Tür zum Büro meines Vaters hinter mir zufällt und ich auf dem Gang im Dunkeln stehe.

Eine Woche um das zu schaffen, was ich in Vier nicht geschafft habe. Ich kann Elea nicht in Sicherheit bringen und erzählen kann ich ihr noch viel weniger davon. Wenigstens eine gute Sache ist da drin passiert. Lolita ist tot und mit ihr das kleine Geheimnis von Nate...

„Nur mit dir" |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt