Kapitel 32

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Blaze

Es ist erstaunlich, wie gut sie in dieser kurzen Zeit das Schießen erlernt hat. Zwar schafft sie noch immer nicht die vielen Treffer, die sie irgendwann schaffen wird und ist auch noch lange nicht so gut wie ich selbst oder Simon, aber das kommt und liegt garantiert nicht an ihrem Engagement, sondern eben an der wenigen Übung.
Gestern Abend haben wir eine Stunde unten bei der Schießanlage verbracht und neben dem Schallen und Knallen der abgeschossenen Patronen wurde der Raum noch von ihrem leichten Lachen erfüllt. Ich hatte gezielt und sie hatte mir ganz plötzlich den Finger in die Seite gestochen, nicht dass es weh tat, aber ich habe mich doch tatsächlich erschrocken. Durch mein Zusammenzucken verfehlte ich dramatisch und die Kugel traf Meter neben dem Ziel ein, was Elea so amüsant fand, dass sie lachte.

Sie lachte.
Und es war ein ehrliches, eines das aus purer Freude und Witz bestand. Als sie da neben mir stand, die Ohrenschützer halb aufgesetzt, die eine Hand um ihren Bauch, den anderen Arm vor den Mund haltend und sich nach vorne krümmend, schlich sich ein Lächeln auch auf meine Lippen. Ich hätte am liebsten mit gelacht, doch der Moment war zu besonders, um ihn zu verpassen. Ich stand mit der gesenkten Waffe in beiden Händen da, ehrlich lächelnd und hatte nur Augen für sie. Es hat gewirkt, als hätte sie goldene Sonnenstrahlen um sich, die die ganze Aufmerksamkeit auf sie lenkten, dabei waren wir in den Tiefen des Gebäudes und es gab nur das grelle Licht, das von der Decke schien und ihre Haut blass aussehen ließ. Neben meiner Bewunderung über ihr Lachen, kam mir deswegen auch der Gedanke, dass ich sie unbedingt an die freie Luft gehen lassen muss. Sie hat hier vielleicht Bewegung, soziale Kontakte und Nahrung, aber Sonne, frische Luft und Natur fehlen doch.

Doch sie raus zu lassen darf ich mir nicht so einfach vorstellen, oder will es nicht. Am liebsten würde ich sie die ganze Zeit in Sicherheit bei mir wissen, doch ich weiß dass das Quatsch ist. Genauso Quatsch wie dieses Lachen. Sie müsste mich hassen und tat es und war sich nicht zu schade, mir das auch ins Gesicht zu sagen, wie konnte sie in diesem Moment da also stehen und Lachen? Das war und ist mir ein Rätsel, aber eines weiß ich, ich werde diesen Moment nie vergessen können, den Moment, in dem Elea das erste Mal, voller Elan vor meinen Augen gelacht hat. Und das Gefühl, das ich hatte, konnte ich auch nicht vergessen, so sehr ich es auch wollte.

Es war ein Fluch und Segen zugleich, als ich gestern dann noch die Nachricht von Nesrin bekam, dass es eine neue Lieferung und einen neuen Auftrag gab, von meinem Vater, den sie aufgeschnappt hatte. Um Acht Uhr in der früh heute, war ich schon in meinen Klamotten, die für die Überfälle nötig waren, bis unter die Zähne bewaffnet und damit beschäftigt, dieses blonde, schöne Mädchen aus meinen Kopf zu drängen. Ich brauche Abstand von ihr und sie von mir. Wir müssen uns dran erinnern, wer wir sind und was unsere Aufgaben sind. Ich habe ihr nur einen Zettel auf der Küchentheke hinterlassen, als ich ging und kann nur hoffen, dass ich sie nicht wieder geweckt habe.

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Elea

Er war mal wieder einfach gegangen. Die kurze Notiz in der Küche hatte mir nicht wirklich weiter geholfen und nicht mehr getan, als zu sagen, dass er weg sei und ich den Tag frei habe. Das sollte mich nicht aufregen, aber irgendwie dachte ich wir wären darüber hinaus, einfach zu schweigen und wegzurennen. Anscheinend nicht. Ich mache mir also allein in diesem riesigen Apartment mein Frühstück, was heute aus einer Schüssel voll Haferbrei und Beeren besteht, bewege mich danach etwas, um meine müden Muskeln zu wecken und stelle mich danach unter die warme Dusche. Wahrscheinlich werde ich diesen Tag so ziemlich genauso verbringen, wie auch die anderen. Lesen, vielleicht etwas tanzen, schlafen und essen. Als ich zum Sofa laufe, um mir eines der Bücher zu schnappen und mich hin zu flenzen, kann ich den Blick nicht von dem schönen Panorama Blick der Stadt abwenden. Es wirkt so friedlich. Und dann fällt mir eine Ecke in die Augen, an der ein großes blinkendes Schild hängt, darauf steht in großen Buchstaben Cafe.

Es ist zwar nicht das Cafe, das auf dem Bild war, aber es erinnert mich an dieses. Blaze wollte mich nicht gehen lassen und dann muss ich wieder an Nesrins Worte denken. Sie hat recht, ich hab genug davon, mir von Männern sagen zu lassen, was am besten für mich ist. Woher will er es denn wissen? Und so schnell hat sich mein Plan geändert.

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Die Adresse des Cafes heraus zu finden war kinderleicht. Blaze hat sein Büro wieder nicht abgeschlossen und der Computer mit Internetzugang lag frei da, er war tatsächlich ungesichert, doch alles andere darauf war bis ins unendliche verschlüsselt. Nur das Internet nicht. Nachdem ich die Adresse hatte, musste ich mir nur noch Gedanken um meinen Weg hier raus zu machen. Ich zählte in meinem Kopf nach. Fünf Wachen hatte ich das letzte Mal gezählt. Zwei innen vor der Tür, eine in der Nähe des Aufzuges und Zwei andere marschierten, sodass man immer mal wieder Drei, Vier oder Fünf Wachen unten hatte. Ich wollte die Drei erwischen. Außerdem musste Hannah abgelenkt werden, denn diese Frau war wie ein Fuchs.

Erst dachte ich, es wäre unmöglich, doch dann hatte ich doch Hoffnung.

In Jeans, Shirt und Jeansjacke, mit einer Tasche um der Schulter, in der mein fast nutzloses Handy drin war, das Foto und Stift und Zettel steige ich in den Aufzug. Ob das, was ich mir gedacht habe, wirklich funktioniert, weiß ich nicht. Es kommt mir vor, als würde der Aufzug, der sonst einen ziemlich gemütlichen Gang hat, auf einmal nach unten rasen. Unten angekommen öffnet sich die Tür. Wie erwartet, nur Drei Wachen und keine Hannah. Hannah kümmert sich in diesen Moment nämlich um meine äußerst spezielle und komplizierte Mittagessen Bestellung. Die letzte Stunde hab ich damit verbracht mit meinem Handy an einem Faden, das ich auch in Blazes Büro gefunden habe, die Wachen auszuspionieren. Es war scheiße riskant, aber keiner der Trottel hat das Handy bemerkt, das man zu einem Drittel an deren Fenster außen hätte sehen müssen, wäre man darauf aufmerksam geworden. Ich hatte die Gänge der Wachen schnell raus und war mir sicher, dass ich jetzt genau Sieben Minuten Zeit hatte mit drei Wachen fertig zu werden, was um einiges einfacher war als Fünf.

Ich habe nicht vor mich körperlich zu währen, das war weder in meinem Sinne, noch hätte ich die nötige Kraft und das Geschick dafür. Aber ich hab was besseres, eine Stimme.

Erst stolziere ich, als wäre es das normalste der Welt aus dem Aufzug am ersten Typen vorbei. Kein Wort. Erst als ich durch die Tür will, werde ich mit einer Handbewegung vom Linken Riesen, der eine dicke Schussweste trägt, die ihn noch breiter aussehen lässt, als er eh schon ist. „Wohin des Weges, Miss?", fragt er in einem Ton, der mechanisch und respektvoll ist. „Auf den Weg nach frischer Luft. Ich möchte gerne einen Spaziergang hinter mich bringen.", antworte ich so locker ich kann und hoffe keiner von den beiden merkt mir die Nervösität an. „Wir haben einen eindeutigen Befehl, keiner rein oder raus, ohne die ausdrückliche Erlaubnis, des Herrn." Des Herrn., wiederhole ich stumm in meinem Kopf. „Ich will meinen Spaziergang, wie es mir von Sir Snyder versprochen wurde.", protestiere ich und achte genau darauf, dass meine Stimme eine Oktave höher wird. „Tut mir leid, Miss. Das kann ich nicht zulassen."

Ich ziehe die Augenbrauen hoch und betrachte den Riesen. Diese Hände könnten mich in Null Komma nichts zurück in den Aufzug werfen. „Was sagen sie da?! Ich verbringe doch nicht jeden Tag in dieser Wohnung und jede Nacht in seinem Bett, damit mir irgendein Typ an der Tür sagt, ich müsste wieder rauf?! Was soll ich denn da oben machen, mich im Spiegel betrachten und mir selbst Gesellschaft leisten?" Ich merke sofort, wie er sich tatsächlich, etwas aus seiner mechanischen Fassung bringen lässt. „Miss, bitte, ich befolge nur-"

Ich fange an in meiner Tasche zu kramen. „Ich sag Ihnen jetzt was, ich werde dafür sorgen, dass Blaze Snyder Ihren Arsch höchst persönlich feuert! Das ist ja unglaublich, mit wie wenig Respekt ich hier behandelt werde! Eine Frechheit! Behandelt man so etwa eine Dame? Einen Gast? Sie tun ja so, als sei ich eine Gefangene!" Wenn er nur wüsste... Er wechselt einen kurzen Blick mit seinem Partner, dann legt er die Hand an die Tür. „Das ist nicht nötig, Miss..."
„Gibbens, mein Name ist Gibbens, jetzt öffnen Sie schon die verdammte Tür." Er öffnet sie. Ich atme durch, dass gehe ich die Drei Schritte und dann... dann stehe ich auf dem Bürgersteig an einer normalen Straße in der Freiheit.

„Von wegen ich komm hier nicht raus. Ich bin eben besser, als du dachtest, Sir Snyder.", murmle ich zu mir selbst, als wäre er wirklich hier und könnte mich hören.

„Nur mit dir" |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt