Kapitel 48

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Elea

Ich wache auf, als sich etwas neben mir bewegt und fahre aus dem Liegen sofort auf ins Sitzen. Beruhigen tue ich mich sofort, als Blaze über mir steht. „Was machst du?", nuschle ich völlig verschlafen und leg mich wieder auf meinen Arm ab. Er geht etwas in die Hocke, schiebt mir Haare hinters Ohr und betrachtet mich einen Moment, in dem mir die Augen kurz wieder zufallen. „Ich bring dich nur ins Bett. Auf dem Sofa ist es nicht gemütlich." Ich würd ja gern protestieren und sagen, dass ich selbst gehen könnte, aber stattdessen nuschle ich nur unverständliche Worte und nicke mit geschlossenen Augen. Seine Hände schieben sich unter meinen müden Körper, dann werde ich an ihn gedrückt. Meine Wange liegt direkt an seiner warmen Brust und ich kann genau seinen regelmäßigen Herzschlag hören. Mit seinem Herzschlag, der angenehm in meinen Ohren pulsiert, schlafe ich schon auf seinem Arm wieder ein.

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Das Training mit Blaze war härter als sonst und irgendwie wirkt er schon den ganzen Morgen abwesend, aber ich kann nicht genau sagen, was mich das denken lässt. Ich kann nicht sagen, was mich daran so stört. Eigentlich wollte ich den Tag wie jeden anderen verbringen, doch seit gestern konnte ich Nesrins Worte immer noch nicht vergessen. Blaze hat uns alle Vier aus einer schwierigen Lage gerettet, er hat mir, wie auch den anderen dreien, ein neues Leben gegeben. Wie undankbar wäre es, ihm da nicht in dieser schwierigen Situation zu helfen? Außerdem vertraue ich Nesrin wirklich. Ich hab gesehen, wie talentiert und wie tödlich alle von ihnen sind. Für mich besteht kein Zweifel, dass diese Menschen mich nicht nur beschützen wollen, sondern auch können. Also nehme ich nochmal meinen Mut und meine Geduld zusammen, um mich Blaze zu sprechen. Doch als ich mit ihm sprechen will, ist er grade tief in ein Telefonat verwickelt, was nicht sehr erfreulich scheint, also schließ ich die Tür wieder zu seinem Büro und beschließe mir die Zeit, die er beschäftigt ist noch etwas zu vertreiben.

Ich fahr mit dem Aufzug nach oben und staune nicht schlecht. Was gestern noch ein Chaos war ist heute ein Studio. Die Farbe ist vielleicht noch nicht getrocknet, aber sonst ist alles an Ort und stelle. Alles auf gehangen und aufgebaut. Es ist erstaunlich und die Spiegel lassen den sowieso schon großen und mit Sonnenlicht überfluteten Raum noch mal doppelt so groß aussehen. Ich verschwende gar nicht erst Zeit. Meine Socken ziehe ich aus, die Haare binde ich in einen Dutt und dann fehlt nur noch die Musik. Ich entscheide mich für Piano Musik, die mich an die Stücke erinnert, die meine Mutter so oft spielte. Zu denen hab ich immer gern getanzt, dann wirkte alles so friedlich und heil. Nachdem ich mich aufgewärmt und gedehnt habe, beginne ich mit einfachen Tanzschritten, die sich mehr und mehr in richtige Choreografie. Wie immer, wenn ich tanze, vergesse ich alles um mich herum und alles was es gibt ist die Musik und mein Körper, der sich zu dieser bewegt. Mit Drehungen, Sprüngen, Pirouette oder Bodenstücken bewege ich mich durch den riesigen Raum. Die Zeit ist mit vergessen.

Ich werde erst wieder ins Hier und Jetzt geholt, als das Lied endet und ich außer Atem ein paar Schritte gehe, um Seitenstiche vorzubeugen. Als sich etwas in meinem Blickfeld bewegt, schreck ich zusammen, woraufhin Blaze, der gegen die Wand gelehnt da steht, amüsiert lächelt. „Verdammt, wie lange stehst du da schon?", frag ich hetzend und laufe zur der Ecke, wo eine Wasserflasche steht. „Lang genug, um zu sagen, dass grade mit Abstand das schönste in meinem ganzen Leben mit angesehen habe." Statt zu meckern, dass er da stand und mich still und heimlich beobachtet hat, werde ich jetzt schon wieder rot und versteck mein Gesicht schnell hinter der Flasche. „Ich hab was für dich." Ich stell die Flasche ab. Meine Arme schlinge ich um meinen Oberkörper, der nicht mehr in dem Hoodie von vorhin steckt, sondern nur noch in einem einfachen Top. „Du hast mir genug gegeben. Ich meine guck dir diesen Palast an." Er nickt und schlendert langsam auf mich zu. „Es gehört noch dazu."

„Blaze, wirklich..." Er läuft an mir vorbei zum Gang, wo ein Schrank steht, in dem soweit ich weiß nur Turnmatten und andere kleine Sportgeräte liegen, doch zurück kommt er mit einem schwarzen Karton, der umbunden ist mir einer weißen, seidigen Schleife. „Ich bestehe drauf.", betont er eindringlich und bleibt vor mir mit besagter Box stehen. Ich beiß mir unsicher auf der Unterlippe rum. „Schön, aber nur noch das eine Mal." Er nickt zufrieden. „Natürlich" Ich wische erst einmal de Schweiß von meinen Hände, indem ich sie an meiner Leggins abwische, dann öffne ich vorsichtig die Schleife, die leise zu Boden segelt. Noch vorsichtiger hebe ich dann den Deckel von der Kiste. Als ich den Inhalt erblicke, fehlen mir die Worte. Darin liegen auf gefalteten weißen Stoff, der nur zu einem Kostüm gehören kann, brandneue Ballettschuhe. Erst starre ich den Inhalt nur an. „Ich dachte, wenn du schon den Ort hats zum Tanzen, bräuchtest du auch die passende Ausrüstung dazu." Bevor ich was sagen kann, oder etwas aus der Box nehme, um es mir näher anzugucken. Schieb ich seinen Arm mit der Kiste zur Seite und falle ihm um den Hals.

„Es ist perfekt, Blaze.", murmle ich in sein Ohr und drücke ihn noch fester, als er mir eine Hand auf den Rücken legt. „Es ist alles perfekt, danke." Er küsst meine Schläfe, danach gehe ich wieder auf den ganzen Fuß zurück. „Guck es dir erstmal in Ruhe an, bevor du dich bedankst.", meint er scherzhaft, aber ich kann nicht lachen, nur vor Freude strahlen. Erst nehme ich die rosa-weißen Schuhe heraus. Meine Größe, die beste Marke für Ballettschuhe überhaupt und wunderschön noch dazu. Ich lege sie an die Seite der Kiste, um dann die Stücke Stoff darunter heraus zu nehmen. Das eine weiße Teil ist ein Tanzbody, ebenfalls in meiner Größe und von bester Qualität und darunter liegt noch der passende Seidenrock. „Ich weiß nicht was ich sagen soll."

„Dann sag nichts.", antwortet er mit einer warmen und liebenden Stimme. Doch ich weiß, was ich sagen muss. Ich beiße mir auf die Innenseite meiner Wange. Komm schon, Elea. Rede mit ihm. Blaze, ich... ich will etwas tun." Ich nehme den Deckel und lege ihn sachte wieder auf die Kiste, die ich ihm dann abnehme und neben uns auf dem Boden abstelle. Bevor ich weiter spreche, nehme ich seine Hände in meine, die in seinen so unglaublich klein und zart wirken. „Was ist es?", fragt er interessiert nach. „Ich will dir helfen. Bevor du was sagst, ich weiß, du wolltest nichts mehr davon hören, ich weiß, aber... ich will es. Ich will nicht nur rum sitzen und nichts tun, ich will helfen. Wir haben einen Deal abgeschlossen. Du hast alles getan, was du konntest, um Beweise am Mord meiner Mutter zu finden. Ich will auch alles tun, was ich kann. Wenn ich der Weg zu deinem Onkel bin, dann nutze ihn. Sperr mich nicht ein. Ich werde in einer Woche 18, Blaze, dann hat mein Vater kein Recht mehr über mich zu bestimmen. Dann kann ich frei sein, mit dir."

Dass er mir zuhört und mich ausreden lässt, fasse ich als eine gute Sache auf, doch ich freue mich zu früh. „Mein Nein, bleibt ein Nein, Elea. Das gilt auch für dich." Ich muss die ansteigende Aufregung und den kleinen Funken Zorn über diesen Stolz runterschlucken. „Blaze, ich will es. Wirklich."
„Es ist mir nicht egal was du willst, aber in diesem Fall, geht es nicht darum, was du willst, sondern, was für dich das beste ist." Ich drücke seine Hand, um etwas Druck abzulassen. „Aber woher willst du wissen, was gut für mich ist? Blaze, du hast so viel für Nesrin und Simon und Nathan und mich getan, jetzt lass dir helfen."
„Ich werde das nicht zulassen.", sagt er wieder strenger, ein Ton, der mir nicht gefällt. Ich ziehe meine Hände aus seinen heraus und trete einen Schritt zurück, meine plötzliche, hitzige Laune zwischen uns. „Warum? Blaze, sag mir einen guten Grund, warum nicht! Warum darf ich dir nicht helfen, warum vertraust du nicht auf das Können von Nesrin?" Sein Gesicht verspannt sich sofort, bei meinen anklagenden Fragen. „Es reicht, Elea. Ich habe es so gesagt, deswegen." Er will einfach an mir vorbei, aber ich stelle mich vor ihn hin. Stelle mich ihm in den weg und gucke trotzig nach oben. „Was ist es, Blaze? Wovor hast du eine solche Angst, dass dir keiner zu nahe kommen darf? Wovor hast du Angst?"

„Dich zu verlieren! Ich habe davor Angst, dich zu verlieren verdammt!" Mir fällt der Mund leicht auf, meine Arm senken sich an meinen Seiten langsam. „Ich habe Angst, weil ich dich liebe, Elea. Siehst du das denn nicht?" Ich bin wie gelähmt. Weil ich dich liebe. Er liebt mich. Blaze liebt mich. Sein Gesicht ändert sich, doch ich kann nicht sagen, was für Gefühle sich da wieder finden. Fakt ist, ich weiß grade gar nichts mehr. Weil ich dich liebe. Ich gehe noch einen Schritt nach hinten. „Elea..." Mein Name aus seinem Mund weckt mich aus meiner Starre. „Ich kann das nicht.", kommt es aus mir heraus. Blaze sagt nichts. „Ich kann das nicht.", sag ich nochmal wie zu mir selbst. Ich schnappe mir meinen Hoodie, der in der Ecke liegt, ziehe ihn mir über, dann renn ich, ohne noch einmal nach hinten zu gucken zum Aufzug. Blaze geht mir nicht hinter her. Erst als ich im Aufzug stehen, gucke ich noch einmal zu ihm.

Er steht mit steif in der Mitte des Saals, neben seinen Füßen die schwarze Schachtel. Sein Blick unbeschreiblich. „Es tut mir leid.", flüstere ich leise, als mir Tränen in die Augen steigen. Dann schließen sich die Türen.

„Nur mit dir" |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt