96. In the Storm - Im Sturm (Tsukishima x OC)

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Ihre Hände zitterten vor freudiger Erwartung. Der kühle Wind fröstelte sie und sie versuchte ihn einfach auszublenden, als sie mit ein paar einfachen Bewegungen versuchte ihre Finger aufzuwärmen.
Um sich besser zu konzentrieren, schloss sie ihre Augen und atmete tief ein. Die Geräusche draußen vom Schulhof drangen gedämpft durch das geöffnete Fenster und störten sie nicht. Es waren Geräusche des Lebens, sie gehörten dazu.
Als sie ihre braunen Augen langsam wieder öffnete und das Blatt vor sich ansah, begann es wie immer in ihrem Inneren zu kribbeln. Die kurze Euphorie, vor dem Fall in ihre eigene Welt.
Behutsam senkte sie ihre Finger auf die Tasten und der erste Ton erklang. Er erfüllte sie mit so viel Emotionen, dass sie augenblicklich gefangen war und sich einfach treiben ließ.
Es war egal, wie der Tag bis jetzt verlaufen war. Völlig egal, wie sie sich wenige Sekunden zuvor noch gefüllt hatte.
Alles was zählte, war das bekannte Gefühl der Tasten des Klaviers unter ihren zarten Fingern.
Es beförderte sie in neue Welten, Dimensionen, einfach nur weit weg von hier. Weg von der traurigen Realität.
Schon bald war sie nicht mehr in dem einfachen Musikzimmer ihrer Oberschule, nein Kanade ließ sich von den wunderschönen Klängen treiben. Wehte mit dem Wind hinaus in die weite Welt und verlor sich in ihren Träumen.

Genervt packte er seine Sachen in die Tasche. Am liebsten hätte er jetzt schon einfach die Kopfhörer über die Ohren gezogen und wäre einfach gegangen. Weg von hier, einfach nach Hause. Aber das war nach der Aktion wohl unmöglich.
Warum waren Menschen nochmal so anstrengend?
Er würde jetzt nicht gleich sagen, dass er selbst einer der einfachen Sorte war, nein im Gegenteil. Eigentlich war er nie mit irgendwem oder irgendetwas richtig zufrieden oder zu begeistern.
Warum auch? Dann war die Enttäuschung nur umso größer und der Fall noch schlimmer.
Ihm war selbst bewusst, dass es nicht die feine Art war, deshalb andere mit seiner negativen Einstellung zu beeinflussen oder mit runterzuziehen. Aber eigentlich kümmerte es ihn auch nicht. Dennoch ging ihm der Blick seiner Klassenkameradin nicht aus dem Kopf, als er ihr nicht gerade durch die Blume gesagt hatte, dass sie zu dumm für diese Welt war. Zu unfähig irgendwas zu machen.
Aber warum stolperte diese tollpatschige Kuh auch mit ihrem heißen Tee und schütte alles über seine geliebten Kopfhörer?
Sie waren doch alles, was ihn von den anderen Idioten abschirmte.
Seufzend warf er die kaputten Hörer in seine Tasche. Tsukishima hatte keine Ahnung, wie er den restlichen Tag überstehen sollte ohne Musik.
Es erdete ihn. Brachte ihn zurück und war seine Rückzugsmöglichkeit zugleich. Ohne Musik hatte er das Gefühl immer weiter fortzutreiben, ohne zu wissen wohin. Konnte sich nicht auf das wesentliche fokussieren und war, vielleicht ein klein wenig, verloren. Das würde er aber niemals irgendjemanden sagen.
Eigentlich war er sogar ganz froh, dass heute kein Training war. Obwohl auf der anderen Seite hätte er sich dort dann ordentlich abreagieren können. So blieb ihm nur die schnellstmögliche Flucht nach Hause.
Dort würde er sein zweites Paar Kopfhörer aufsetzten und die Musik so laut, wie er es aushielt, aufdrehen und sich fallen lassen. Die schlechten und schlimmen Dinge vergessen und sich selbst resetten.
„Tsukishima-kun, kannst du mir bitte beim Tragen helfen?", erklang die freundliche Stimme seiner Lehrerin.
Am liebsten, wäre er einfach gegangen, doch er war nun mal gut erzogen worden.
„Natürlich", antwortete er und setzte ein falsches Lächeln auf.
Mit Vergnügen würde er jetzt auch noch den Packesel für andere Leute spielen. Er hatte ja sonst nichts Anderes oder Besseres zu tun.
Der Weg zum Lehrerzimmer verlief zum Glück ruhig. Der Blonde war einfach nur froh, dass sie kein unnötiges Gespräch versuchte anzufangen. Vor allem, weil sie den Trubel wegen seiner dämlichen Mitschülerin mitbekommen hatte. Er befürchtete schon fast, dass das der Grund war, wieso er hatte mitkommen sollen. Aber es blieb weiter ruhig.
Als alles erledigt war, bedankte sich seine Lehrerin und er machte sich endlich auf den Heimweg. Die Vorfreude, endlich die Schule für heute zu verlassen, war groß.
Plötzlich vernahm er leise, zarte Töne. Kurz blieb er stehen und lauschte. Kannte er das Lied nicht?
Einem inneren Gefühl folgend, ging er Richtung Musikzimmer. Die Musik wurde immer lauter und er konnte nichts gegen die Neugier tun. Als er auch noch leise anfing zu summen, weil die Melodie ihm so bekannt vorkam, stockte er. Es war schon faszinierend, was eine Wirkung ein paar schöne Töne auf einen Menschen haben konnte.
Endlich war er an seinem Ziel. Zuerst hatte er es für ein Lied gehalten, das einfach abgespielt wurde. Doch jetzt, direkt davor, registrierte er, dass wirklich jemand an dem alten Klavier saß und spielte.
Noch hatte er nicht gesehen, wer es war, doch er musste zugeben, dass es ihn berührte.
Es klang so wehmütig und dennoch hoffnungsvoll. Das Lächeln legte sich wie von allein auf seine Lippen, als er sich einfach an die Tür lehnte und für den Moment zuhörte.
Tsukishima wusste leider immer noch nicht die Melodie zuzuordnen, dennoch erfüllte es ihn mit einer befreienden Zufriedenheit.
Ließ seinen Ärger und Gereiztheit Stück für Stück verschwinden.
War einfach Balsam für seine müde Seele.
Fast schon erwartete er einen Lehrer oder eine Lehrerin dort sitzen zu sehen, als er sich endlich vorbeugte, um durch den kleinen Spalt hineinzusehen. Doch verwirrte ihn, dass was er sah, ihn nur noch mehr. Es war tatsächlich dieser Tollpatsch, der die Finger so federleicht über die Tasten gleiten ließ.
Er glaubte seinen Augen und Ohren kaum, als er es zu begreifen begann. Wie konnte jemand so unstrukturiertes, chaotisches solche harmonivollen Töne von sich geben? Es passte einfach in seinem Kopf nicht richtig zusammen.
Plötzlich stimmte eine Stimme mit ein und augenblicklich stellten sich ihm alle Härchen auf. Die Stimme war unglaublich schön und weich.
Er hielt den Atem an und war einfach nur fasziniert. Das Mädchen schien ihn zum Glück nicht bemerkt zu haben und spielte und sang einfach weiter. Unmöglich erschien es ihm den Blick abzuwenden, so gefangen war er von ihr. Nicht nur der Anblick hatte etwas beruhigendes, auch ihre wirklich tolle Stimme berührte ihn tief. Erst als das Klavier verstummte und sie mit einem seligen Lächeln zu ihm rüber sah, riss er sich los.
Ihr Blick war so anderes gewesen. So wach, durchdringend, dass es ihm wieder eine Gänsehaut beschert hatte und er reflexartig die Flucht ergriff.

Seit Tsukishima sie heimlich vor einer Woche am Klavier beobachtete hatte, Kanade wusste nämlich nicht, wie lange er dort schon da gestanden hatte, traute sie sich noch weniger in seine Nähe. Selbst ein Blickkontakt war zu viel für ihre mürben Nerven.
Eigentlich wartete sie nur darauf, dass er sich über ihre schrecklichen Klavierkünste und Singstimme lustig machte und sie vor der ganzen Klasse bloßstellte. Doch nichts dergleichen war geschehen.
Auch die Rache für seine kaputten Kopfhörer blieb aus, mit der sie fest gerechnet hatte.
Warum auch immer waren die beiden trotz weniger Berührungspunkte, oder vielleicht gerade deswegen, noch nie gut miteinander ausgekommen. Sie hatte einfach keine Ahnung warum, aber das sollte es ja geben. Manche Menschen waren und blieben einem unsympathisch.
Als ihre Lehrerin mit ihrem Test plötzlich vor ihr stand, zuckte sie zusammen. Kanade war mal wieder zu weit in ihren Gedanken abgedriftet. Wortlos nahm sie das Blatt entgegen und erstarrte beim Anblick des roten Buchstabens.
Durchgefallen.
„Watanabe-san, der nächste muss besser werden", teilte ihre Lehrerin noch mit und ging weiter.
Sie schluckte schwer und versuchte sich zu beruhigen. So viel hatte sie extra gelernt, sich stundenlang hingesetzt und gepaukt und mal wieder für nichts.
Der Frust wurde immer größer und am liebsten hätte sie laut geschrien und wäre aus dem Klassenzimmer gerannt. Immer weiter, bis zum Musikzimmer.
Dort würde sie sich an das Klavier setzten und alles herauslassen. Sollte doch die ganze Schule sie spielen hören. Hauptsache der toben Sturm in ihr wurde wieder zu einem angenehmen Wind.
Hauptsache dieser Schmerz des Versagens hörte auf.

Kanade glaubte nicht, dass sie schon mal so schnell ihre Tasche gepackt und aus dem Klassenzimmer gerannt war. Es gab jetzt wirklich nur ein Ziel.
So schnell es ging, ohne zu rennen, erreichte sie ihren Rückzugsort. Zärtlich strich sie mit den Fingern über die Seiten des Schulklaviers und spürte sofort eine einkehrende Ruhe.
Hier war sie allein für sich. Allein mit ihrer Musik.
Eilig wurde der Deckel von den Tasten angehoben und sie setzte sich auf den Hocker. Doch bereits nach den ersten paar Tönen, machte sich ihre Unkonzentriertheit bemerkbar. Viel mehr Fehler als sonst schlichen sich ein und sie kaute sich unzufrieden auf der Unterlippe rum. Immer schneller, völlig außer Takt, flogen ihre Finger über die Tasten. In ihren Ohren klang es so fürchterlich.
Es war viel zu aufgewühlt, um die sonst so harmonische Atmosphäre zu erschaffen, die sie so liebte.
Selbst dazu war sie also nicht zu gebrauchen.
Völlig in ihren Gedanken vertieft hämmerte sie immer weiter, die Melodie verzerrte sich und die ersten Tränen liefen ihre Wange hinab.
Unnütz. Unfähig. Überflüssig.
Worte sie sich immer mehr in ihren Kopf brannten und den Fluss der Musik zum negativen beeinflussten.
Plötzlich mischte sich unter ihre wirren Töne, leise zarte und sie sah verwirrt auf. Kanade konnte ihren Augen kaum glauben und nahm die Hände vom Klavier, um sich die Augen zu reiben. Doch der blonde Junge saß immer noch mit einem leicht verträumten Ausdruck neben ihr auf der Bank und spielte vorsichtig.

Tsukishima wusste nicht, warum oder weshalb, aber er konnte es nicht vergessen. Schon immer hatte Musik eine große Rolle in seinem Leben gespielt und noch nicht oft hatte ihn etwas so tief berührt, wie ihr Klavierspiel. Es ging ihm, egal was er versuchte sich selbst einzureden, nicht aus dem Kopf. Immer wieder sah er sie da lächelnd sitzen und hörte ihre Stimme und diese beeindruckende Melodie. Wie ein Ohrwurm drehte das ganze sich immer wieder in seinen Gedanken.
Umso trauriger hatte es ihn, wieso auch immer, gestimmt, als sie am nächsten Tag nicht wieder gespielt hatte. Oder die Tage darauf. Ansprechen wollte er sie trotzdem nicht. Er war sich nicht mal sicher, ob sie ihn beim letzten Mal bemerkt hatte.
Im Inneren verurteilte er sich selbst, als er die Freude nicht unterdrücken konnte, als er bemerkte, wie sie heute nach dem Unterricht aus der Klasse stürmte.
Die Wut auf sie wegen der Kopfhörer war irgendwie verschwunden. Erklären konnte er es sich selbst nicht wirklich.
Unauffällig packte er seine Sachen zusammen, verabschiedete sich von Yamaguchi, der ihn nur verwirrt ansah und machte sich auf in Richtung Musikzimmer.
Schon vom Fuß der Treppe hörte er die Töne, aber etwas klang falsch. Heute hatte ihre Musik absolut nichts von dieser umfassenden Harmonie und Leichtigkeit. Es wirkte fast schon bizarr und verstörend.
Die falschen Töne waren nicht zu überhören und auch das Tempo stimmte hinten und vorne nicht. Diese Tatsachen nervten ihn irgendwie. Hatte er sich also doch in ihr getäuscht und es war letztes Mal doch nur eine Ausnahme gewesen?
Trotzdem ging er die Stufen hinauf und spürte, je näher er kam, diesen Unmut in ihm aufkommen. Wie konnte sie es nur so verunstalten, dieses wunderschöne Lied?
Als er endlich angekommen war, stand die Türe so wie beim letzten Mal einen Spalt offen. Wieder beobachtet er sie für einen Augenblick nur. Sofort fiel ihm ihre verkrampfte Haltung auf und die Tränen, die ihre Wange hinabliefen. War das der Grund, dass es heute so anders klang?
Einem innerem Zog folgende, ohne weiter zu überlegen, betrat er den Raum und stellte seine Taschen neben ihrer. Die Note von ihrem Test sprang ihm dabei entgegen und langsam setzte sich alles zusammen.
Kanade hatte ihn wohl noch nicht bemerkt, so vertieft war sie in ihr schreckliches Spiel. Tief holte Tsukishima Luft und seufzte, während er seine Brille richtete. Nervös wackelte er mit den Fingern. Ob er es wohl noch konnte?
Ohne weiter drüber nachzudenken, ließ er sich neben sie auf den Hocker sinken und schlug vorsichtig die ersten Tasten an. Es war nach all der Zeit immer noch ein unbeschreibliches Gefühl selbst Musik zu machen. Je weiter er die einfache Melodie von dem Kinderlied spielte, umso ruhiger wurden die chaotischen Töne neben ihm, bis sie schließlich ganz verstummten.
Er neigte den Kopf zu ihr und sah in ihre verweinten braunen Augen. So viele Gefühle spiegelten sich in ihnen und machte ihn schwindelig. Hatte sie schon immer so ausdrucksstarke Augen gehabt?
Sein Herz schlug schneller, als ihm bewusst wurde, wie nah sie auch beieinander saßen. Eigentlich war es ein Ding der Unmöglichkeit, dass sie ihn jetzt erst bemerkt hatte.
Als auch er aufgehört hatte zu spielen, war es unangenehm ruhig im Raum.
„Als ich dich letzte Woche hab spielen hören, habe ich auch einfach wieder Lust bekommen zu spielen. Das Katzengejammer von heute, war ja nicht zu aushalten", versuchte er die Stille zu durchbrechen und lächelte sie leicht arrogant an.
Augenblicklich änderte sich ihre Mimik und sie wandte den Blick ab. Ihre Hände krampften sich um den Saum ihres Rockes.
„Schon klar, selbst das kannst du besser als ich. Mach dich nur weiter über mich lustig", wisperte sie leise und kraftlos. Fast schon tat es ihm leid, er wollte ihr ja eigentlich nicht noch mehr weh tun.
Also lachte er einfach. Er lachte, weil er genau wusste, dass er niemals an ihr Niveau von letzter Woche heranreichen konnte. Das war einfach nicht möglich.
„Oh nein. Ich hatte als Kind für ein oder zwei Jahre Unterricht, hab mich dann aber für das Volleyballspielen entschieden und „Twinkel, Twinkel, little Star" ist das Einzige, was ich kann", wehrte er ab und sein Lächeln wurde etwas weicher.
„Nichts im Vergleich von deinem Lied von Supercell letzte Woche...das war...einfach klasse. Es hat mich richtig beruhigt und glücklich gemacht."
Die Worte waren schneller über seine Lippen gekommen, als er nachdenken konnte. Aber es war nur nun mal die Wahrheit.
„Es war nur so ruhig, dass ich es erst später erkannt habe. Aber wirklich, das war gut!"
Konnte er nicht mal den Mund halten? Sonst klappte es doch auch hervorragend.
Der Blonde konnte sich sein Verhalten nicht erklären. Warum war er auf einmal so redselig? Was kümmerte das ganze ihn?
Doch da kamen ihm die Erinnerung wieder hoch. Es war die Musik. Es war schon immer die Musik gewesen, die es, schaffte ihn, etwas fühlen und ausdrücken zu lassen.
Mit weit aufgerissenen Augen sah Kanade ihn wieder an. Wahrscheinlich glaubte sie ihm das nicht.
Tsukusihma zögerte kurz, weil er selbst nicht glauben wollte, was er im Begriff war zu sagen.
„Soll ich es nochmal versuchen? Vielleicht klappt es ja jetzt besser", kam sie ihm unsicher nuschelnd zuvor und vermied es ihn direkt anzusehen.
Möglichst gelassen versuchte er zu nicken. Ja, er würde sie gerne nochmal richtig spielen und singen hören. Letzte Woche hatte er dabei das Gefühl bekommen in eine fremde Welt abzutauchen. Er wollte es nochmal erleben und vielleicht konnte er ihr so auch etwas helfen. Vielleicht machte seine Hilfe einen Teil der Gemeinheiten wieder gut.
Die widersprüchlichen Gefühle in ihm rangen miteinander. Alles war durcheinander und er konnte damit einfach nicht gut umgehen. Wurde wie in einem Sturm der Gefühle umhergewirbelt und ließ nichts dort, wo es gewesen war.
Doch wusste er mit Sicherheit, dass er ihr Lied noch einmal hören wollte.

Ihre Finger zitterten, so aufgeregt war sie. Wer hätte auch mit so etwas gerechnet?
Dass ausgerechnet er sie hier finden würde. Dass er sich zu ihr setzte und ihr auf seine Art gut zusprach und ihr versuchte zu helfen.
Es war einfach nur seltsam.
Sie schloss ihre Augen, richtet sich auf und lockerte ihre verkrampften Finger. Vielleicht sollte sie mit etwas Leichterem anfangen?
Sein Kinderlied kam ihr in den Sinn und sie zückte ihr Handy. Die Noten konnte sie spielen, fehlte nur noch der Text.
Sobald ihre Finger wieder die Tasten berührten, spürte sie, wie eine innere Ruhe sich ausbreitete. So sollte es sich anfühlen Klavier zu spielen. So und nicht anders.
Die Verzweiflung, der Kummer, fielen mit jeder weiteren Note von ihr ab. Als sie bemerkte, dass er neben ihr anfing zu schmunzeln, sah sie ihn auffordern an und er verstand auch ohne Worte, was sie wollte.
Er setzte ebenfalls an und sie spielten die Melodie gemeinsam. Es klang anders, aber dennoch immer noch harmonisch.
Mit geschlossenen Augen huschten ihre Finger weiter über die Tasten.
„Twinkle, twinkle, little star, How we wonder what you are", sang sie erst leise, dann immer etwas lauter werdend.
Alles Negative fiel von ihr ab und sie gab sich ganz der Musik hin. Spürte wie neue Kraft sie durchflutete und sie endlich wieder atmen ließ. Mit etwas Musik war die Welt so viel schöner.
Als das Lied zu Ende war, drehte sie sich zu ihrem uneingeladenen Gast um und grinste ihn breit an.
Das war das erste ehrliche Lächeln seit langem, das aus vollem Herzen kam, das sie jemanden schenkte.
Kanade sah seine großen Augen hinter der Brille und den leichten Rotschimmer auf seinen Wangen. War ihm das ganze jetzt doch peinlich?
„Danke, Tsukishima-kun."
Keine Antwort kam und sie wandte sich wieder dem Instrument zu. Sie hatte ihre Spur wieder gefunden, jetzt konnte sie ihm seinen Wunsch erfüllen.
Kurz bevor sie wieder anfing zu spielen, war der Raum wieder so still. Fast wie die Ruhe im Inneren eines Sturms.
Und dort mittendrin mit all den Emotionen, die herumwirbelten, alles durcheinander brachten, merkte sie, dass es etwas Zartes, ungewöhnliches mit der Hilfe ihrer geliebten Musik angefangen hatte zu wachsen.

120 Ways of love (OS Sammlung) (boy x reader /oc)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt