Kapitel 38

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Der Abend beginnt ohne jeglichen Komplikationen und ich hatte recht, keiner ahnt auch nur, wer Elea wirklich sein könnte. Ihr Name für den Abend ist zu wiederholten Male Eve, den Nachnamen lässt sie ganz einfach weg, dann stellt keiner weiter Fragen. Zusammen mit Elea an meiner Seite gehe ich meinen Pflichten als guter Gastgeber nach und begrüße nach und nach immer mehr der Gäste. Die meisten kommen schon ganz von allein zu uns und so bleiben ich und Elea eigentlich nur an einer einzigen Stelle stehen. Immer bevor, ein weiterer Herr mit seiner Dame auf uns zu kommt, um mir die Hand zu schütteln und Elea einen Kuss auf die Hand zu geben, flüstere ich ihr deren Namen, Bedeutung und Beschäftigungen zu. Die meisten Illegal, aber das war wohl schon klar. Doch ein Zwei Mal mischen sich auch Minister und andere Politiker runter und noch öfter Hotel oder Geschäftsbesitzer, die ebenfalls viel zu viel Geld haben. Und mit Geld kommt Macht.

Zwischendurch murmle ich ihr auch mal eine eher unwichtige, aber witzige Information über eine Person zu und dann kichert sie noch, als derjenige schon vor ihr steht, was sie dann sofort in Verlegenheit bringt. In einem Augenblick, wo wir mal alleine da stehen, lasse ich die Augen über den vollen Raum gleiten, bis sie auf den Mann treffen und seine Familie, auf die ich heute äußerst gern verzichten würde. Ich nehme Elea wieder an mich und dränge sie sanft in Richtung unseres Tisches, die einzige Tafel so mittig im Raum wie es nur geht. „Was? Waren das schon alle?", fragt sie verwirrt, lässt sich aber von mir führen. „Nein, aber ich muss was trinken und dein Glas ist auch schon seit einer halben Stunde leer."
„Ich brauch gar nichts, weißt du, ich hatte-" Weiter kommt sie nicht. Ich zieh sie grad noch mal rechtzeitig an mich ran, um einen Zusammenstoß mit Alexander Falceohes zu meiden.

Der dicke und nicht unbedingt große oder eindrucksvolle Mann im weißen Anzug, begleitet von einer sehr auffällig jungen Dame und Zwei breiten Männern, seinen Leibwächtern, hinter ihn, bleibt abrupt stehen und schaut erst zu mir hoch, dann zu Elea. Die beiden sind genau auf Augenhöhe und Elea ist wirklich nicht groß. „Mister Falcehoes, verzeihen Sie mir meine Unachtsamkeit.", hau ich schnell raus, doch seine Augen bleiben an Elea hängen, die sich bei dem Namen merkbar neben mir anspannt. Er braucht noch ungefähr Zehn Sekunden, bevor er seine Stimme wiederfindet, der Blick immer noch auf Elea geheftet. Ich räuspere mich, um seine Augen auf mich zu lenken, was für einen Moment auch funktioniert. „Snyder, einen schönen Abend, würden sie mich bitte Ihrer bezaubernden Begleitung vorstellen?" Augen wieder auf Elea und dieses Mal etwas tiefer, als ihr Gesicht. Bleib ruhig.

„Natürlich, Pardon, Alexander Falcehoes, das ist Eve." Elea zieht ihr Hand aus meiner und reicht sie Alexander höflich. Dieser nimmt sie sofort in seine kleine Hand, drückt sie und gibt ihr einen so langen Kuss, dass selbst Alexanders Begleitung verwundert auf die Berührung schaut. Als er sie wieder frei lässt, wischt sich Elea unauffällig die Hand an ihrem Kleid ab, während sie mir ihren arm wieder reicht. „Eve... und weiter?", fragt er freundlich nach, aber nicht mehr mich. „Pierce, ein weit verbreiteter Name und ich habe nicht das Glück, dass meine Familie bedeutender als die anderen ist.", antwortet sie fest und in einer Stimme, die sich wie Gesang anhört. „Ich bin mir sicher, eine so stattliche Dame, wie sie es sind, kommt aus einen guten Haushalt." Elea setzt ein künstliches Lächeln auf und neigt dankend den Kopf. „Wie freundlich von Ihnen, das zu sagen."

„Und Sie stehen in welcher Verbindung zu Blaze?" Auch hier bleibt sie freundlich. „Ich bin seine Begleitung für den Abend, Sir."
„Dann würde ich mir wünschen, dass Sie auch später bei unserem Treffen noch an seiner Seite sind." Ich würd am liebsten sofort widersprechen, beiß mir aber noch rechtzeitig auf die Zunge. „Das ist nicht die Art von Treffen, bei der eine Dame, wie Sie dabei sein sollte." Meine Worte könnte man sexistisch auffassen, doch hier denke ich einfach nur an ihre Sicherheit. Bei sowas kann immer etwas schief gehen und das letzte, was ich will, ist dass Elea daneben steht, wenn ein solcher Deal den Bach runter geht.

„Ich bin sicher, Eve hätte nichts dagegen. Nicht wahr?" Sie schüttelt sanft den Kopf. „Es wäre mir eine Freude." Der kleine Mann katscht in seine Patschehändchen und strahlt. „Dann ist das geregelt. Dass sehe ich am Ende des Abends wenigstens noch eine schöne Sache."
„Sie sind zu freundlich.", meint sie. Er lächelt, klopft mir auf die Schulter und läuft an mir vorbei. Dabei sagt er noch. „Pass auf sie auf, sonst klau ich sie dir noch." Das Lachen danach hört sich an wie Hunde bellen. „Werde ich.", press ich so gut ich kann hervor. Als er weg ist atmet Elea erleichtert aus und wendet sich sofort an mich. „Dieses Treffen später, das ist euer Geschäft, oder? Der große Waffendeal." Ich nicke und führe sie wieder weiter in die Richtung, in die wir eigentlich unterwegs waren. „Ja, Elea, ich werde dich dahin nicht mitnehmen. Das kann ich nicht verantworten."

„Was redest du denn da? Ich habe diesen Mann grade mein Wort gegeben."
„Das ist egal, dieser Mann hat noch nie etwas aus reiner Freundlichkeit getan, jetzt auch nicht." Wir nähern uns immer weiter den Tisch, an den meine Mutter mit meinem Vater steht und ebenfalls eifrig Hände schüttelt. „Blaze, ich verspreche dir, ich werde ganz in deiner Nähe sein und sobald dir etwas falsch erscheint, bin ich weg. Ich will nicht, dass wegen dieser kleinen Sache etwas schief läuft. Wie wird er es finden, wenn ich doch nicht dabei bin?" Da hat sie einen guten Punkt. Ich seufze tief. „Ich kann dir einfach nicht nein sagen."
„Das werde ich noch zu meiner Waffe machen.", scherzt sie locker.

Als wir ganz in der Nähe meiner Eltern sind, ist das einzige, was uns erreicht ein strenger Blick meines Vaters und ein abwertender meiner Mutter. Sie werden sich nicht die Mühe machen und fragen, wer das an meiner Seite ist. In ihren Augen nur ein weiteres Mädchen, das kein Potenzial hat, denn für sie gibt es nur einen Weg für mich, einen den ich bis jetzt mit all meiner Willenskraft nicht beschreiten werde. „Sie sehen nicht grade begeistert aus.", murmelt Elea, als ich sie zu ihrem Platz geleite, der direkt neben meinem ist. Sie wird ganz oben mit mir am Tisch sitzen. „Das sehen sie nie, aber lass dich von ihnen nicht runterziehen." Sie nickt und nimmt ihr Kleid hoch, damit sie sich setzen kann, nachdem ich ihr den Stuhl bereit gestellt habe.

Ein paar Minuten sitzen wir dort allein und reden, bis mein Vater sich neben uns positioniert. „Bleib einfach sitzen.", weise ich sie an, stehe selbst aber auf. Mein Vater, meine Mutter und ich stehen alle drei nebeneinander und allein das Aufstehen meines Vaters reicht, um für Ruhe zu Sorgen. Wer noch nicht auf seinem Platz sitzt, sucht den jetzt schnell auf, und wer seinen Mund noch nicht geschlossen hat, tut es spätestens, als mein Vater sich räuspert. „Ich danke Ihnen allen für ihr zahlreiches Erscheinen." Ein Rausch des Applauses zieht sich durch den Raum und schallt von den Wänden ab.

„Wir haben uns heute hier versammelt, weil mit Macht Verantwortung kommt, die Verantwortung, Beziehungen zu pflegen, uns um unsere Familien zu kümmern und diese Stadt rein zu halten. Ich sehe hier die erfolgreichsten Männer des Landes, alle unter einem Dach versammelt. Alle im Guten beisammen. Wir haben ein weiteres Jahr voller Fehden, Geschäften, Bündnissen, Hochzeiten und auch Verlusten hinter uns." Ich sehe wie sich ein paar Männer in Anzügen und auch Frauen in Festkleidern bekreuzen. Mir liegen die Worte meines Vaters sofort schwer im Magen. „So habe auch ich selbst einen schweren Verlust hinter mich bringen müssen und meinen ältesten Sohn verloren." Ich muss nicht zu ihm gucken, um zu wissen, dass sich in seinem Gesicht nicht ein Zug der Trauer wiederfinden lässt.

„Ich habe meinen Erben und Sohn verloren, aber ich werde mich nicht in die Knie zwingen lassen. Wir bleiben stehen, stärker als zuvor und werden mehr als Rache üben. Doch heute ist nicht der Tag für Tränen, es ist ein Tag für Freude. Denn ich kann verkünden, dass ich mein Vermögen, meine Verantwortung und mein Imperium, nach meinem Abdanken an meinen nun einzigen und starken Sohn Blaze übergeben werde. Sie dachten, sie würden uns vernichten, doch haben sie und nur stärker gemacht und enger zusammengetrieben. Und nun lasst uns feiern, lasst und trinken und die Sorgen für einen Abend vergessen! Auf uns!"

Die Menge antwortet mit erhobenen Gläsern. „Auf uns!" Und bricht danach in Applaus und Gejubel aus. Ich setze mich als erster von uns dreien wieder. Als ich sitz, spüre ich sofort eine Hand auf meinem Bein unterm Tisch. Als ich zu ihr gucke, sagt ihr Blick mehr als Tausend Worte.

„Nur mit dir" |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt