POV Taylor
Am nächsten Tag gehe ich mit einem besseren Gefühl in die Schule und freue mich sogar etwas auf das Boxen. Mila ist in den ersten Stunden jedoch gar nicht da und kommt erst zu Deutsch in der vierten Stunde. In der Pause ist sie so schnell weg, dass ich kein Wort mit ihr wechseln kann. Vielleicht habe ich es mir ja eingebildet, aber ich hatte das Gefühl, dass wir uns besser verstehen würden seit gestern. Als ich nach dem Unterricht in der Halle ankomme ist Mila schon umgezogen und boxt auf einen der Boxsäcke ein. Von hinten sieht man wie durchtrainiert ihr Oberkörper ist und ich kann nicht mehr leugnen, dass sie wirklich gut aussieht. „Hey", sage ich, damit sie mich bemerkt. Sie dreht sich kurz zu mir und meint nur: „Mach dich warm." Dann schlägt sie weiter auf den Sack ein und wirkt dabei ziemlich aggressiv. Ich mache mich warm und boxe selbst ein bisschen gegen einen Sack. Hin und wieder mustere ich Mila von der Seite und sehe schnell, dass sie sich völlig auspowern wird noch bevor das Training angefangen hat. Ich ziehe meine Handschuhe aus und gehe zu ihr. „Du solltest mal eine Pause machen", sage ich, doch sie ignoriert mich einfach. Kurzerhand ziehe ich sie an ihrer Hüfte ein Stück vom Boxsack weg. Sofort zuckt sie zusammen und weicht zurück, als hätte ich ihr wehgetan. Ich runzele die Stirn: „Was hast du?" Sie will sich wegdrehen, doch ich bekomme den Stoff ihres Shirts zu greifen und kann es ein kleines Stück hochziehen. Zum Vorschein kommt ein riesiges Hämatom an ihrer Hüfte. „Was ist passiert? Das war doch nicht ich?", frage ich leicht panisch. „Das geht dich nichts an, lass mich einfach in Ruhe", blitzt Mila mich an und schubst mich so fest, dass ich hinfalle. Mit schnellen Schritten verlässt sie die Halle und knallt die Tür hinter sich zu.
„Ich gehe nur joggen", erkläre ich meinem Vater und nach einem kurzen prüfenden Blick, lächelt er. „Viel Spaß", sagt er und widmet sich dann wieder seinen Unterlagen. Ich laufe durch die Straßen der Nachbarschaft und erhöhe mein Tempo, um mich wirklich auszupowern. Das Boxtraining heute war nicht wirklich effektiv, weil nicht viele da waren und wir mehr Taktik besprochen haben. Dass Mila weg war, hat niemanden wirklich überrascht, was mich nachdenklich gemacht hat. Ist es normal, dass sie einfach so abhaut und ständig so gereizt ist? Ich mache mir immer noch Gedanken darüber, ob ich an ihren Verletzungen schuld bin. Ich habe sie beim Training an dieser Stelle getroffen, aber mein Schlag ist eigentlich nicht so fest gewesen. Wieso mache ich mir überhaupt so viel Gedanken um dieses Mädchen? Ich bin so im Flow der Musik, dass ich gar nicht mehr merke, wo ich hinlaufe. Als sich in einer Straße plötzlich ein Schatten aus der Dunkelheit herausbewegt, erschrecke ich mich halb zu Tode. Ich reiße mir meine Kopfhörer aus den Ohren und atme erleichtert aus, als ich mir bekannte grüne Augen erkenne. „Gott, willst du mich umbringen", bringe ich außer Atem hervor. Mila hat schuldbewusst die Arme gehoben und meint: „Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich hatte gehofft, dass du vielleicht wieder herkommst." Erst jetzt fällt mir auf, dass wir wieder vor dem alten Kino stehen. Mich hat es wohl von selbst wieder hierhergezogen. Mila wirkt sehr viel ruhiger als vorhin in der Schule und irgendwie wirkt sie sogar nervös. Ich mustere das Mädchen, das ich bisher immer nur selbstbewusst und arrogant erlebt habe und muss fast etwas lächeln. Sie kratzt sich am Hinterkopf und murmelt: „Also, ich denke, ich muss mich entschuldigen." Ich ziehe eine Augenbraue hoch, damit habe ich definitiv nicht gerechnet. „Ich will, dass du weißt, dass du es nicht warst", sagt sie und nimmt mir damit einige Sorgen. Ich würde sie am liebsten fragen, wer es dann war, doch sie würde mir wohl kaum antworten. Also nicke ich nur, um ihr zu zeigen, dass ich die Entschuldigung annehme. Sie schiebt ihre Hände in ihre Hosentaschen und meint: „Vielleicht sieht man sich die nächsten Abende ja mal." Dann dreht sie sich um und ist so schnell weg, wie sie gekommen ist. Ich sehe ihr nach und erst meine piepsende Uhr erinnert mich daran, dass ich eigentlich gerade jogge. Nachdenklich laufe ich weiter und werde aus diesem Mädchen nicht schlau. Sie scheint ganz eindeutig nicht einfach zu sein und vermutlich ist sie auf keinen Fall ein Umgang, den meine Eltern befürworten würden. Trotzdem will ein Teil von mir unbedingt die nächsten Abende wieder zu dem alten Kino und mehr über sie wissen.
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My own heaven
RomanceTaylor ist eine fleißige, kluge junge Frau, die ihr Leben genau so führt, wie ihre Eltern es für sie vorgesehen haben. Doch sie trägt ein Geheimnis mit sich, sie fühlt sich zu Mädchen hingezogen. Das widerspricht ihrem Glauben und den könnte sie nie...