Kapitel 75

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POV Mila

Sanft berühren Taylors Finger meinen Arm und streicheln über mein Tattoo. Ich habe die Augen geschlossen und konzentriere mich nur auf ihre federleichte Berührung. Es ist ewig her, dass ich mich so sicher gefühlt habe wie gerade. All meine Sorgen sind weit weg und ich spüre nur die Wärme, die Taylors Körper ausstrahlt. Sie liegt neben mir unter der Decke, doch ihr Bein ist mit meinen verschlungen und ihr Atem berührt sanft meine Schulter. Als ihre Hand meinen Hals berührt, öffne ich die Augen und erkenne pure Wärme in ihren Augen. Sie wirkt, als wären haufenweise Lasten von ihren Schultern gefallen und die ganze Zeit liegt ein kleines Lächeln auf ihren Lippen. „Du trägst sie tatsächlich noch", flüstert sie und scheint, es immer noch nicht ganz fassen zu können. Sie berührt den Anhänger an meinem Hals und wirkt tief berührt. „Noah hatte nie einen Zweifel an deiner Unschuld", sage ich und sofort lächelt Taylor warm. Sie blickt herunter zu meinem Bauch und greift nach der Decke. „Darf ich?", fragt sie vorsichtig und ich nicke sofort. Sie schiebt die Decke beiseite und betrachtet meine Narbe. Sofort bilden sich Tränen in ihren Augen und ich bekomme Gänsehaut, als ihre Finger meine Haut berühren. „Du hast mir so eine scheiß Angst gemacht", flüstert Taylor und ich bekomme eine kleine Vorstellung davon, wie es ihr ergangen sein muss. Um sie aufzumuntern, stupse ich ihr in die Seite und meine: „Fluchen ist eine Sünde." Wie früher erreiche ich mein Ziel und sie muss leicht grinsen. Sie sieht mich an und schüttelt den Kopf: „Du hast dich also kein bisschen verändert." Grinsend greife ich nach ihrer Hand und frage: „Wäre es dir lieber, ich hätte es?" Taylor schaut mich so an wie früher und es hüllt mich in einen warmen Schleier von Geborgenheit. Sie schüttelt den Kopf und legt ihre Lippen sanft auf meine: „Nein, ich will dich genau so, wie ich dich kennengelernt habe." Sofort grinse ich und erinnere mich an unsere erste Begegnung, bei der ich mich wie ein Arschloch verhalten habe. Bei meinem Grinsen scheint sie zu erkennen, woran ich denke und schmunzelt. „Na gut, ich will das Mädchen, das mir auf einer Parkbank vor einem alten Kino mein Herz gestohlen hat." Lächelnd lege ich meine Hand auf ihre Wange und streiche sanft mit meinem Daumen über ihre Unterlippe. „Das behalte ich für immer", flüstere ich und spüre, dass ich mir genau das wünsche. Ich will mit Taylor zusammen sein, egal wie schwer es wird. Auch wenn ich für jeden Tag kämpfen muss, werde ich es tun. Ich kenne es sowieso nicht anders. Sie ist die Einzige, die mir gezeigt hat, wie es sein kann, nicht nur zu überleben. Sie nickt lächelnd und haucht: „Es gehört allein dir."

POV Taylor

Am nächsten Morgen fühle ich mich ausgeschlafener denn je und mache summend die Kaffeemaschine für meine Tante an. Die anderen schlafen noch, Mila ist gestern Abend noch zurück zu Noah ins Bett gekrochen. Ich will erst mit meiner Tante reden, bevor ich zeige, dass wir wieder zusammen sind. Wir haben nicht offiziell darüber geredet, aber ich habe genau gespürt, dass es diesmal anders ist. Mila wird mich nicht wegstoßen und ich werde sie nicht allein lassen. Ich habe mich hundert Mal bei ihr entschuldigt und habe trotzdem noch ein schlechtes Gewissen. Immer noch kann ich nicht glauben, dass sie mich so verarscht hat. Sie wusste schon vor unserem Gespräch ganz genau, dass ich immer noch in sie verliebt bin. Sie hat mir erzählt, dass Lea ihr die Wahrheit gebeichtet hat und Noah gestern vom Krankenhaus erzählt hat. Von Leas Ehrlichkeit bin ich ziemlich überrascht und es verändert meine Sicht auf sie erneut. Vermutlich ist sie nur ein Opfer ihrer eigenen Gedanken und Ängste. Kurz haben wir auch übe Isabella geredet, doch ich habe sofort gemerkt, dass es Mila schwerfällt. Es war auch eindeutig, dass sie mit niemandem zuvor über ihre Mutter geredet hat, was mir ziemlich schmeichelt. Ich scheine noch immer ihre Bezugsperson Nummer eins zu sein, auch nach all den Wochen, in denen sie mich vergessen wollte. Es bedeutet mir alles, dass sie mir wieder vertraut. Ich habe das nicht verdient, aber Mila hat mir vergeben.

Mein Summen verstummt, als mein Handy auf der Anrichte beginnt zu vibrieren und das Display den Namen meiner Mutter anzeigt. Ich seufze und stelle eine Tasse unter die Maschine, um sie mit Kaffee zu füllen. „Du solltest dran gehen." Erschrocken zucke ich zusammen, weil ich nicht bemerkt habe, wie meine Tante in die Küche gekommen ist. Ihr Blick ist vielsagend und ich bin nicht gut darin, ihr zu widersprechen. Also schnappe ich mir mein Handy, gehe raus an die frische Luft und hebe ab. „Hey Schatz, ich hoffe bei dir ist alles gut?", fragt meine Mutter und ich bestätige direkt, dass alles klar ist. In mir überwiegt mein schlechtes Gewissen meine Freude und mein Magen fühlt sich nicht gut an. „Ich bin sehr stolz auf dich, Taylor", sagt meine Mutter und erwischt damit einen wunden Punkt. Ich wollte meine Eltern immer stolz machen und doch wird ein Teil von mir sie immer enttäuschen. Tränen sammeln sich in meinen Augen und ich stottere: „Ich muss dir was sagen." Bevor ich jedoch weiterreden kann, unterbricht meine Mutter mich: „Nein, das musst du nicht. Genieß dein Wochenende und wenn du wiederkommst, wird hier ein Zuhause warten, in dem du wirklich zuhause sein willst. Du bist eine gute Christin, Taylor. Ich habe gesehen, wie viel du bereit bist zu geben und wie selbstlos du bist. Ich weiß, dass du nach Vergebung suchst, doch die brauchst du nicht. Vergib dir selbst und vergib uns, dass wir dir keine guten Vorbilder waren." Tränen laufen über meine Wangen und ich kann nicht fassen, was ich da höre. Mein Herz fühlt sich an, als würde es jeden Moment zerspringen vor Glück. Meine Mutter akzeptiert mich. Ich bin nicht fähig, etwas zu sagen, zu schwer fällt es mir, ihre Worte zu begreifen. „Ich habe dich lieb", sagt meine Mutter noch, dann legt sie auf. Völlig überrumpelt lasse ich mich auf die Gartenbank sinken und blicke auf den Rasen. Tony kommt zu mir gelaufen und ich kraule ihm den Kopf. „Sie liebt mich so wie ich bin", flüstere ich ihm ungläubig zu und er leckt meine Finger ab.

Als sich die Terrassentür öffnet, blicke ich auf und erkenne Mila. Sie trägt noch ein Schlafshirt und ihre Haare sind leicht verwuschelt. Als sie meine Tränen sieht, weiten sich ihre Augen sofort besorgt und sie kommt zu mir. Schnell kniet sie sich vor mich und legt ihre Hände auf meine Oberschenkel: „Was ist los?" Ich wische mir die Tränen weg und lächele verweint: „Meine Mutter." Verwirrt und unsicher runzelt Mila die Stirn und will ihre Hände von mir lösen. Sofort greife ich nach ihren Fingern und drücke ihr einen Kuss auf die Lippen. „Es ist okay." Mila mustert mich und scheint nicht zu verstehen, was ich da sage. „Sie akzeptiert meine Gefühle", sage ich, um ihr auf die Sprünge zu helfen und ihre Augen weiten sich sofort. Ein Lächeln breitet sich auf ihren Lippen aus und nach wenigen Sekunden erreicht es auch ihre Augen. Blitzschnell hebt sie mich in ihre Arme und dreht sich mit mir im Kreis. Lachend küsse ich ihre Wange und schlinge meine Arme fest um ihren Hals. „Jetzt gehörst du mir, mein Engel", flüstert Mila mir ins Ohr und ich löse mich leicht, um sie ansehen zu können. Ihre Haare stehen leicht ab und liegen ausnahmsweise kein bisschen so wie sie sollten. Ich glaube, sie war für mich nie schöner. Ich lege meine Hand auf ihre Wange und küsse sie mit all der Liebe, die ich in mir habe. Sofort erwidert sie die Bewegung meiner Lippen und hält mich fest in ihrem Arm. Ich fahre ihr in ihre dunklen Strähnen und genieße die angenehme Wärme, die ihr Körper ausstrahlt. Noch nie zuvor habe ich mich so lebendig und frei gefühlt wie jetzt gerade. „Tony, warte", höre ich Noah rufen und löse mich wenn auch ungern von seiner Schwester. Sie sieht mir noch kurz grinsend in die Augen, dann lässt sie mich herunter. Trotzdem hat Noah eindeutig genug gesehen, um zu kapieren, dass sich einiges zwischen uns seit gestern geändert hat. Er steht in der Tür und seine Augen strahlen glücklich. Er kommt zu uns und schließt seine kurzen Arme um Milas Hüfte. Während er sich an ihren Bauch kuschelt, sagt er: „Danke." Sie sieht auf ihn herab und hat den Ausdruck in ihren Augen, mit dem sie nur ihn ansieht. Pure Liebe und Zuneigung vermischt mit dem Willen, ihn stets tu beschützen. „Hey, krieg ich auch eine Umarmung?", frage ich gespielt empört und knie mich zu dem kleinen Jungen. Sofort schlingt er seine Arme um meinen Hals und schmiegt seine Wange gegen meine. „Ich wusste, dass sie dich noch lieb hat", flüstert er mir zu und ich muss schmunzeln. Ich sehe ihn an und stupse ihm auf die Nase: „Dann hast du mehr als ich gewusst."

Wir gehen wieder hinein zum Frühstücken und Noah stürzt sich gleich auf die Croissants. Mila setzt sich zu ihm und hilft ihm, mit dem Nutellaglas umzugehen, während ich zu meiner Tante in die Küche gehe. Ich sehe sie nachdenklich an und wackele mit meinem Handy in der Hand. „Wie hast du das gemacht?", frage ich und wie erwartet zuckt sie unwissend die Achseln. Ich lehne mich neben ihr an den Kühlschrank und ziehe eine Augenbraue hoch: „Jetzt sag es mir schon." Meine Mutter hatte sicherlich nicht plötzlich eine Eingebung und deswegen ihre Meinung geändert. „Sie hat dich im Krankenhaus gesehen", meint Jean und rührt in ihrem Kaffee, „das hat sie berührt." Ich mustere sie prüfend und verschränke meine Arme vor der Brust. Da seufzt meine Tante und murmelt: „Ja vielleicht habe ich sie angerufen." Ich schmunzele, meine Tante war schon immer darauf aus, alle wieder zusammen zu bringen. „Was hat sie umgestimmt?", frage ich, weil es mich wirklich interessiert. In ihrem bunten Morgenmantel ist meine Tante die menschgewordene Herzlichkeit und trotzdem hat sie es faustdick hinter den Ohren. Sie lächelt und sagt: „Meine Eltern können ihr nicht mehr vergeben, aber ich kann es. Du ähnelst deiner Mutter mehr als du denkst und irgendwann lernt man, mit euch umzugehen." Sie zwinkert mir zu und mein Herz wird warm, weil ich mich endlich richtig fühle. Der Käfig, indem ich gefangen war, bricht auseinander und ich kann endlich die Sonne sehen. Es treibt mir wieder die Tränen in die Augen und wie von selbst laufe ich in die Arme meiner Tante. Ich schmiege mich an sie und flüstere tausend Mal danke.

Es war ein schwerer Weg, aber ich war nie allein und würde jeden Meter wieder gehen.

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