Kapitel 56

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In meinem Kopf bricht eine ganz neue Welt zusammen. „Was... was meinst du?", stottere ich unter Tränen und sich immer weiter fressenden Schmerz. „Nate hat ein eigenes Business aufgezogen, er hat Auftragskiller ausgebildet und angeboten... Als Arthur genug hatte, als er genug von deiner Mutter hatte, hat er meinen Bruder kontaktiert. Er hat ihn engagiert deine Mutter umzubringen. Als sie tot war, hat Arthur ihn hintergangen. Lolita hat Nates Aufenthaltsorte verraten, weil sie das Strippcubgeschäft für sich wollte, ohne Nate und so konnte dein Vater mit seiner Sondereinheit Nate erschießen. Und keiner außer er, Nate und Lolita wussten darüber bescheid."

„Wie lange? Wie lange wusstest du es schon?", frag ich mit den paar Gefühlen, die ich noch aufbringen kann. „Elea, ich liebe dich. Es tut mir leid, ich-"
„Wie lange wusstest du es schon?!", schreie ich weinend. Er senkt Stimme und Blick. „Seit zwei Wochen." Er hat mir noch geholfen. Hat gesagt, er würde mir helfen und wusste dabei schon längst, was wirklich geschehen war. Hat gelogen und so getan, als würde er helfen. So getan als wäre ich ihm wichtig genug. Es ist ein Schlag ins Gesicht, ein verdammt harter. „Ich hasse dich.", hauche ich leise. Es sollte kaum zu hören sein, aber in diesem Moment erfüllen meine Worte den Raum. „Elea, es tut mir so leid..."
Ich höre ihm nicht mehr zu, doch leider fühle ich noch. Und so spüre ich genau, als der Hammer ein drittes Mal auf meine reglose Hand kracht. Dieses Mal ist Schmerz und Leid so überwältigend und mein Wille so schwach, das ich noch während das Metall sich in mein Fleisch bohrt, nach vorn kippe und mein Bewusstsein verliere.

Blaze

Eleas Schrei zerreißt mein Herz und der Anblick, wie Zayne zum dritten Mal ihre Hand zerschmettert, ist noch viel schlimmer. Als sie dann auf dem Stuhl zusammenfällt, der Kopf auf den Tisch fällt, in ihr eigenes Blut, schreie ich noch einmal aus ganzem Herzen ihren Namen, aber sie ist bereits bewusstlos. In ihrer Lage grade eher ein Segen als ein Fluch. Zayne zieht den Hammer weg und geht einen Schritt zurück. Marcell lässt sie einfach los, sodass auch der Rest ihres Körpers in sich zusammenfällt, als hätte sie keine Muskeln mehr. Mein Vater betrachtet sein Werk mit einer ekelhaften, zufriedenen Miene. „Das sollte dir eine Lehre sein, mein Sohn. Irgendwann wirst du es verstehen." Man zieht mich auf die Beine, festgehalten werde ich trotzdem noch. Ich spucke verachtend auf den Boden. „Du bist ein Monster.", knurre ich so böse ich kann. Er dreht sich locker zu mir un und richtet seinen Kragen. „Du bist mein Sohn, du bist ein genauso großes Monster wie ich. Denke nicht, dass nur weil du einen Menschen liebst, dass du ein gutes Herz hättest. Und denke nicht, dass nur weil dir ein Mädchen sagt, dass du gut bist, du es auch wirklich bist. Du bist ein Mörder und wirst es immer bleiben, jetzt benimm sich verdammt nochmal wie es sich gehört. Ich will nie wieder ein Wort über Elea, Liebe oder sonst etwas hören." Ich starr ihn reglos in die Augen. Es hat keinen Sinn. Ich kann nur noch eines tun, hier unten. Mitspielen und danach für Elea sorgen und dafür, dass sie vor mir sicher ist. Ich muss sie gehen lassen, wenn ich sie wirklich liebe und anscheinend kann ich nicht mit ihr gehen.

„Versprich mir nur, dass sie ab jetzt hier sicher ist. Ihr darf nicht mehr weh getan werden. Arthur liebt sie vielleicht nicht, aber sein Ruf ist ihm wichtig. Wenn du sie... sie zu verletzt abgibt, tauscht er vielleicht nicht mehr. Vielleicht nimmt er die Sache dann selbst in die Hand."

„Sie bleibt hier unten, Marcell bleibt bei ihr. Vor der Tür zwei Wachen, aber sie ist sicher vor Schmerzen. Nicht vor denen die sie bereits hat, muss man sagen." Die Erinnerung daran, lässt meine Hände zu Fäusten werden. Und gleichzeitig meine Brust zum schmerzen. Wie konnte ich es nur dazu kommen lassen? Wie konnte ich so dumm sein? Sie nicht sofort in Sicherheit zu bringen? Ich wusste, was passieren würde und ich hab es nicht verhindert. Ich nicke und mein Vater begibt sich zur Tür. Zayne brav im Schlepptau und dann lassen mich auch endlich die beiden Idioten los. Wenigstens sagt mein Vater nichts, als ich dem einen das Nasenbein breche und dem anderen drei Zähne ausschlage. „Komm", befiehlt mein Vater, als er schon zur Tür raus ist. Ich gucke noch einmal zu Elea, die noch immer nur so da liegt. Marcell, mein Halbcousin, dahinter mit einem wohlwollenden Grinsen.

Ich hasse ihn und einer der vielen Gründe dafür ist, weil er sich gerne mal an einer Frau vergriffen hat. „Wenn ich herausfinde, dass du sie auch nur angefasst hast, schneid ich deine Eier ab und stopf sie dir in dein Maul, bis du dran erstickst." Er hebt spielerisch unschuldig die Hände. „Ich doch nicht, Blaze." Noch einmal gucke ich zu ihr. Am liebsten würde ich zu ihr rennen. Sie auf den Arm nehmen und ganz weit weg bringen, doch ich bin unbewaffnet, alleine und ohne Plan. Ich habe keine andere Wahl. Und so lasse ich sie hinter mir. Ihre letzten Worte in meinen Ohren, ihr Blut vor meinen Augen.

Ich hasse dich.

Elea

Meine Finger zucken unwillkürlich vor mir auf dem Boden. Ich weiß nicht wie ich auf dem Boden gelandet bin. Weiß sogar einen ganzen Moment lang nicht mal wo ich überhaupt bin. Jetzt tut nicht nur mein Kopf und mein Magen weh, der ganze Schmerz konzentriert sich auf meine pochende Hand. Ich weiß nicht ob es möglich ist, aber ich glaube, die blutet immer noch. Es ist dunkel und kalt und ich bin alleine. Ich kann Stimmen hören, aber die sind vor der Tür. Eine der Stimmen kann ich Marcell zu ordnen. Ich bin also alleine. Allein, verlassen, betrogen und gefoltert liege ich auf dem kalten Boden in meinem eigenen Blut und hab keine Ahnung, wie es mit mir weiter geht. Mir kommen wieder Blaze und seine Worte in den Kopf. Ich wünschte, ich würde sauer werden, aber nicht einmal das kann ich mehr. Ich liege nur da.
Ich will nicht mehr. Als ich die Augen wieder schließe, wünsche ich mir insgeheim, dass ich sie erst gar nicht wieder aufschlagen muss.

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