Was gestern passiert ist, realisiere ich immer noch nicht vollkommen. Es ist wie ein Traum, der mir neblig im Kopf steckt. Etwas wovon man im Schlaf träumt und am nächsten Morgen nur noch einzelne Stücke und Fragmente im Kopf hat, von dem was wirklich war. Ein Traum, zu surreal, zu absurd, zu interessant, um wahr zu sein. Und doch ist es das. Wahr. Es ist passiert, da war kein Traum, keine Tagträumerei, es war die pure Wahrheit und selbst wenn es keine sichtbaren Beweise gibt, weiß ich, dass es stimmt. Ich spüre noch immer ganz genau die Stellen meiner Haut, die er sanft und zaghaft mit seinen weichen, großen Fingern berührt hat. Die Stelle an Kinn und immer weiter hinauf. Wäre ich jemand anderes gewesen oder er oder hätte ich zugegeben, was er wusste, hätte er weiter gemacht? Hätte aus so einer kleinen Berührung, die ein unvergessliches Gefühl des Kribbelns in mir heraufbeschworen hat, etwas anderes werden können? Mehr?
Wer weiß das schon? Ich weiß nur eins, ich habe das bisschen Kontakt, was er mir gegeben hat in vollen Zügen genossen und gehofft, es würde nie aufhören, dabei hätte es nicht einmal anfangen dürfen. Mir ist erst Stunden später, als ich im Bett lag und nicht einschlafen konnte klar geworden, dass er das nicht hätte tun dürfen. Die oberste Regel im Strippclub, Gucken, nicht anfassen, hat er für so eine absurde Berührung gebrochen. Und ich hab es ihn durchgehen lassen.
Ich bin mir sicher, dass das lange nicht sein einziger, nicht der erster und nicht der schlimmste Regelbruch war, den er unternommen hat, aber es war einer. Ich bin einer seiner Fehler und er meiner. Wenn ich vor gestern daran gedacht habe, wie mich dieser Mann irgendwann mal berühren würde, wäre mir vieles in den Sinn gekommen. Ein Greifen nach meinem Handgelenk, ein bestimmendes Schubsen oder Drücken, vielleicht sogar ein Ausrutschen seiner Hand, aber dieses zärtliche Streicheln, war nie eine Option. Doch genauso wenig hab ich daran gedacht, dass er mir mal von seinem Tag erzählen würde, davon, wie er jemanden umbringt und sogar foltert.Ich muss es wissen, das ist nichts, nur Gespiele. Eine Fassade, um was auch immer zu bewirken. Seine Worte und Taten in meiner Gegenwart sind nichts als Lügen und Schauspielerei, ich muss es einfach wissen, aber irgendwas hat mich dazu gedrängt, ihm von meinem Leben zu erzählen. Wenn auch nicht viel, wenn auch nie die ganze Wahrheit, wenn auch ohne Namen, es war ein Teil meiner Geschichte, den sonst fast niemand kennt. Es kommt noch viel schlimmer. Als ich heute keine Nachricht von Chloe kriege, bevor oder während meines Auftritts und auch Snyder sich nicht selbst blicken lässt, glaube ich tatsächlich so etwas wie Bedauern zu empfinden. Dies versuche ich einfach als Stimmungsschwankungen und belangloses Rumdenken anzutun. Was passt, denn meine Periode ist bald fällig.
Es bedeutet nichts, sag ich mir den ganzen Abend und die ganze Nacht. Und es stimmt, denn was sollte es schon bedeuten, außer, dass ich einen Mann attraktiv finde und er mich? Nichts. Rein gar nichts.—
Doch als am nächsten Abend immer noch nichts kommt und ich wieder meine üblichen Vorstellungen hinlege, ohne irgendwelche Komplikationen oder Zwischenfälle, schlägt Bedauern in Enttäuschung um. Bereut er, dass er mit mir geredet hat? Dass er sich mich überhaupt angeguckt hat? Sich mir anvertraut hat und es zugelassen hat, dass ich es bei ihm tue? Bereit er die Berührung?Was redest du denn da?!, motzt mich meine innere, realistisch denkende Stimme an. Warum sollte ein Mann, wie Blaze Snyder über dich nachdenken? Warum sollte er sich den Kopf darüber zerbrechen, was er mit der Stripperin anfängt, wenn er grade Leute umbringen muss? Reiß dich zusammen und mach deinen Job, so wie es die all die Menschen, um dich herum sagen. Ja, genau das tue ich. Arbeiten, einfach arbeiten.
Blaze
Es ist verrückt. Ich sollte mich um meine neuen Aufträge kümmern, um einen Gefängnisausbruch und einen Plan, wie ich an den Bürgermeister ran komme und alles, was ich brauche liegt vor mir auf dem Tisch ausgebreitet. Aber da ist die eine kleine Sache, die mir nicht aus den Kopf gehen will. Eine kleine, trotzige, wunderschön aussehende und tanzende Sache. Nach zwei Stunden im Arbeitszimmer, in denen ich nichts leiste, außer zu grübeln, Skizzen und Papiere anzustarren und mit meinem Bein auf und ab zu wippen, beschließe ich, dass ich Dampf ablassen muss.
Ich dachte mein Bedürfnis, jemanden die Visage einzuschlagen und rum zu schießen, würde verschwinden, wenn ich den Schützen aus der Welt geräumt habe, aber das war ein Irrtum. Die Trauer ist weiterhin da, der tiefsitzende Schmerz wurde nicht mal für ganze Zwei Tage gelindert und der Wunsch nach Rache an irgendjemanden ist lange nicht ausgebrannt. Ich will jemanden zur Verantwortung ziehen. Am liebsten jeden Menschen, der nur ansatzweise von dem Vorhaben wusste. Jede dieser Seelen soll nicht mehr auf der Erde weilen, wie Nate. Sie alle sollen untergehen.
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„Nur mit dir" |✔️
RomanceElea führte ein perfektes Leben. Natürlich, denn wie kann es anders sein, wenn man Tochter eines reichen Mannes und einer wunderschönen Frau ist? Doch hinter den Fassaden der großen Villa haben sich ihr Leben lang Risse verborgen. Nachdem ihre Mutte...