Kapitel 19

5K 182 4
                                    

Elea

Ich habe mir einen richtigen Alltag aufgebaut, den ich genau wie sonst jeden Tag, auch heute abarbeiten werde, mit der kleinen Ausnahme, dass ich heute Abend nicht arbeiten muss. Um genau zu sein, habe ich diese Woche sogar schon Überstunden gearbeitet. Doch so sehr, wie die anderen Mädchen hier kann ich mich nicht über diese paar freien Stunden mehr freuen. Was soll ich denn auch damit anfangen? Doof rumsitzen tue ich schon genug und sobald ich nicht lang genug abgelenkt bin, kommen wieder diese fressenden Gedanken auf. Es wird mit jeden Tag schlimmer und ich fühle mich immer leerer. Es ist kein Selbstmitleid, es ist Trauer, Reue, Schmerz und Hass, derb mich jede Stunde aufs neue einholt und einnimmt. Und das schlimmste dabei ist, ich kann nichts tun. Mein Vater sitzt Zuhause, besäuft sich, gibt unehrliches Geld aus und lebt sein Leben wie bevor, während ich nicht einmal einen Funken Gerechtigkeit in diese Welt bringen kann und wie immer brave Tochter spielen muss. Sogar jetzt, wo wir Kilometer auseinander sind. Ich ihn seit Wochen nicht gesehen habe, mache ich den Mund nicht auf und lasse ihn mit all seinen Taten davon kommen.

Und schon wieder verkrieche ich mich selbst in dem Gewirr von Gedanken, die mich nur runterziehen. Ich seufze laut und drehe mich mit der Decke bis zum Kinn gezogen auf die Rechte Seite. Es ist schon Mittag, beinahe Nachmittag, ich war schon frühstücken und trainieren, aber ich konnte schon nach 30 Minuten nicht mehr. Mir wurde immer wieder schwarz vor Augen, bis mich Chloe endlich entlassen hat und mich ins Bett geschickt hat. Jetzt fühle ich mich zwar nicht grade besser und oben drauf noch unproduktiv, aber wenigstens hab ich meine Ruhe. Nicht zum ersten Mal seit Tagen überleg ich, ob ich mir nicht irgendeinen Nebenjob suchen sollte. Ich weiß, es würde sehr viel mehr Zeit in Anspruch nehmen und meine Müdigkeit wahrscheinlich auf ein neues Level treiben, aber was stelle ich sonst mit meiner freien Zeit an? Und schlafen kann ich auch nicht wirklich, ob ich arbeite oder nicht. Vielleicht ist Kellnern eine gute Option. Ob hier in der Nähe ein Caffè ist oder so?

Ich checke noch einmal die Uhrzeit, dann hieve ich mich aus den Bett. Ich war seit Tagen nicht mehr draußen, das wird mir bestimmt gut tun. Frische Luft, direktes Sonnenlicht und andere Geräusche als rauchige Männerstimmen, Musik oder Gestöhne. Also ziehe ich mir ein neues, einfaches Outfit an, binde mir die Haare zu einem Zopf und stecke 10$ in die Hosentasche. Je näher ich der Eingangstür des Gebäudes komme, die für Personal gedacht ist, desto größer ist meine Freude darauf, endlich wieder draußen zu sein.

Aber meine Freude wird zu Nichte gemacht, als mich Chloe noch auf der Treppe abfängt. Anhand ihrer Stimmlage und Gesichtsausdruck, kann ich sagen, dass es keine guten Nachrichten sind, die sie für mich hat und das heißt für mich wahrscheinlich, dass ich meinen eigentlich Plan in die Tonne hauen kann. Ich seufze schon, bevor sie den Mund aufmacht. „Sorry, Kleine, er will dich wieder tanzen sehen." Er kann nur einer sein. Blaze Snyder. Und obwohl es paradox ist, bin ich nicht allzu enttäuscht, irgendwie fühle ich einen Funken... Erleichterung. Was sill das denn? Der Typ klaut mir grad freie Zeit! Und das wahrscheinlich nur, um mich blöd anzumachen.

„Es ist doch erst 16 Uhr.", werfe ich rein, in der Hoffnung, dass ich hier doch noch irgendwie rauskomme. „Und er will dich um 17 Uhr sehen. Eine Stunde ist nicht genug Zeit für einen Ausflug. Das weißt du auch." Mein Blick muss ihr zeigen, wie verwirrt ich bin. „17 Uhr?", frag ich dumm nach. „17 Uhr.", bestätigt sie. „Warum?"
Eine noch dümmere Frage hätte mir nicht rausrutschen können. „Frag Gott warum. Ich weiß nur, dass du um 17 Uhr fertig und mit einem Lächeln vor ihm stehen wirst." Das mit dem Lächeln ist unwahrscheinlich. Aber ihn wird es sowieso nicht interessieren. „Wir öffnen doch erst um-" Chloe spricht mir direkt in den Satz rein. „Wir öffnen, wann er sagt wir öffnen. 17 Uhr. Mach dich fertig."

„Ich mache mich fertig.", bestätige ich mit einer eher erschöpften Stimme.
Mal gucken, wie es heute wird mit ihm...

„Nur mit dir" |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt