Kapitel 12

5.2K 175 1
                                    

Elea

Die Schnüren für diese 20 Zentimeter Pumps sind die reinste Folter. Fast genauso schlimm, wie die Fußschmerzen, die ich am Ende des Tages vom Tragen und Tanzen habe. Chloe meint, das würde sich mit der Zeit legen, aber ob ich es bis dahin aushalte, ist eine ganz andere Geschichte. Endlich krieg ich den scheiß Schnürsenkel durch die rote Schleife und stell mich schnaufend auf. Dieses Schulmädchen Outfit ist der Horror. Die Kürze stört mich nicht, es ist der Gedanke dahinter. Der Gedanke, dass erwachsene Männer auf ein Schulmädchenkostüm abfahren, das eigentlich Kinder und Teenager anhaben. Solche Männer haben bestimmt nicht jugendfreie Gedanken, wenn sie mich tanzen sehen.

Ich streiche die weiße Bluse glatt und kontrolliere nochmal die beiden Zöpfe an den Seiten. Genau solche Zöpfe hatte ich, als ich klein war. Wirklich klein, ein Kleinlind im Alter von drei oder vier. Ich erinnere mich an ein Foto, auf dem ich mit zwei goldenen Zöpfchen auf der blauen Schaukel im Garten sitze. Meine Mutter schubst mich an, mein Vater hat das Bild geschossen. Es existieren kaum Bilder mit ihm und mir zusammen. Warum er welche gemacht hat, weiß ich nicht. Vielleicht um sich selbst an das zu erinnern, was er hat und mal geliebt hat. Ich war ein Wunschkind, kein Unfall, kein Zufall, pure Absicht. Warum er mich trotzdem so wenig lieben kann, ist für mich ein Rätsel.

„Eve! Eve, warte!" Doris Stimme erreicht mich kurz bevor ich aus dem Umkleideraum will. Ich bleibe sofort stehen und drehe mich in ihre Richtung. Sie trägt ihr schwarzes Leder Outfit, das sie jeden Dienstag und Donnerstag trägt. Es ist wirklich ein Hingucker und passt perfekt zu ihren roten Lippen und schwarzem Haar. „Ja?", frag ich ruhig nach. Ein bisschen Aufschub vor meiner Schicht stört mich nicht und solang es Lolita oder Greta nicht rausfinden, die auch nicht. „Du musst dich umziehen.", erzählt sie etwas außer Atmen. Sie muss gerannt sein. Gerannt, zu mir, um zu sagen, dass ich mich umziehen soll?

„Aber Greta hat doch gesagt-" Sie schüttelt ihren Kopf so sehr, dass ihr das kurze Haar um die Ohren fliegt. „Du wurdest für eine Privatshow gebucht." Mein Mund wird trocken. Meine Hand rollt sich unwillkürlich zu einer Faust. „Ich dachte, das geht erst, wenn ich länger hier bin.", sage ich dumpf. Sie nickt und geht sich durchs Haar. „Der Kunde ist dein Chef." Mein Mind geht einen Spalt auf. Chef... Bevor ich den Name zu Ende denken kann, hat sie ihn schon ausgesprochen. „Blaze Synder will dich tanzen sehen." Mein Magen wird ganz flau und ich spüre, wie mein Herz etwas schneller schlägt. „Warum sollte er mich sehen wollen?", frag ich dumm nach. Chleo wirft die Hände in die Luft. „Woher soll ich das wissen? Ich weiß nur, dass er in Kabine 6 auf dich wartet. Auf dich in einem Outfit. Alles nur nicht die Schuluniform. Hat er mir gesagt." Ich starre sie noch einen Moment länger an. Warum will er mich tanzen sehen? Ist es nur ein Zufalle, dass wir uns erst gestern über dem Weg gelaufen sind? Hat er sich wirklich meinen Namen gemerkt? „Los! Worauf wartest du? Zieh dich um und dann los!" Sie klatscht in die Hände, um mich anzutreiben, als wäre ich irgendein Pferd. Und ich höre wie irgendein Pferd. Auf hohen Hacken tapse ich zu der Stange, an der all die verschiedenen Kostüme hängen. Kostüme, wie Polizistin, Lehrerin, Soldatin, Ärztin, Krankenschwester und so weiter, aber auch Kostüme, die keinen Beruf darstellen. Einfach nur kurze Kleidchen und Hosen. Für genau so ein Höschen entscheide ich mich. Eine rote Hotpants mit einem roten BH, der voll und ganz mit silbernen Glitzer Steinen besetzt ist. Die roten Schuhe passen dazu alle male.

In Rekordzeit ziehe ich mich um und will wieder aus der Tür, doch bleibe ich vor einem Wandspiegel stehen. Ich greife mir ins blonde Haar, ziehe neide Haargummis raus, werfe sie mir über den Kopf, schüttle einmal kräftig und werfe sie dann wieder zurück. Das ist tausend Mal besser. Chleo hält mit die Tür auf und scheucht mich mit einer Handbewegung aus dem Raum hinaus in den Club. „Und streng dich an. Les ihm seine Wünsche von den Lippen und seinem Körper ab und es wird sich auszahlen, Kleine." Ich bin nicht so naiv, zu glauben, dass sie wirklich das meinte, an was ich denke. Ich soll das tun was er will. Egal was. Ich nicke einfach, obwohl das noch lange kein Einverständnis ist. Dann fällt die Tür zu.
Mein Blick schweift über die Tribünen und Bänke hinweg. An der hinteren, langen Wand hängen 10 Vorhänge. Hinter jedem befindet sich eine private Lounge.

„Nur mit dir" |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt