Kapitel 58

3.2K 122 21
                                    

Mein Körper ist so erschöpft, dass ich nachdem ich etwas gegessen habe, noch während der Arzt, Knochen richtet, Fleisch zusammenlegt und Haut zusammennäht, in einen unruhigen Schlaf drifte, aus dem ich dafür um so sanfter aufwache. Ich hab nicht wirklich tief geschlafen, deswegen wache ich sofort auf, als sich die Tür öffnet, durch die Nesrin vor Stunden verschwunden ist, nachdem ich nichts mehr gesagt habe. Und jetzt geht kein geringerer als Blaze persönlich durch die Tür. Gekleidet in schwarzen Hemd und Hose, an seinem Gürtel seine Pistole, seine Haare perfekt gegelt, seine Haltung aufrecht und stolz und sein Blick... erst guckt er mit seinem harten, undurchdringlichen Blick, doch als er auf mich guckt, dann auf den Doktor, der noch immer beschäftigt ist, verändert sich sein Blick zu etwas weichem. Ein Blick voller Mitleid, Reue und Sorge. Nur will ich von all dem nichts hören.

Der Arzt legt die Nadel weg, tupft etwas Blut von meinen tauben Fingern und dreht sich dann der Tür und somit Blaze zu. „Sie kommen wie gerufen, Sir. Ich habe getan, was ich konnte, der Rest liegt jetzt an ihr und der Ruhe, die die Hand braucht. Man kann von Glück reden, dass es nicht die dominantere Hand war, sonst bestehe die Gefahr, dass sie alles von neu lernen müsste. Es dauert seine Zeit, Geduld und Reha und die Hand wird nie wieder die Kraft und Beweglichkeit wie vorher haben, aber es wird besser. Selbst den Zeigefinger konnte ich wieder vollständig zusammensetzen." Blaze schaut nicht zum Arzt, nur zu mir. „Danke, Doktor für ihre Arbeit und ihr Schweigen." Der kleine Arzt mit Brille, deutet eine Verbeugung an, dann dreht er sich zu mir, um meine verbundene und geschiente Hand vorsichtig auf meinen Bauch zu legen.

„Die Betäubung wird schon bald verschwinden, dann empfehle ich Ihnen starke Schmerzmittel." Ich nicke ihm zu. „Danke" Er beugt seinen Kopf auch von mir, dann packt er alles ein und während er das tut, starren ich und Blaze uns nur an. Keiner sagt was. Keiner tut was. Nur starre Blicke, die grade vielleicht mehr sagen als tausend Worte. Sein Blick, als würde er um Vergebung bitten und meiner kalt und abweisend. Blaze tritt einen Schritt zur Seite, um den Doktor hinaus zu lassen. Dann fällt die Tür leise ins Schloss. „Ich will kein Wort hören.", sage ich von uns beiden als erste. Anders als erwartet nickt er. „Ich verstehe."

„Dann geh. Geh und komm mir nie wieder unter die Augen.", zische ich weiter. Da ist wieder sein stures Verhalten. Er geht einen steifen Schritt auf das Bett zu. „Lass mich wenigstens hier bleiben."
„Warum sollte ich das wollen? Weißt du wie es sich anfühlt allein gelassen zu werden? Weißt du wie es sich anfühlt zu denken, man wäre alleine und dann kommt ein Mensch, der einem glauben lässt, man wäre es doch nicht?" Ich dachte ich hätte all meine Tränen aufgebraucht, aber sie steigen wieder an. Ich kann das Brennen fühlen. „Ich habe dir geglaubt! Ich habe dir vertraut! Schlimmer noch, ich habe dich geliebt!" Er zuckt kurz zusammen. „Antworte mir!", befehle ich wütend. Er hebt das Kinn und ich kann es kaum fassen, als seine Augen glasig vor Tränen glänzen. „Nein, Elea, ich weiß es nicht."

Er kommt einen Schritt um das Bett auf mich zu. Ich richte mich sofort in meinen Kissen auf, mache mich so groß ich kann. „Aber ich weiß, wie sich Schmerz anfühlt." Noch ein Schritt. Er ragt groß über mich heraus und mit jeden Schritt muss ich meinen Kopf ein Stücke weiter heben.
„Es bringt nichts, dir wieder und wieder zu sagen, wie leid es mir tut oder dass ich dich liebe. Der Schmerz ist zu groß." Jetzt steht er direkt vor mir. „Der Schaden, den ich angerichtet habe ist zu groß." Ich lehne mich nach vorne und schaffe es mit Mühe mich auf meine Knie zu wälzen, sodass sich mich noch ein Stück zu ihm hochstrecken kann. „Was in Gottes Namen tust du dann noch hier?", gifte ich ihn böse an. Dabei gucke ich ihn mit zusammen gekniffenen Augen an.

„Sturheit, Liebe, Hoffnung, nenn es wie du willst.", antwortet er. Die Tränen wieder versickert. „Ich will es nicht benennen, ich will es nicht. Ich will dich nicht." Er beugt sich runter, stützt sich mit den beiden starken Armen auf dem Rand des Bettes ab und lässt sein Gesicht über meinem schweben. „Nach heute, siehst du mich nie wieder."
„Ein Segen.", spucke ich. Doch tief in mir weiß ich, dass mit heute ein weiterer Teil von mir selbst fehlen würde. „Selbst am Ende unserer Geschichte, weigerst du dich die Wahrheit zu sehen." Als er diese Worte spricht, packt mich Wut und Frustration. Ich kann es selbst nicht fassen, als ich nach seinem Gürtel greife. Nach seiner Waffe. Er hält meine rechte Hand nicht auf. Ich weiß dass er es könnte, aber er lässt es geschehen. Mit Tränen in den Augen, Tränen die aus zu vielen Gefühlen bestehen, als dass ich sie aufzählen könne, halte ich die Waffe vor seine Brust.

Er zuckt nicht mal mit der Wimper. „Ist es das, was du willst?", fragt er ruhig. „Meinen Tod?" Ich beiße mir auf die Zunge, um nicht zu schluchzen. „Denn glaub mir eins, Elea, wenn mein Tod das ist, was du brauchst, um wieder glücklich zu sein, gebe ich bereitwillig mein Leben." Ich spüre, wie er seine Hand um meine legt, die Hand die die Waffe jetzt durch seine Kraft etwas fester gegen seine Brust drückt. Seine Finger bringen meinen sogar dazu, die Waffe zu spannen. „Ich hab geliebt, was wir beinahe hatten.", flüstere ich leise mit gebrochener Stimme. Eine Träne rollt mir über die Wange und ich schließe noch einmal die Augen. Ich könnte diesem Elend ein Ende bereiten und es stimmt, vielleicht war da der Wunsch, ihn einfach nie wieder sehen zu müssen, zu wissen, dass es nicht möglich ist. Aber nicht durch seinen Tod.

Meine Hand verliert in seiner die Spannung, dann strecke ich mich das letzte Stück zu ihm nach oben, meinen gesunden Arm, die Waffe noch immer in der Hand, werfe ich ihm um den Hals und meine Lippen suchen seine. Er schlingt einen Arm um meine Taille, mit der anderen schützt er meine gebrochene Hand in meinem Schoß damit sie ja nicht berührt wird. Wie wild geworden küssen wir uns. Unsere Zungen kämpfen ein letztes mal miteinander. Ein letztes Mal noch will ich ihn voll schmecken, will alles aus diesem Kuss nehmen, was ich von ihm kriegen kann. „Das ist das Ende, Blaze.", flüstere ich danach an seine Lippen. Er legt seine Stirn gegen meine ich kann sehen, wie eine Träne, die nicht mir gehört auf seine Hand fällt, in meinem Schoß. „Ich weiß.", meint er rau. „Ich weiß.", wiederholt er leiser.

Es klopft an der Tür, unser Moment vorbei. Blaze lehnt sich ein Stück zurück. Ich kann genau erkennen wo seine Träne entlang gerinnt ist, aber mehr ist da nicht. Seine Augen sind nicht einmal rot geworden. „Blaze, kommst du einmal?", ruft Simon durch die Tür.
„Ich komme sofort.", antwortet Blaze laut zurück. „Ich bin gleich wieder da, versprich mir nur, dass du mir gleich noch andere letzte Worte schenken kannst, als Das ist das Ende." Ich schniefe und nicke. Dann steht er auf, schaut noch einmal zurück, dann ist er draußen. Lässt mich, seine Waffe und sein Handy, das ich von ihm stehlen konnte allein zurück. Ich kann es nicht. Ich kann nicht mit ansehen, wie er sein eigenes Leben zerstört. Als ich diese Tränen grade wieder vergossen habe, musste ich mich an Worte meiner Mutter erinnern.

„Wenn es dich immer noch zum Weinen bringt, ist es immer noch wichtig." Blaze ist wichtig. Und ich kann nicht nichts tun.

Selbst meine gesunde Hand zittert in diesem Moment so sehr, dass ich viel zu lange brauche, um die Nummer von Arthur zu wählen. Eine der einzigen Nummern, mit der von meiner Mutter, die ich auswendig kann. Es klingelt Fünf Mal, dann brummt eine dunkle, bekannte Stimme ein geleiertes Wer ist das? in den Hörer. Ich brauche mein Weinen nicht vorzuspielen. „Dad? Ich bin's. Ich... ich bin es." Der Mann, der mir nicht fremder sein könnte, seufzt gespielt. „Elea, Kind, wo bist du? Ich komme dich holen. Sag mir nur wo du bist." Ich höre Stimmen im Hintergrund. „Es ist Blaze Snyder *Schluchzen*, er hat mich entführt. Bitte, ich will nur nach Hause. Ich bin verletzt. Du musst kommen, Papa." Papa, ich könnte kotzen, als ich ihn so nenne. „Wo bist du?" Schon jetzt höre ich wieder das genervte aus seiner Stimme. „Ich weiß es nicht, aber ich kann dir einen Standort schicken." Nervös nehme ich das Handy vom Ohr, entsperre Blazes Handy, den Code habe ich mal mitbekommen, er hat es nicht grade versucht zu verstecken. Dann schicke ich einen Standort an die Nummer meines Vaters.

„Ihr müsst euch beeilen, sie wollen mich irgendwo hinbringen."
„Wie viele sind bei dir?"
„Drei, nein Vier Leute, sie sind gut ausgebildet, du darfst ihnen nichts tun. Ich werde im Aufzug sein. Wie lange brauchst du?" Ich schluchze immer mal wieder. „15 Minuten, höchstens. Ich komme, Elea." Dann legt er auf. Er beendet den Anruf und seine Worte beginnen jetzt schon an mir zu nagen. Ich komme, Elea.

„Nur mit dir" |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt